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20.
Der Hausmeister von Park Lane

Wir sahen uns einige Augenblicke schweigend an, dann, obwohl niemand außer dem Diener, der an der Haustür stand, und dem Kraftdroschkenfahrer, der am Fuß der Freitreppe wartete, in unsrer Nähe war, gingen wir doch aus Vorsicht noch ein Stück vom Haus fort.

»Wie haben Sie das erfahren, Jifferdene?« fragte ich.

»Das will ich Ihnen erzählen, Mr. Cranage«, antwortete er. »Wie Sie wissen, haben wir beinahe von Anfang an den Verdacht gehabt, daß Lady Renardsmere in diese Geschichte verwickelt ist. Sie wissen, wie sie damals mir vor der Nase davonfuhr. Das stärkte natürlich nur meinen Verdacht – warum sollte sie mir aus dem Wege gehen, wenn sie nichts zu verbergen hatte? Wir versuchten, sie in London zu finden, erst in ihrem Stadthaus in Park Lane, dann in verschiedenen vornehmen Hotels, wo sie manchmal absteigt – überall vergeblich! Sie war vielleicht – es ist sogar wahrscheinlich – an dem Tage, als sie hier davonfuhr, einige Stunden am Nachmittag oder Abend in ihrem Stadthaus, aber danach, und darüber besteht gar kein Zweifel, ist sie über Dover nach dem Kontinent gereist. Mir wurde gemeldet, daß sie an dem Abend im Lord-Warden-Hotel in Dover gesehen worden war.«

»Tatsächlich?« rief ich aus.

»O ja, ich habe nichts unversucht gelassen, sie ausfindig zu machen, da ich wußte, daß ich, wenn ich sie erst einmal hätte, etwas sehr Wichtiges von ihr erfahren könnte«, antwortete er. »Na, jedenfalls konnte sie mir entwischen. Nun haben wir uns, wie Sie wissen, vor einigen Tagen in Scotland Yard entschlossen, den ganzen Fall der Öffentlichkeit durch die Presse bekannt zu geben. Daraufhin erschienen diese langen Berichte erst in den Abend- und dann in den Morgenblättern, und zwar gerade an dem Tag, wo Sie das Abenteuer mit den drei Banditen erlebten, die ich vorhin in Portsmouth im Gefängnis sah. Nun besuchte mich gestern der Pariser Korrespondent des ›Daily Sentinel‹; er hatte Geschäftliches seiner Zeitung wegen in London zu erledigen. Er sagte mir, er wäre an dem Tag vor seiner Abreise aus Paris zufällig im Hotel Bristol gewesen und hätte dort Lady Renardsmere im Gespräch mit einem vornehmen älteren Chinesen gesehen. Er kennt Lady Renardsmere von Ansehen ganz gut, denn er war, bevor er nach Paris ging, in London als Journalist tätig gewesen und kennt daher alle angesehenen Leute. Den Chinesen kannte er nicht, aber wie Journalisten nun einmal sind, erkundigte er sich sofort. Er erfuhr, der Chinese sei ein Mr. Cheng, ein sehr angesehener Finanzmann. Nun hatte dieser Journalist selbstverständlich die Berichte der Londoner Zeitungen über diesen ganzen Fall gelesen, und da Lady Renardsmere und Mr. Cheng darin erwähnt werden, war er natürlich sehr erstaunt, die beiden zusammen zu sehen. Er nahm sich vor, Scotland Yard gleich nach seiner Ankunft in London aufzusuchen und uns mitzuteilen, er habe beide zusammen gesehen. Da ihm noch einige Stunden bis zur Abfahrt seines Zuges blieben, da ihm alle Einzelheiten des Falls, der ihn sehr interessierte, vertraut waren, und er nun einmal im Hotel Bristol war, entschloß er sich, die Zeit noch auszunutzen und uns in unseren Nachforschungen zu unterstützen.«

