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14.
Der dritte Mord

Da Schloß Renardsmere ziemlich entlegen lag, kamen die Tageszeitungen kaum vor der Mittagszeit an. Die Post hatte sich an diesem Morgen etwas verspätet, und als wir die Zeitungen erhielten, war Lady Renardsmere schon in ihrem Pony-Wagen nach Manson Lodge gefahren. So saß ich nun allein da, die Zeitungen vor mir ausgebreitet, und ich grübelte darüber nach, was nun geschehen würde.

Der dritte Mord innerhalb einer Woche! Würde noch ein vierter folgen?

Die Zeitungen brachten nicht viel darüber. Lady Renardsmere hielt sich drei Tages- und zwei Sportzeitungen. Da die Berichte in den drei Zeitungen fast wörtlich übereinstimmten, nahm ich an, daß sie von einunddemselben Nachrichtenbüro ausgegeben worden waren.

›Ein ungeheuer verwegener Mord, der in den Einzelheiten sehr an die kürzlich in Maida Vale und bei den St. Catharines Docks begangenen Morde erinnert, wurde heute nachmittag um die dritte Stunde in Kensington Gardens verübt. Der Ermordete wurde als der Buchmacher Percy Neamore, Ashmore Road, Paddington, identifiziert. Neamore scheint in dem weniger besuchten Teil des Parkes angegriffen und erstochen worden zu sein. Seine Kleidung wurde durchsucht und genau so wie in den obenerwähnten Morden zerschlitzt. Die hohe Geldsumme, wertvollen Diamantringe, goldene Uhr und Kette, die an dem Toten gefunden wurden, beweisen, daß der Mord nicht eines Raubes wegen begangen wurde, sondern daß der Mörder einen besonderen Gegenstand bei dem Toten vermutet haben muß. Soweit die Polizei unterrichtet ist, ist niemand Zeuge von einem Kampf oder Handgemenge gewesen, und vorläufig ist noch keine Spur des Mörders gefunden worden. Es scheint festzustehen, daß dies der dritte in einer Reihe von Morden ist, die mit der Ermordung Holliments vor einer Woche in Blomfield Road begann. Scotland Yard setzt alles daran, die Fälle aufzuklären, weigert sich aber vorläufig, nähere Angaben zu machen.‹

Ich las den Artikel immer wieder und starrte ihn wie hypnotisiert an. Die ganze Zeit über hämmerte unaufhörlich die Frage in meinem Kopf: Wer nun? wer nun? wer nun? Meine Nerven fingen an, mich im Stich zu lassen, und so war es kein Wunder, daß ich erschreckt aufsprang, als plötzlich an meiner Tür geklopft wurde. Ein Diener trat herein, sah mich neugierig von der Seite an und meldete: »Zwei Herren wünschen Sie zu sprechen. Sie wollten ihren Namen nicht nennen, der eine sagte nur, Sie würden ihn, sobald Sie ihn sehen, wiedererkennen.«

Ich eilte hinaus – wie ich schon erraten hatte, war es Jifferdene, begleitet von einem mir Unbekannten, der aber dem Aussehen nach Kriminalpolizist sein mußte.

»Treten Sie ein«, sagte ich und führte sie in mein Zimmer. Ich bot ihnen Stühle an, die in der Nähe meines Schreibtisches standen, auf dem die Zeitungen aufgeschlagen lagen. Ich zeigte auf den Zeitungsartikel und sagte zu Jifferdene:

»Ich habe alles gelesen. Das ist nun schon der dritte. Mein Gott! wie lange soll denn das so weitergehen?«

Statt mir zu antworten, zeigte er auf seinen Begleiter.

»Mein Freund und Mitarbeiter Kriminalwachtmeister Beacher.«

Beacher und ich verbeugten uns etwas. Er interessierte mich in diesem Augenblick gar nicht, und so wandte ich mich wieder an Jifferdene.

»Warum sind Sie hierhergekommen?« fragte ich ziemlich irritiert. »Ich dachte, Sie brauchten mich nicht bis …«

»Hab' ja gar nicht gesagt, daß ich Sie brauche«, unterbrach Jifferdene gut gelaunt. »Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen, Mr. Cranage, hat gar keinen Zweck. Sie sind jetzt etwas nervös, nicht wahr?«

»Wer würde das nicht sein, nach all diesem – und schon wieder ein neuer Mord!« gab ich zurück.

