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Fünfzehntes Kapitel.
Eine neue Gründung

Heute wundere ich mich noch, daß ich in solcher auffallenden Gestalt mein Wesen so lange in Baden-Baden ungestört treiben konnte. Der Grund liegt wohl in der Unzulänglichkeit der Polizei in den meisten süddeutschen Städten. Ein braver Unteroffizier ist noch lange kein tüchtiger Polizeimann und in jeder mittlern Stadt, namentlich wenn sie an einer großen Verkehrsader liegt, sollten immer mehrere Schutzmänner angestellt sein, die etwa in Berlin eine Zeitlang den Polizeidienst erlernt haben. Als ich in Baden-Baden mit der vornehmen Welt fast fertig war, erschien eines Morgens in meinem Quartier, während meiner Abwesenheit, ein Schutzmann, um mich auf die Polizei mitzunehmen. Als ich nach Hause kam, packte ich, nichts Gutes ahnend, rasch meine Beute, soviel deren noch übrig blieb, zusammen, zog andere Kleider an und lief nach der nächsten Eisenbahnstation, wo ich einstieg, um nach Karlsruhe zu fahren.

Hier verfügte ich mich in die Herberge zur »Stadt Heidelberg«, wo ich beim Eintreten mit lautem Jubel empfangen wurde. Wie ich mich umsah, fand ich da eine große Anzahl alter Bekannter, vornehmlich meinen Darmstädter Freund, den Baron, der, wie ich jetzt hörte, wirklich einer alten süddeutschen Adelsfamilie angehörte. Wir teilten uns zuerst unsere Erlebnisse mit und sprachen über die Zeitläufte, die dem Schwindel und den Schwindlern günstig waren. Damals schon wurde über die vielen Gründungen gespottet und der Name »Gründer« bekam bereits einen recht übeln Beigeschmack. Dem Baron kam plötzlich ein Einfall. »Hört,« rief er, »ihr Kinder, wenn alle Leute gründen, dürfen wir in unserer edeln Zunft nicht zurückbleiben, wir wollen uns auch durch eine Gründung verewigen.«

»Bravo,« schrien alle, »der Baron hat Recht, aber was soll gegründet werden?«

»Ich hab da eine Idee,« sagte der Edle, »laßt mir ein wenig Zeit, um mich zu besinnen.«

Bald darauf begann er wieder: »Wir könnten einen Verein gründen, wie noch gar keiner bestand, etwa einen Schwindlerbund oder einen Faulenzerverein.«

Der Gedanke wurde mit Jubel aufgenommen und die Abstimmung ergab, daß der Mehrzahl der Name »Faulenzerverein« am meisten zusagte. Wir entwarfen nun mit großem Eifer die Statuten. Der Hauptfaulenzerverein sollte sich erstrecken über die Städte Karlsruhe, Stuttgart, Frankfurt und Mainz und jeder dieser Orte nach der Reihe ein Jahr lang den Vorsitz führen. Zweigvereine konnten in allen kleinen Städten gegründet werden. Der Vorstand setzte sich zusammen aus dem Präsidenten, zwei Beisitzern, einem Kassierer und einem Saufbruder. Mit Einstimmigkeit wurde ich zum Präsidenten, der Baron und ein verdorbener Kellner, namens Kunz, zu Beisitzern gewählt. Gerührt von der großen Ehre, hielt ich eine kurze Ansprache an die Wähler, worin ich versicherte, daß ich mir wohl bewußt sei, welche Verantwortlichkeit ich mit dieser Stellung übernehme, daß ich aber den Posten mit Ehren auszufüllen hoffte. Darauf erscholl ein ungeheures Hurrahgeschrei und der Baron brachte ein dreifaches Hoch auf mich aus. Zum Schlusse gab ich drei Flaschen Schnaps zum Besten.