»Auf welche Weise?« fragte ich. »Wie hat er Ihnen helfen können?«

»Na«, sagte Jifferdene, »wenn Sie den von uns ausgegebenen Zeitungsbericht gelesen hätten, würden Sie wissen, daß Mr. Cheng damals, als ihm Chuh Sin diesen überaus wertvollen Gegenstand – Gott weiß, was es ist – raubte, auch im Hotel Bristol wohnte. Dieser Journalist – ein heller Kopf – kam auf den Einfall, Angestellte des Hotels Bristol um eine Beschreibung von Chuh Sin zu bitten. Sie wurde ihm gegeben, und er hat uns nun den Mann, den wir so eifrig suchen, beschreiben können. Wenn Mr. Cheng uns nur offen und ehrlich entgegengetreten wäre, hätte das uns viel Mühe erspart, und es wären nicht soviel Morde geschehen. Wie die Angestellten des Bristols sagten, hätte man Chuh Sin leicht für einen Europäer halten können; er ging stets nach der letzten Mode gekleidet, und wer es nicht wußte, hätte ihn nie für einen Chinesen gehalten; nur wenn er seine Nationaltracht anlegte, wie er es manchmal tat, wären die Merkmale seiner Rasse deutlich zu erkennen gewesen. Er spricht perfekt Englisch und Französisch; Englisch sogar ohne jeden fremdländischen Akzent. Der Hoteldirektor, der öfters geschäftlich mit ihm zu tun hatte, schilderte ihn als einen überaus klugen und gewandten Mann – und das ist er beides, Mr. Cranage, wir wissen es leider nur zu gut!«

»Wir wissen auch, Jifferdene, daß er verunstaltet ist«, sagte ich, »und so müßte er leicht zu erkennen sein.«

»Ja, von nahem!« stimmte er bei. »Aber bis jetzt ist noch niemand in seine Nähe gekommen. Jedenfalls geben wir uns alle Mühe. Aber – was glauben Sie, wollte Lady Renardsmere von dem alten Chinesen?«

»Ich will mir darüber gar nicht den Kopf zerbrechen, Jifferdene«, antwortete ich. »Lady Renardsmere handelt stets nach ihrem eignen Kopf und verbittet sich jede Einmischung in ihre Angelegenheiten. Außerdem liest sie die Zeitungen immer sehr gründlich und wird daher schon wissen, was sich ereignet hat, und daß sie nun in Gefahr ist.«

»Gefahr!« sagte er. »Sollte Lady Renardsmere, wie ich stark vermute, in diese Angelegenheit verstrickt sein, dann ist sie, solange dieser Chinese frei umherläuft, in sehr großer Gefahr. Scotland Yard erwägt bereits, ob es nicht einen Beamten nach Paris schicken sollte, um sie zu warnen. Aber …«

»Sie würden sie wahrscheinlich dort nicht mehr antreffen, wenn Sie hinkämen«, sagte ich. »Meiner Meinung nach wird sie sich bis kurz vor dem Derby nirgends blicken lassen.«

»Das Derby!« rief er aus. »Natürlich! Da wird sie mit dabei sein wollen. Bis dahin wird noch viel Wasser die Themse hinunterfließen, Mr. Cranage. Na, jetzt muß ich aber gehen.« Er gab mir die Hand und sah sich nach seinem Wagen um, dann zögerte er plötzlich und deutete mit dem Kopf nach dem Haus. »Mir ist es ein Rätsel«, flüsterte er, »daß hier noch nicht eingebrochen wurde, daß Lady Renardsmere, als sie noch hier war, nicht angefallen wurde. Aber vielleicht ist es der Bande nur erst kürzlich zu Ohren gekommen, daß Lady Renardsmere mit der Angelegenheit auch etwas zu tun hat. Wenn …«

»Wenn was, Jifferdene?« fragte ich.

»Wenn Sie einen nächtlichen Besucher in Gestalt eines Chinesen bekommen sollten?« meinte er. »Es ist immerhin möglich!

»Wir sind genügend Männer im Hause, und wir haben auch Schußwaffen«, antwortete ich. »Ich selber trage schon seit einer Woche immer einen Revolver bei mir.«

»Das ist recht vernünftig von Ihnen«, bemerkte er. »Morde liegen sozusagen in der Luft, nicht wahr? Nun, wir können auch nicht mehr als unser Möglichstes tun, Mr. Cranage. Wenn es vielleicht auch nicht den Anschein hat, wir strengen uns aber wirklich an.«