»Na, na, das kann ja nicht immer so weitergehen«, sagte er mit philosophischer Ruhe. »Aber sagen Sie mal, ist Lady Renardsmere zu Hause?«

»Nein«, sagte ich. »Lady Renardsmere ist nach Chilverton zu Miß Manson gefahren. Ich weiß nicht, wann sie zurück sein wird. Möglich, daß sie zum Mittagessen dort bleibt. Wünschen Sie sie etwa zu sprechen?«

»Ja, das ist grade, was wir wollen«, antwortete Jifferdene ruhig. »Darum sind wir von London hierher gekommen. Wir müssen Lady Renardsmere sprechen, und wenn wir den ganzen Nachmittag auf sie warten müßten.«

»Warum?« verlangte ich zu wissen.

»Weil ihr Name in Verbindung mit dieser ganzen Angelegenheit erwähnt wurde«, antwortete er sofort. »Darum.«

»Wie ist das möglich? Und seit wann?« fragte ich.

»Das werde ich Ihnen sagen«, sagte er. »Es war nicht schwierig, diesen Neamore zu identifizieren – er hatte Visitenkarten bei sich und außerdem wurde er, eine halbe Stunde nachdem seine Leiche gefunden worden war, von einer Bekannten identifiziert. Nun, noch gestern spät abend, kam ein Herr, der in Westend viel verkehrt, zum Polizeipräsidium und teilte uns sehr Merkwürdiges mit. Er habe vor ungefähr einer Woche einmal im ›Ritz‹ zu Mittag gegessen und dabei Neamore, den er als einen kleineren Buchmacher kannte, mit Lady Renardsmere und noch zwei anderen Männern, die seiner Beschreibung nach Holliment und Quartervayne gewesen sein müssen, zusammen Mittag essen sehen. Das ist doch eine merkwürdige Gesellschaft, in der sich Ihre Ladyschaft befand, nicht wahr, Mr. Cranage?«

»Sie wissen ganz gut, daß man mit merkwürdigen Leuten zusammenkommen muß, sobald man in irgendeiner Weise mit Pferderennen zu tun hat«, sagte ich. »Lady Renardsmere ist, wie Sie wissen, Besitzerin eines Rennstalles, und sie wird höchstwahrscheinlich mit diesen Leuten irgend etwas Geschäftliches zu erledigen gehabt haben.«

»Jeder einzelne von diesen Männern ist seitdem ermordet worden«, sagte er. »Nun gut, Mr. Cranage! Aber wir wollen wissen, was Lady Renardsmere über Neamore weiß, und was sie mit ihm und den beiden anderen im ›Ritz‹ zu tun hatte – wir möchten das alles wissen.«

»Lady Renardsmere handelt immer nach ihrem eigenen Kopf, und sie ist auch sehr launenhaft«, sagte ich. »Sie wird Sie höchstwahrscheinlich zum Teufel schicken. Wenn sie irgendwelche geschäftlichen Angelegenheiten mit diesen Leuten zu erledigen hatte, warum sollte sie da nicht mit ihnen im ›Ritz‹ zu Mittag essen? Was hat denn das mit der Ermordung dieser drei zu tun? Sie werden mir doch nicht abstreiten wollen, daß es einen Zufall gibt?«

»Den kenne ich in meinem Beruf nicht«, bemerkte er sarkastisch. »Na, jedenfalls kann uns Lady Renardsmere vielleicht etwas erzählen. Wir wollen auf jeden Fall auf sie warten. Daß sie Neamore kannte, ist nicht zu leugnen, und der ist ermordet worden!«

»Sie wissen wohl Näheres darüber?« fragte ich. »Ähnelt dieser Mord den beiden anderen?«

»Ja und auch nein«, bemerkte Jifferdene. »Ein so kühner, verwegener, frecher Mord ist noch nie dagewesen! Beacher und ich sprachen noch auf unserer Fahrt hierher über den Fall, und wir waren uns einig, daß wir so was noch nie erlebt hatten. Bei hellem Tageslicht!«

»Öffentlicher Park noch dazu!« murmelte Beacher. »Kensington Gardens – einfach unglaublich! Und doch, er ist verübt worden, da kommen wir nicht drum herum.«

»Erzählen Sie mir doch mal alles«, bat ich.

