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15.
Der Amerikaner

Der Hausmeister und ich sahen einander an. Er war ein alter, zuverlässiger Diener und genoß das Vertrauen von Lady Renardsmere. Für einen Augenblick herrschte ein betroffenes Schweigen, dann zeigte er mit der Hand auf das Zimmer, in dem Jifferdene und Beacher noch bei ihren Zigarren saßen und sagte:

»Ich nehme an, Mr. Cranage, daß dies alles mit der Neamoregeschichte zusammenhängt. Die beiden da drin sind natürlich Detektive. Das hatte ich sofort heraus, als ich sie sah …«

»Was wissen Sie über die Neamoregeschichte, Burton?« fragte ich.

»Ich habe heute früh die Zeitungen gelesen, und selbstverständlich erinnerte ich mich daran, daß Neamore vor kurzem hiergewesen war. Ich sah seine Visitenkarte, bevor sie zu Ihnen hereingebracht wurde. Dann sah ich auch später, wie Lady Renardsmere mit ihm in ihrem Auto davonfuhr. Nun ist er ermordet worden, und gleich darauf sind die beiden Detektive hierhergekommen. Und – die gnädige Frau will sie nicht empfangen.«

»Sie kennen Lady Renardsmere ganz genau, Burton, und wissen darum, daß niemand und nichts sie zu irgend etwas zwingen kann, was sie nicht tun will«, sagte ich. »Wenn sie sagt, daß sie diesen beiden nichts mitzuteilen hat – dann sagt sie auch nichts. Aber hat sie Ihnen nicht noch etwas für mich aufgetragen?«

»Nein, nur das, was ich Ihnen schon gesagt habe, Mr. Cranage«, antwortete er.

»Und hat sie Ihnen keine Befehle gegeben?« fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und lächelte.

»Dann wird sie wahrscheinlich heute nacht zurückkommen, besonders, da sie kein Gepäck mitgenommen hat«, sagte ich. »Sie wird wahrscheinlich nur für einige Stunden nach London gefahren sein, meinen Sie nicht auch?«

Er lächelte und sagte:

»Wenn Sie die gnädige Frau so lange kennen würden wie ich, würden Sie wissen, daß sie ganz unberechenbar ist. Ich habe es erlebt, daß sie plötzlich erklärte, sie führe nach Amerika, und zehn Minuten darauf war sie schon unterwegs. Ein anderes Mal fiel es ihr ein, nach Paris zu fahren, und fünf Minuten später war sie schon fort. Das hat gar nichts zu bedeuten, daß sie von hier ohne Gepäck abgereist ist. Es stehen immer einige Koffer in ihrem Stadthaus in Park Lane gepackt bereit, sie braucht sie nur an die Bahn bringen zu lassen. Sie können nie wissen, was sie vorhat, aber in diesem Fall glaube ich, wird sie längere Zeit wegbleiben, sonst würde sie nicht Mademoiselle Felicia mitgenommen haben. Gepäck? großer Gott, Mr. Cranage! Ich habe erlebt, daß sie nur mit dem Kleid, das sie anhatte, nach Italien fuhr, unterwegs hat sie alles Notwendige für sich und die Zofe eingekauft. Eine so steinreiche Dame kann sich alles leisten.«

»In solchen Fällen vertraut sie Ihnen den Haushalt an, ohne Ihnen irgendwelche besonderen Anordnungen zu geben?«

»Ja, so ist es«, antwortete er. »Sie gibt mir niemals den ausdrücklichen Befehl dazu. Der Haushalt hier und auch das Stadthaus in Park Lane werden immer so geführt, daß die gnädige Frau, wenn sie zu irgendeiner Tages- oder Nachtstunde ankommt, alles so vorfindet, als ob sie nie fortgewesen wäre. O, ich weiß schon ganz genau, was ich zu tun habe, selbst wenn sie sechs Monate wegbleiben sollte.«

»Nun, was tun Sie denn da?« fragte ich, um so einen Fingerzeig für mein eigenes Verhalten zu bekommen.