Er verabschiedete sich, und ich ging zu Peyton und damit zu der nicht enden wollenden und zwecklosen Erörterung dieses Falles zurück. Peyton, der ganz durch Zufall in all dieses hineingeraten war, hatte großes Interesse dafür gefaßt und sich entschlossen, das Ende abzuwarten. Er hätte sowieso jetzt auch nicht gut fortgekonnt, denn der Untersuchungsrichter wünschte seine Anwesenheit bei den wiederholten Vernehmungen der drei Banditen. Er, Walker, Peggy und ich wurden diesen drei so oft gegenübergestellt, daß wir es bald gründlich satt hatten, ihre mißlaunigen und trotzigen Gesichter sehen zu müssen. Da ich nicht gut Lady Renardsmeres Gastfreundschaft für Peyton noch länger in Anspruch nehmen konnte, zog er in den Gasthof Renardsmere. Ich hatte gerade zu der Zeit nicht sehr viel zu tun, und so waren wir viel zusammen und verbrachten den größten Teil jedes Tages in Manson Lodge, wo Rippling Ruby Tag und Nacht wie eine Königin, deren Leben und Thron in Gefahr waren, bewacht wurde, und ihr Training für das Derby beendete. Das Derby sollte nächste Woche stattfinden; die Polizei hatte noch immer nicht den Chinesen festnehmen noch eine Spur von ihm finden können. Die drei Banditen wurden auf Grund der vorgebrachten Beweise – das bei dem Anführer gefundene Notizbuch belastete sie besonders stark – des Mordes an Holliment, Quartervayne und Neamore angeklagt, und die Verhandlung vor dem Geschworenengericht sollte demnächst stattfinden. Die Personalien des Anführers waren einwandfrei festgestellt worden; die beiden anderen weigerten sich nach wie vor, ihre Namen zu nennen, und der Polizei war es bisher nicht gelungen, diese in Erfahrung zu bringen. Wichtiger aber als all dieses war für Peggy und mich, daß wir seit dem Telegramm aus Dover weder brieflich noch telegraphisch etwas von Lady Renardsmere gehört hatten, und dabei war es schon Freitag vor dem Derby. An diesem Tag erhielten wir endlich eine Nachricht.

Ich erledigte an diesem Morgen die nicht sehr große Korrespondenz – seit Lady Renardsmeres Abwesenheit kamen nur wenige Briefe – als so ungefähr um die Mittagszeit Burton ins Zimmer trat. Er tat etwas geheimnisvoll, konnte aber eine freudige Erregung nicht ganz verbergen. Er trat dicht an meinen Schreibtisch und flüsterte sogar, was ganz unnötig war.

»Mr. Cranage, Joycey ist hier. Er möchte Sie sprechen.«

Ich sah ihn verwundert an.

»Joycey«, sagte ich. »Wer ist Joycey?«

»Ich vergaß, daß Sie das nicht wußten. Er ist der Hausmeister von Park Lane. Ich glaube, er hat Ihnen etwas von der gnädigen Frau auszurichten.«

Unwillkürlich sprang ich etwas aufgeregt von meinem Schreibtisch auf.

»Führen Sie ihn sofort herein, Burton«, sagte ich. »Hat er Ihnen irgend etwas ausgerichtet?«

»Nein. Er hat nur Ihnen etwas auszurichten. Ich habe auch keine Fragen an ihn gestellt. Wenn …«

»Was ist? Burton?«

»Ich wünschte, Sie könnten aus ihm herausbekommen, wo die gnädige Frau sich aufhält. Ich … Mr. Cranage, ich fange an, nervös zu werden, ich bin schon sehr besorgt. Joycey ist so sehr verschwiegen, ich könnte noch so sehr in ihn dringen, er würde mir nichts sagen. Vielleicht wenn Sie, Mr. Cranage …«

»Ja, es ist gut, Burton, führen Sie ihn nur herein. Vielleicht soll er uns sowieso sagen, wo Lady Renardsmere sich aufhält. Auf jeden Fall –«

Ich erwartete, an meinem Schreibtisch stehend, den Hausmeister. Er trat bald darauf ins Zimmer. Er war untadelig in Schwarz angezogen, sein Gang war leise, ebenso seine Stimme, seine Manieren waren vollendet, und er verbeugte sich tief und ehrerbietig vor mir.

»Guten Tag, Joycey«, sagte ich. »Sie haben eine Nachricht für mich?«

»Ja, mein Herr, von der gnädigen Frau.«

»Gut«, sagte ich. »Bitte, setzen Sie sich. Was sollten Sie mir ausrichten?«

Er setzte sich, stellte seinen Zylinder und seinen Schirm neben sich und legte seine Handschuhe auf die Knie.

»Wenn Sie, bitte, einen Augenblick warten würden, mein Herr«, sagte er. »Auf Befehl der gnädigen Frau darf ich die Botschaft Ihnen und Miß Manson nur gemeinsam übermitteln. Sie wurde telegraphisch gebeten, hier Punkt zwölf Uhr zu erscheinen; es fehlen nur noch ein oder zwei Minuten bis dahin.«

»Ich verstehe«, sagte ich. »Die Nachricht ist für Miß Manson und mich gemeinsam bestimmt. Nun gut, ich will mal nachsehen, ob sie schon zu sehen ist.«

Ich trat an ein Fenster und sah auf die Anfahrt hinunter. Peggy galoppierte gerade heran; ich ging auf die Freitreppe, um sie zu begrüßen. Als sie vom Pferd sprang, gab sie mir durch ein Kopfnicken zu verstehen, sie wüßte schon Bescheid.