Als sich am Abende die große Stube gefüllt hatte, wurde eine Generalversammlung abgehalten und infolge einer lustigen Ansprache des Barons ließen sich dreißig Mitglieder, Männer und Weiber in den neuen Verein aufnehmen. Jedes neue Mitglied mußte vor mich hintreten und bei einem Glase Schnaps folgenden Eid ablegen:

»Ich schwöre bei dem Fusel in diesem Glase, daß ich ehrlich und treu dem Faulenzerverein dienen will. Ich gelobe auch dem Präsidenten, auf die Dauer von fünf Jahren meinen Fingern Ruhe zu gebieten und nichts mehr zu arbeiten, so wahr mir der Schnaps helfe.«

Feierlich schloß ich: Es geschehe also. – Sodann hielt ich eine Schlußansprache, worin ich die neuen Mitglieder ermahnte, stets ihres Eides zu gedenken und ihre edle Gesinnung festzuhalten. Wenn die ganze Welt gegen uns wäre, könnten wir dann nicht zu Grunde gehen. Nachdem alle den Stromereid geschworen, wurde getrunken, gesungen, getanzt und jubiliert, bis es zu Bette ging.

Trotzdem es auf dieser Herberge lustiger herging, wie irgendwo sonst, wurde es mir in Karlsruhe doch bald unbehaglich. Ich las am andern Morgen in der Zeitung, in Baden-Baden habe sich einige Zeit ein Schwindler mit dem eisernen Kreuze herumgetrieben und viele vornehme Herrschaften hinters Licht geführt. Die allzeit wachsame Polizei sei ihm aber auf der Spur und werde ihn sicher alsbald erwischen. Obschon ich in dieser Hinsicht einige Zweifel hegte, beschloß ich doch, mich baldigst noch etwas weiter von Baden-Baden zu entfernen. – Vorher wollte ich aber doch versuchen, ob mir in Karlsruhe gelinge, was ein Kollege anderwärts mit Erfolg probiert hatte. Ich verschluckte eine schwarze Prüm Kautabak, worauf ich mich mehrere Male heftig erbrechen mußte und ein leichenblasses Aussehen bekam. Dann ging ich in die Hirschstraße zum Kreisphysikus, wo ich mich melden ließ. Als ich im Empfangszimmer allein war, stieß ich etliche Male die Ellenbogen fest an den Ofen, wodurch mein Blut etwas in Wallung kam. Als der Arzt eintrat, sagte ich ihm, ich sei seit einiger Zeit von Schwindel und Erbrechen befallen und müsse mich deshalb in meine Heimat begeben. Der Herr Doktor möge mir ein Zeugnis ausstellen, damit ich von dem bayerischen Gesandten eine Unterstützung erhalte und heimkommen könne.

Der Arzt untersuchte mich und erklärte, es sei wahrscheinlich ein Nervenfieber im Anzuge, ich thue daher am besten, mich nach Hause zu begeben. Er stellte mir ein Zeugnis aus, das etwa folgendermaßen lautete:

Joseph Kürper aus der Rheinpfalz leidet an Fieberanfällen und ist daher schleunig in ein Spital, oder auf dem kürzesten Wege in seine Heimat zu verbringen. Ersuche jedermann, ihn nötigenfalls zur Weiterbeförderung in seine Heimat zu unterstützen.

Dr. M.

Mit diesem Zeugniß ging ich zuerst ins Schloß, wo ich von dem Finanzrat Kniedel empfangen und schön beschenkt wurde. Auch sonst erhielt ich wegen meines bleichen Aussehens und Zitterns Geld und Kleider, unter anderm einen Mantel und ein paar Stiefel mit Pelzbesatz. Zuletzt schrieb ich einen Bettelbrief an den Prinzen Karl und legte ebenfalls meinen Krankenschein bei. Am andern Mittag erfuhr ich in dessen Palais, daß Se. Hoheit auf ihrem Landgute weile, wohin der Brief nachgeschickt worden sei.

Was aus demselben geworden ist, weiß ich nicht; ich fuhr noch an demselben Abend nach Mannheim.


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