»Ich handle so, als ob sie da wäre«, antwortete er ruhig. »Sie müssen immer darauf vorbereitet sein, daß sie über kurz oder lang ganz plötzlich vor Ihnen steht. Ich an Ihrer Stelle, Mr. Cranage, würde ebenfalls so tun, als ob sie da wäre. So will sie es haben, und das ist ja schließlich maßgebend.«

»Da haben Sie recht«, sagte ich. »Aber jetzt muß ich diese beiden Männer loswerden. Sie werden ziemlich ungehalten sein, Burton.«

»Ja, durchaus möglich«, gab er zu. »Aber das wird die gnädige Frau nicht weiter stören.«

Ich ging langsam und nachdenklich in das kleine Zimmer, in dem die beiden Detektive auf mich warteten, und sah sofort, daß Jifferdene schon ungeduldig war. Darum kam ich sofort zur Sache.

»Es tut mir sehr leid«, sagte ich, »aber Lady Renardsmere weigert sich, Sie zu empfangen. Sie hat Ihnen nichts mitzuteilen.«

Ich weiß nicht, ob Jifferdene dachte, er verkörpere die Majestät des Gesetzes und meine kurze Erklärung verletze sie, auf jeden Fall wurde er ganz rot im Gesicht und sprang auf.

»Weigert sich?« fragte er empört. »Hat uns nichts mitzuteilen? Haben Sie ihr gesagt, wer wir sind, Mr. Cranage, und woher wir kommen?«

»Ja«, antwortete ich, »sie weiß Bescheid, aber es läßt sie ganz kalt.«

»So«, rief er aus und sah seinen Begleiter an. Dann wandte er sich wieder an mich: »Nun, Mr. Cranage, das ist ja alles gut und schon, aber wir müssen mit ihr sprechen.«

»Das dürfte unmöglich sein«, antwortete ich lächelnd. »Lady Renardsmere ist vor einer Stunde abgefahren.«

Er starrte mich mit offenem Munde ungläubig an.

»Abgefahren? Vor einer Stunde?« rief er endlich. »Wußten Sie Bescheid?«

»Hatte keine Ahnung, Jifferdene. Habe es eben erst erfahren«, antwortete ich. »Der Hausmeister erzählte es mir. Sie ließ mir sagen, Sie brauchten nicht länger zu warten, sie hätte Ihnen gar nichts mitzuteilen.«

Jifferdene nahm seinen Hut und Schirm, er war so verärgert, so wütend, daß er im Augenblick nichts sagen konnte. Beacher dagegen lachte, es schien ihn zu belustigen.

»Hat uns zum besten gehalten«, sagte er.

»Und sich selbst nur damit geschadet«, brummte Jifferdene. »Sehr töricht von ihr, so wegzulaufen, Mr. Cranage.«

»Ich weiß nicht, ob Sie das weglaufen nennen können«, bemerkte ich. »Lady Renardsmere ist nicht die Art Frau, die vor irgend etwas davonläuft. Ich vermute, sie hatte eben keine Lust, Ihnen irgend etwas mitzuteilen.«

»Sie wird sich schon dazu bequemen müssen, wenn sie als Zeugin vorgeladen wird«, sagte Jifferdene. »Sie weiß mehr, als Sie denken. Nun, Beacher, wir müssen zum Bahnhof zurück – den ganzen Tag vergeudet! Wo ist sie hingegangen?« fragte er plötzlich noch auf der Türschwelle. »Sie hat doch ein Stadthaus in Park Lane, ich kenne es. Ist sie dorthin gefahren?«

»Habe genau so wenig Ahnung wie Sie«, antwortete ich. »Und im ganzen Haus weiß es auch kein Mensch, Jifferdene. Lady Renardsmere sagt niemals jemand, was sie vorhat.«

»Wir werden heute abend nach Park Lane gehen«, sagte er entschlossen. »Wenn sie nicht dort ist, ist es sonnenklar, daß sie einfach durchgebrannt ist, um allen Fragen auszuweichen.«

»Ich hoffe, es hat Ihnen wenigstens Ihr Mittagessen geschmeckt«, sagte ich, als ich sie zur Haustür begleitete.