»Ist er schon da?« fragte sie, als sie einem heraneilenden Diener die Zügel übergab. »Ich meine Joycey.«

»Er ist in meinem Büro«, antwortete ich. »Soll Ihnen und mir gemeinsam etwas ausrichten.«

»Von Lady Renardsmere?« fragte sie.

»Von wem denn sonst? Kommen Sie nur herein, wir werden es gleich erfahren.«

Wir traten zusammen ins Zimmer ein, Joycey stand auf und verbeugte sich. Ich bedeutete ihm, sich wieder zu setzen, und rückte Peggy einen Lehnstuhl zurecht.

»Nun, Joycey«, sagte ich. »Wir sind gespannt – was sollten Sie uns sagen?«

Er räusperte sich und sagte:

»Die gnädige Frau läßt Ihnen und Miß Manson folgendes sagen. Sie habe Marengo Lodge in Epsom für die Dauer des Rennens gemietet, das heißt, vom kommenden Montag früh bis zum folgenden Sonnabend früh. Ich selbst begebe mich frühzeitig am Montag morgen mit einer angemessenen Zahl Dienstboten von Park Lane dorthin. Die gnädige Frau würde sich freuen, wenn Sie am Montag nachmittag zu irgendeiner Zeit, die Ihnen genehm ist, sich dort einfinden würden. Sie möchten nur rechtzeitig zum Abendessen erscheinen, das um sieben Uhr serviert wird.«

Er hielt inne und sah mich fragend an.

»Ganz recht, Joycey«, sagte ich. »Sagen Sie, bitte, Lady Renardsmere, daß ich rechtzeitig eintreffen werde.«

»Ich danke Ihnen«, fuhr er fort und wandte sich an Peggy. »Die gnädige Frau sendet Ihnen und Miß Hepple Grüße, und würde sich sehr freuen, wenn Sie und Miß Hepple während der Rennwoche von Montag bis Sonnabend ihre Gäste in Marengo Lodge sein würden.«

Er sah Peggy fragend an. Diese warf mir einen Blick zu und nickte dann dem Überbringer der Einladung zu.

»Sehr liebenswürdig von Lady Renardsmere«, sagte sie. »Wollen Sie ihr, bitte, ausrichten, daß Miß Hepple und ich die Einladung annehmen. Sie kommt zum rechten Augenblick, denn ich hatte mich noch nicht entschlossen, was ich tun, und wo ich wohnen sollte. Ja, wir werden kommen.«

»Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet«, sagte Joycey. »Darf ich Sie auch bitten, rechtzeitig zum Abendessen einzutreffen.«

»Das dürfen Sie, Joycey, wir werden rechtzeitig da fein«, antwortete Peggy. »Wir werden am Nachmittag ankommen.«

»Ich danke Ihnen, gnädiges Fräulein. Ich habe nur noch eins auszurichten«, fuhr Joycey fort und leierte die Botschaft herunter, als ob er sie auswendig gelernt hätte. »Und zwar an Miß Manson. Lady Renardsmere verläßt sich darauf, daß Miß Manson, da ihr Privatdetektive und ihre eignen Leute zur Verfügung stehen, dafür Sorge tragen wird, daß Rippling Ruby auf dem Transport nach Epsom in jeder Hinsicht bewacht wird.«

»Sie können Lady Renardsmere ausrichten, Joycey, daß Miß Manson alles, was nur in ihren Kräften steht, tun wird«, sagte Peggy lachend. »Rippling Ruby wird von einer so großen Leibwache, wie man sie noch nie gesehen und nie wieder sehen wird, und die meiner Meinung nach viel zu groß ist, nach Epsom eskortiert werden. Sie können Lady Renardsmere auch noch sagen, daß ich alle Vorkehrungen für Rippling Rubys Unterbringung in Epsom getroffen habe, und daß die Stute, bis sie am Startpfosten steht, überwacht werden wird. Und Sie können ihr außerdem noch ausrichten, Joycey, daß Rippling Ruby das Rennen glänzend gewinnen wird.«