Jifferdene lehnte sich ganz bequem zurück und sagte:

»Nun, Sie kennen doch Kensington Gardens? Sie wissen doch, wo das Lancaster Tor ist, gleich bei den Fontänen. Sind Sie im Bilde? Gut, dann werden Sie auch wissen, daß es zwischen Lancaster Tor und dem großen Teich viele Wege und kleine Pfade gibt, und zwischen ihnen Rasenflächen, Bäume und ab und zu Gebüsch. Sie werden auch wissen, daß Stühle unter den Bäumen aufgestellt sind, die Sie für einen Penny mieten können …«

»Ich kenne Kensington Gardens ganz genau«, unterbrach ich, »ich wohnte mal ganz in der Nähe.«

»Gut!« fuhr er fort. »Das vereinfacht ja alles. Gestern nachmittag, ungefähr zwanzig Minuten vor vier Uhr bemerkte der Aufseher, der das Geld für die Stühle einsammelte, als er über den Rasen, ungefähr halbwegs zwischen Lancaster Tor und dem Teich, ging, einen Mann in eigentümlicher Haltung am Fuß einer Buche sitzen. Die Haltung war so eigentümlich – gegen den Baumstamm angelehnt und die Arme vorgestreckt – daß er sofort zu ihm hinging. Er sah gleich, daß der Mann tot war, und eilte fort, um Hilfe zu holen. Das erste, was die Polizei dachte, als sie hinkam, war, daß es sich um einen Selbstmord handelte. Aber sie fand bald heraus, daß hier ein Mord vorlag. Sie fand Visitenkarten bei ihm und konnte so seinen Namen feststellen. Dieser wurde einige Minuten später noch bestätigt. Bevor die Polizei den Leichnam wegbrachte, erschien eine junge Frau, die angab, der Tote sei ein Bekannter, und sie habe sich mit ihm dort um vier Uhr verabredet. Sie gab seinen Namen, Adresse und Beruf an. So besteht natürlich nicht der geringste Zweifel über seine Identität. Ich kann Ihnen ja ebensogut auch noch sagen, Mr. Cranage, daß ich noch gestern abend den Besitzer des Warrington-Hotels in Maida Vale in die Totenhalle bestellte, und dieser erkannte in ihm den jungen Mann wieder, der mit Holliment zusammen in seinem Hotel gewesen war. Das steht fest. Auch daß Neamore, Holliment und Quartervayne zwei Tage vorher mit Lady Renardsmere im ›Ritz‹ zusammengewesen sind.«

»Sagen Sie ihm auch, aus welchem anderen Grund wir noch Lady Renardsmere sprechen wollen«, sagte Beacher, der anscheinend selbst nicht gern redete.

»Ja, ganz recht«, antwortete Jifferdene. Er sah nach der Tür, als ob er sich vergewissern wollte, daß sie auch wirklich zu sei. »Sie wissen, Mr. Cranage, daß die beiden anderen Morde sich in vielem ähnelten? Nun, dieser Fall ist genau so. Allerdings, diesmal, genau wie bei Quartervayne, haben sie alles Metallgeld mitgenommen. Aber das Bündel Banknoten, es sind mehrere hundert Pfund, zwei oder drei Diamantringe, goldene Uhr und Kette und eine diamantne Schlipsnadel haben sie nicht angerührt. Neamore war etwas geckenhaft, der arme Kerl. Das Zerfetzen seines Rockes, an seinen Schultern und das übrige, genau wie in den beiden anderen Fällen, beweist, daß sie wieder nach irgend etwas gesucht haben. Aber, wir denken, daß sie diesmal etwas gefunden haben.«

»Was?« rief ich aus.

»Nun«, antwortete er, »ein kleines, mit Samt ausgeschlagenes Lederetui lag leer neben ihm im Rasen; es muß offenbar irgend etwas enthalten haben, das der Mörder, bevor er das Etui wegwarf, an sich genommen hat. Und außerdem war die Brieftasche – sie war sogar ziemlich groß – ebenfalls geleert. Nun erzählte uns diese junge Dame, die dazukam, und die Neamore gut kannte, daß dieser immer zahlreiche Schriftstücke in seiner Brieftasche aufbewahrt hätte. Sie gab an, sie hätte öfters Neamore die Brieftasche hervorziehen und dann in irgendwelchen Papieren lesen sehen, und da wäre sie immer stark gefüllt gewesen. Aber kein einziges Schriftstück wurde bei ihm gefunden. Der Mörder muß alles mitgenommen haben!«