»Die Freude daran ist mir nun gründlich verdorben«, sagte er brummig. »Ich finde, Lady Renardsmere hat uns schlecht behandelt. Ein paar Fragen … nun …«

Er stampfte fort, gefolgt von Beacher, der dies anscheinend viel ruhiger und leichter nahm. Ich ging auf mein Zimmer zurück und überlegte mir, was ich mit mir selber anfangen sollte, wenn Lady Renardsmere, wie ich vermutete, einige Zeit fortbleiben würde. Nach einigem Nachdenken entschied ich mich, genau so wie Burton zu handeln; ganz so tun, als ob sie da wäre. Ich beantwortete sowieso schon immer soundso viel Briefe, ohne sie überhaupt jemals Lady Renardsmere zu zeigen, und dann gab es auch noch vieles andere, das ich ganz selbständig erledigen konnte. Außerdem war ja Peggy da! Ich vergötterte sie, ohne dabei eigentlich richtig verliebt zu sein. Plötzlich entsann ich mich, daß ich noch einige Briefe zu schreiben hatte. Da es schon Spätnachmittag geworden war – der Besuch der beiden Detektive hatte mich aufgehalten – setzte ich mich gleich hin, um sie zu erledigen. Ich hatte ungefähr die Hälfte geschrieben, als ein Diener eintrat und mir eine Visitenkarte überreichte. »Ein Herr wartet in der Halle, der das Schloß besichtigen möchte«, sagte er. »Ich habe ihm erklärt, heute wäre kein Besuchstag, worauf er sagte, er sei auf der Durchreise und würde niemals wieder in diese Gegend kommen, und darum bittet er, daß Sie liebenswürdigerweise eine Ausnahme mit ihm machen möchten.«

Schloß Renardsmere war wegen seiner kostbaren Sammlung von antiker und moderner Kunst berühmt. Der verstorbene Sir William Renardsmere war ein bekannter Sammler gewesen. Ein Teil der von ihm gesammelten Kunstschätze befand sich in Park Lane, doch war der größere und wertvollere Teil hier aufgestellt. An drei Tagen in der Woche, Montags, Mittwochs und Freitags, von nachmittags drei bis sechs Uhr war die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich. Jeder Besucher hatte einen Schilling zu entrichten, und die ganzen Einnahmen flossen dann einer wohltätigen Stiftung zu. Heute war nun kein Besuchstag, aber in Anbetracht der Meldung des Dieners warf ich einen Blick auf die geschmackvoll und schön gravierte Karte. Amerikaner waren mir von jeher sehr sympathisch, und da ich gern jede Gelegenheit ergriff, mit ihnen zusammenzukommen, ging ich in die Halle. Dort stand ein junger Mann, ungefähr in meinem Alter, der einen Panamahut in der Hand schwenkte und sich mit unverhohlener Neugierde umsah. Er war stämmig, etwas über mittelgroß und machte einen überaus athletischen Eindruck. Er mußte sich wohl viel in der frischen Luft aufhalten, denn sein Gesicht war tief gebräunt. Seine Augen blickten klar und treuherzig, und er sah einem grade ins Gesicht. Als ich auf ihn zutrat, streckte er mir offenherzig die Rechte entgegen. Da der Ärmel seines Tweedanzuges zu kurz war und er an seinem Flanellhemd keine Manschetten trug, bemerkte ich, daß sein Handgelenk in allen möglichen Farben tätowiert war. Später stellte ich dann fest, daß die Tätowierung einen Drachen darstellte.

Er wollte sich entschuldigen, aber ich unterbrach ihn.

»Es ist an und für sich kein Besuchstag, Mr. Peyton«, sagte ich, »aber ich glaube, ich kann mit Ihnen schon eine Ausnahme machen. Sie sind zufällig hier in der Gegend?«

»Ich bin auf einer Radfahrtour von Winchester nach Chichester«, antwortete er, ohne die geringste Spur eines amerikanischen Akzents, »und ich stieg vor dem Gasthof im Dorf unten ab, um Mittag zu essen. Der Wirt erzählte mir von den Bildern und Kunstgegenständen hier im Schloß und meinte, obgleich es nicht ein offizieller Besuchstag sei, würde ich wohl …«

»Ganz recht«, sagte ich. »Da Sie von weither kommen. Ich nehme aber an, doch wohl nicht ausschließlich, um Schloß Renardsmere zu sehen –«

»Wußte bis vor einer Stunde nichts davon«, unterbrach er ganz offenherzig. »Ich befinde mich auf einer Radfahrtour durch England. Bin von Liverpool losgezogen durch Chester, Shrewsbury, Warwick, Stratford, Oxford, Reading, Winchester. Dann und wann habe ich noch einen kleinen Abstecher gemacht, da ich gern soviel als möglich sehen will. Schöne Bauten, Bilder und so weiter –«

»Sie interessieren sich für Kunst?« sagte ich. »Nun gut, ich werde Sie herumführen.«

Er bedankte sich sehr höflich – er war überhaupt während der ganzen Führung äußerst höflich – und bemerkte, als ich ihm die große Treppe zu den verschiedenen Bildersälen und Prunkzimmern hinaufführte, daß dies für ihn ein neues Erlebnis sei, und daß ich gar nicht ahnte, wie sehr er es genösse.