»Ich danke Ihnen, Miß Manson, ich danke Ihnen, Mr. Cranage, das wäre alles«, sagte er, stand auf, verbeugte sich und sah nach der Tür. »Ich bitte, mich verabschieden zu dürfen.«

»Guten Tag«, sagte ich. »Aber noch einen Augenblick. Sie haben uns alles ausgerichtet, und unsre Antwort werden Sie jetzt sicherlich Lady Renardsmere überbringen. Ist die gnädige Frau in London?«

Sein liebenswürdiges Lächeln erfror, und er antwortete merklich kühler:

»Ich bedauere, diese Frage darf ich nicht beantworten.«

»Sie wird selbstverständlich in Marengo Lodge sein?«

»Auch diese Frage darf ich nicht beantworten.«

»Aber es werden doch außer uns noch andre Gäste da sein?«

»Außer Ihnen, Miß Manson und Miß Hepple werden keine andern Gäste in Marengo Lodge anwesend sein.«

Ich drehte mich um und sah Peggy an; diese wandte sich an den Hausmeister.

»Aber Lady Renardsmere wird doch ihr eigenes Pferd laufen sehen wollen!« rief sie aus. »Sie geht doch nach Epsom, gewiß …«

»Darüber bin ich nicht unterrichtet, gnädiges Fräulein«, antwortete Joycey. »Lady Renardsmere hat mir aufgetragen, nur ihre Botschaft auszurichten und über alles Weitere jede Auskunft zu verweigern. Nachdem ich nun meinen Auftrag erfüllt habe –«

»Es ist gut, Joycey«, sagte ich. »Wir wollen Sie nicht länger aufhalten. Wir werden Montag nachmittag in Marengo Lodge sein. Ich nehme an, Burton wird für Sie sorgen, bevor Sie nach London zurückfahren.«

»Danke Ihnen«, antwortete er. »Burton und ich sind sehr gute Freunde, und ich werde bei ihm gut aufgehoben sein.«

Er verbeugte sich nochmals und ging zur Tür. Aber wie seine Hand auf der Klinke lag, änderte sich plötzlich sein Benehmen, und er wurde ganz menschlich. Er sah Peggy an, und ein halb verlegenes Lächeln spielte um seine Mundwinkel.

»Ich nehme an, die Stute wird doch siegen, Miß Manson?« fragte er. »Das ist doch todsicher, nicht wahr?«

»Todsicher«, sagte Peggy. »Kein Pferd kann sie schlagen. Warum, Joycey? Haben Sie auf sie gesetzt?«

Er nickte, und seine Augen bekamen einen ganz träumerischen Glanz.

»Im Falle ihres Sieges muß ich eine große Summe gewinnen. Ich habe schon vom letzten Herbst an, als die Einsätze noch niedrig waren, auf Rippling Ruby gesetzt und habe das weiterhin, bis vor kurzem, wo sehr hohe Einsätze gefordert wurden, noch getan. Ich werde mich sehr gut stehen, wenn die Renardsmere-Farben nächsten Mittwoch gewinnen sollten. Aber wenn sie es nicht tun –« Er machte ein ernstes Gesicht und schüttelte den Kopf. Dann schien er sich plötzlich auf seine Stellung zu besinnen und wurde wieder der vollendete Hausmeister. Er verbeugte sich und verschwand. Peggy und ich sahen einander an.

»Was hat das alles nur zu bedeuten?« sagte sie. »Wird sie nicht zum Rennen kommen?«

»Wenn sie nicht kommen sollte, dann würde ich erstaunter sein, als je in meinem Leben«, antwortete ich. »Das ist nur wieder eine ihrer Schrullen. Sie wird todsicher in Marengo Lodge am Montag, spätestens am Dienstag sein. Übrigens, kennen Sie Marengo Lodge?«

»Ja«, antwortete sie, »ganz gut. Es ist ein schönes altes von Bäumen umgebenes Haus, im untern Teil der Stadt. Der Eigentümer vermietet es immer während der Rennwoche. Es ist groß genug, um viele Gäste unterzubringen.«

»Dann muß es ja für uns drei genügen«, sagte ich. »Ich freue mich schon darauf, es wird mal ganz nett sein, von hier fortzukommen. Meinetwegen kann es bald Montag sein, ein bißchen Aufregung ist ja ganz nett.«

»Sie werden schon am Mittwoch genügend Aufregung haben«, lachte sie. »Warten Sie's nur ab!«

Aber ich sollte schon vor Montag etwas Aufregendes erleben. Am selben Abend teilte mir die Polizei mit, daß der Anführer der drei Banditen mich durchaus sprechen wollte.


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