»Nun«, sagte ich, als er schwieg. »Was folgern Sie daraus, Jifferdene?«

»Wir halten es für sehr wahrscheinlich – wenn man bedenkt, daß Lady Renardsmere Neamore kannte – daß diese Kerle, wer sie nun sein mögen, ihren Namen und ihre Adresse aus den gestohlenen Schriftstücken erfahren haben«, antwortete er. »Wir wollen Lady Renardsmere nicht nur um einige Auskünfte bitten, sondern sie auch warnen. Das liegt doch auf der Hand, Mr. Cranage, daß diese Bande vor nichts zurückschrecken wird – bis wir sie dingfest gemacht haben.«

»Vielleicht kann uns Mr. Cranage irgend etwas über Lady Renardsmere und Neamore mitteilen«, bemerkte Beacher und warf mir einen fragenden Blick zu. »Ich vermute, er weiß …«

»Sie vergessen, vielmehr Sie wissen nicht, daß ich erst seit kurzem in Lady Renardsmeres Diensten stehe«, antwortete ich, mehr denn je entschlossen, nichts zu verraten. »Sie müssen Lady Renardsmere schon selbst fragen.«

»Sie ist starrköpfig, nicht wahr?« fragte Jifferdene. »Ich habe so was gehört, und sie ist auch etwas exzentrisch, wie? Na, auf jeden Fall, anhören muß sie uns, nicht wahr, Beacher?«

»Das will ich meinen!« stimmte Beacher mit Überzeugung zu.

Lady Renardsmere kam bald darauf zurück. Ich verließ die Detektive und ging zu ihr. Sie hob ihre Hand, als sie mich sah.

»Ich habe alles darüber gehört, Cranage«, sagte sie. »Ich habe bei Peggy Manson die Zeitung schon gelesen. Habe keine Lust, mich über den Fall zu unterhalten! Sie sind hier sicher und …«

»Deswegen komme ich auch nicht, Lady Renardsmere, und ich hatte auch nicht beabsichtigt, über meine eigene Sicherheit mit Ihnen zu sprechen«, antwortete ich, durch ihren Ton ziemlich verletzt. »Ich werde es schon irgendwie fertig bringen, mich selbst zu schützen. Das ist es also nicht, warum ich zu Ihnen komme. Zwei Männer warten in meinem Zimmer auf Sie, die Sie sprechen möchten.«

Eine unheilverkündende Falte erschien auf der Stirn der alten Dame.

»Männer? Sie wollen mich sehen? Was für Männer?«

»Von Scotland Yard, Detektive«, antwortete ich kurz und beobachtete sie. »Ich kenne den einen, Kriminalwachtmeister Jifferdene.«

»Was wollen die von mir?«, fragte sie ärgerlich. »Wer hat sie hierher geschickt? Sie haben ihnen doch nichts gesagt, Cranage? Sie sagten mir damals, Sie hätten es nicht getan. Sie wissen, was ich meine: Nämlich, daß Neamore hier war. Sie haben das doch nicht irgendeinem dieser Leute gegenüber erwähnt?«

»Ich habe in keiner Weise Sie oder Neamore irgendeinem dieser Beamten gegenüber erwähnt, Lady Renardsmere«, antwortete ich. »Ich habe Ihnen gesagt, daß ich das nicht getan habe. Ich nehme an, ihr Besuch – ich entnehme das dem, was sie mir erzählt haben – hängt mit der gestrigen Geschichte, mit der Ermordung Neamores zusammen. Sie wissen einiges. Sie wissen zum Beispiel«, fuhr ich fort und beobachtete sie genau, »daß Sie vor ungefähr einer Woche mit Neamore, Holliment und Quartervayne im ›Ritz‹ zusammen zu Mittag aßen.«

Das saß. Sie starrte mich fast ungläubig eine ganze Zeitlang an.

»Woher wissen sie das?« rief sie aus.

»Ich nehme an, Lady Renardsmere, daß viele Menschen Sie kennen. Ihr Stadthaus in Park Lane liegt nicht sehr weit vom ›Ritz‹. Ich nehme an, jemand, der Sie kennt, sah Sie mit diesen Männern zusammen im ›Ritz‹, und er muß, als die polizeilichen Nachforschungen wegen der Ermordung Neamores einsetzten, alles den Detektiven erzählt haben. So etwas spricht sich immer herum.«

Sie hob plötzlich ihre Hand und zeigte auf die Tür, die ich etwas offen gelassen hatte.