»Ich dachte, einige Millionäre in Ihrer Heimat wären auch große Sammler«, sagte ich lächelnd. »Einige von ihnen sind ja erpicht darauf, viele unserer schönsten Kunstgegenstände, und dazu noch solche, an denen wir hängen, mit sich hinüberzunehmen.«

»Sie hängen daran?« erwiderte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Sie können doch gar nicht daran hängen, wenn Sie sie hergeben. Wenn dem wirklich so wäre, warum überbieten Sie denn nicht die amerikanischen Käufer?«

»Es liegt wohl daran«, antwortete ich, »daß der Durchschnittsengländer ein Pfund Lachs zu sieben Schilling höher einschätzt als einen Band Gedichte zum halben Preis. Er verwendet auch zehntausend Pfund lieber für Drainage, als dafür, einen Velasquez oder Rembrandt im Lande zu behalten. Auf jeden Fall ist es aber nicht wahrscheinlich, daß alles, was Sie hier sehen, bei Lebzeiten von Lady Renardsmere nach Amerika geht.«

»Sehr reiche Frau, nehme ich an?« fragte er.

Da jedermann wußte, daß Lady Renardsmere steinreich war, glaubte ich keine Indiskretion zu begehen, wenn ich es zugab. Aber ich fügte hinzu, daß alle die Gegenstände, die wir jetzt besichtigen wollten, von ihrem verstorbenen Mann, Sir William Renardsmere, gesammelt worden waren.

»Lady Renardsmere«, bemerkte ich, »war früher eine sehr bekannte, sogar berühmte Schauspielerin. Sie war auch in Ihrer Heimat bekannt, ich glaube, sie hat dort Triumphe gefeiert.«

»Wie interessant!« rief er. »Wie war ihr Künstlername?«

Ich nannte ihn, der Name schien ihm bekannt zu sein.

»Das liegt schon lange zurück«, bemerkte er. »Das muß in den achtziger Jahren gewesen sein. Sie lebt also noch, und dies ist ihr Heim? Da habe ich doch etwas zu erzählen! Ist es wahrscheinlich, daß wir ihr begegnen?«

»Nein«, sagte ich und lächelte über seinen Eifer. »Lady Renardsmere ist nicht zu Hause.«

»Wird sie lange fortbleiben?« fragte er. »Ich würde ein oder zwei Tage im Dorf bleiben, nur um sagen zu können, ich hätte sie gesehen.«

»Ich würde das an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte ich. »Sie kann längere Zeit fortbleiben. Aber ich kann Ihnen ein Porträt von ihr zeigen; Millais hat es gemalt, als sie auf der Höhe ihres Ruhmes und ihrer Schönheit stand.

Er schien von dem Porträt ganz hingerissen zu sein, darum beeilte ich mich, ihm zu sagen, es sei vor vierzig Jahren gemalt worden, und Lady Renardsmere habe sich so verändert, daß nur noch wenig von ihrer einstigen Schönheit zu sehen sei.

»Seitdem sie nun all dies geerbt hat«, sagte er, und zeigte mit seiner tätowierten Hand ringsherum, »diese kostbaren Bilder, diese wundervollen Schränke mit Kleinodien – vergrößert sie da noch die Sammlung, ist sie auch eine Sammlerin?«

Ich war so überzeugt von der Ehrlichkeit meines Besuchers, und außerdem hatte seine jugendliche Offenheit mich so bestrickt, daß ich ihm, ohne irgend etwas dabei zu denken, antwortete:

»Lady Renardsmere sammelt kostbare Edelsteine. Ich glaube, sie hat eine der wertvollsten Sammlungen der Welt.«

»Wird die auch gezeigt?« sagte er.