»Machen Sie zu«, sagte sie kurz. »Setzen Sie sich, Cranage. Nun, was wollen diese Leute von mir?«

»Ich glaube, Lady Renardsmere, sie wollen einige Fragen wegen Neamore und der beiden anderen an Sie richten.«

»Haben sie Ihnen irgend etwas gesagt?« fragte sie. »Ich meine, seit sie heute morgen hierhergekommen sind.«

»Ja, ziemlich viel über die Ermordung Neamores«, antwortete ich. »Die Begleitumstände …«

Sie unterbrach mich mit einer ungeduldigen Handbewegung.

»Nein, nein«, rief sie, »Neamores Ermordung und die der anderen interessieren mich nicht. Ich meine, haben sie Ihnen irgend etwas über mich erzählt?«

»Ich weiß nicht, ob sie mehr über Sie wissen, als daß Sie mit den drei Männern im ›Ritz‹ waren. Sie wollen Auskunft haben, Lady Renardsmere, sie bearbeiten diesen Fall.«

Sie saß eine Zeitlang schweigend da und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch.

»Wann sind sie gekommen?« fragte sie dann plötzlich.

»Ungefähr um halb ein Uhr«, antwortete ich.

»Und jetzt ist es fast zwei – Tischzeit«, sagte sie. »Haben sie irgend etwas zu essen bekommen?«

»Nein«, sagte ich.

»Beauftragten Sie Burton«, befahl sie, »sich um sie zu kümmern und ihnen Essen servieren zu lassen. Er soll sie gut bewirten, ich weiß, was diese Art Leute mögen. Sehen Sie zu, daß sie genügend zu trinken und zu rauchen haben. Später – ich werd's mir noch überlegen.«

Ich ging zu Jifferdene und Beacher zurück, und ohne Lady Renardsmere in irgendeiner Weise zu verpflichten, lud ich sie zum Mittagessen ein und übergab sie der Obhut des Hausmeisters. Dieser führte sie in ein kleines, ruhiges Zimmer und bewirtete sie, nachdem ich ihm Lady Renardsmeres Befehle mitgeteilt hatte, aufs gastfreundlichste.

»Lady Renardsmere«, sagte ich, als ich sie verließ, »hofft, daß Sie sich hier ganz wohl fühlen werden, und wünscht Ihnen recht guten Appetit. Ich komme dann nachher zu Ihnen.«

Ich aß, wie immer, in meinem eigenen Zimmer, und überlegte mir dabei, wie wohl alles auslaufen würde. Würde Lady Renardsmere diesen beiden Männern irgend etwas erzählen? Ich wußte, wie eigensinnig sie war, und wie schwer es sein würde, sie gegen ihren Willen zu zwingen, eine Auskunft zu geben. Wichtig vor allem schien mir die Frage, welches Geschäft wurde zwischen Lady Renardsmere und den drei Männern, die fast gleich darauf in solch brutaler Weise ermordet worden waren, abgeschlossen? Würde sie es verraten? Um drei Uhr ging ich zu den beiden Detektiven hinunter. Ihr Mittagessen hatte ihnen offensichtlich gut geschmeckt, und zwischen zwei Zügen an einer schönen Importe pries Jifferdene Lady Renardsmeres Gastfreundlichkeit in allen Tonarten.

»Aber es wird spät, Mr. Cranage«, schloß er nach einem Blick auf seine Uhr. »Wir möchten nach London zurück. Wann wird die gnädige Frau uns empfangen?«

»Ich will mal nachsehen«, antwortete ich. »Ich werde sie jetzt fragen.«

In der Halle traf ich Burton. Er zog mich zur Seite und flüsterte: »Die gnädige Frau ist fortgefahren, Mr. Cranage. Vor einer guten Stunde – mit ihrer Zofe. Ich weiß nicht wohin, aber ich nehme an, nach London. Walker mußte sie am Gartentor abholen. Sie nahm kein Gepäck mit. Ich sollte Ihnen sagen, die beiden Herren brauchten nicht länger zu warten, sie hätte ihnen nichts mitzuteilen.«


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