»Nein«, antwortete ich, »das ginge nicht gut. Sie bewahrt sie im Safe auf. Sonst …«

»Freilich«, sagte er. »Ich studierte mit dem Sohn von Cyrus P. Warrill zusammen – sein Vater, einer der reichsten Männer Chicagos, sammelt auch Edelsteine. Er besitzt ein Brillantenkollier, das Katharina der Großen gehört hat, und auch ein Perlengeschmeide, das irgendeine französische Königin, ich weiß nicht, welche, getragen hat. Ich nehme an, Lady Renardsmere sammelt auch solche Stücke, solche, die historischen Wert haben?«

»Kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte ich. »Ich habe nie Lady Renardsmeres Sammlung gesehen.«

»Nun, hier ist ja allerhand zum Ansehen«, bemerkte er. »Sie können darüber sagen, was Sie wollen, daß wir Amerikaner soviel aufkaufen, eins ist mir doch, seitdem ich nach England gekommen bin, aufgefallen. Sie haben in Ihren Schlössern und Adelssitzen so viel kostbare Schätze angehäuft, wie man es nirgends wieder in der Welt finden kann. Sie haben einen großen Vorsprung.«

Ich verbrachte zwei Stunden in angeregtem Gespräch mit ihm, und da ich gern unserem Besucher gegenüber gastfreundlich sein wollte, ließ ich ihm, bevor er ging, noch Tee servieren. Endlich fuhr er auf seinem Rad davon – er bedauerte nur, daß es ihm nicht möglich gewesen sei, Lady Renardsmere zu sehen und ihr zu erzählen, er hätte von seiner Mutter schon über ihr Spiel gehört. Wir nahmen freundschaftlichen Abschied voneinander, und er winkte mir mit seiner tätowierten Hand noch zu, als er die Anfahrt hinunterfuhr.

Walker kam spät in der Nacht mit dem Wagen zurück. Lady Renardsmere ließ mir durch ihn sagen, daß während ihrer Abwesenheit Walker und ihre sämtlichen Automobile jederzeit zu meiner Verfügung stünden. Sonst hatte sie ihm nichts weiter für mich aufgetragen. Ich richtete an Walker ein oder zwei Fragen – er hatte Lady Renardsmere und ihre Zofe Felicia nach Park Lane gebracht und war dann wieder allein zurückgefahren. Mehr konnte er mir nicht erzählen. Ich hätte zu gern gewußt, ob Jifferdene und Beacher Lady Renardsmere den Abend noch in Park Lane angetroffen hatten. Am nächsten Morgen erfuhr ich gleich, daß sie nicht in London geblieben war. Sie mußte nur nach Park Lane gefahren sein, um einen Koffer abzuholen, und war dann abgereist. Denn grade als ich mich zum Frühstück setzte, erhielt ich ein Telegramm von ihr, das in der vorigen Nacht in Dover aufgegeben worden war. Es enthielt nichts Wichtiges; ich sollte nur während ihrer Abwesenheit ihre gesamte Korrespondenz erledigen. Da es in Dover aufgegeben worden war, schloß ich daraus, daß Lady Renardsmere nach dem Kontinent reiste.

Ich hatte den Morgen im Dorf etwas zu tun. Ich traf Holroyd in der Nähe seines Gasthofs und blieb stehen, um mit ihm zu sprechen.

»Das war ein netter junger Mensch, den Sie mir gestern nachmittag heraufschickten, Holroyd«, sagte ich. »Es war zwar kein Besuchstag, aber ich habe ihn doch herumgeführt.«

Holroyd starrte mich an.

»Den ich heraufgeschickt habe?« rief er. »Habe niemand heraufgeschickt!«

»Ein junger Amerikaner auf einer Radfahrtour«, sagte ich. »Können Sie sich denn nicht erinnern? Er hat gestern bei Ihnen zu Mittag gegessen.«

»Niemand hat gestern bei mir zu Mittag gegessen«, antwortete er, mich immer noch anstarrend. »Ein Amerikaner? Hier gibt's ja keine. Ich weiß, wie ein Amerikaner aussieht, bin dreimal drüben gewesen. Ist auch gar kein Radfahrer gestern dagewesen. Jemand hat Sie angeführt, Mr. Cranage. Ich habe niemand nach Schloß Renardsmere geschickt.«

Ich verabschiedete mich und ging nachdenklich fort. Was hatte mein Besucher nur gewollt? Was führte er im Schilde?


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