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Vierzehntes Kapitel.
Hochstapler

Da ich aus der Stadt Stuttgart unerbittlich ausgewiesen wurde, dachte ich meine Thätigkeit in Baden-Baden zu eröffnen. Ich kehrte dort in der Kostgeberei von Dahlmüller ein, wo ich etwa sechs Wochen logierte. Zuerst kaufte ich mir eine neue Beschreibung des französischen Krieges mit Bildern, die ich in einem Buchladen der Stadt ausgestellt fand. Ich las dieselbe vorsichtshalber mehrere Male durch und suchte mir auch einen Begriff von den Gegenden zu machen, wo ich meine Heldenthaten hinverlegen wollte, da ich auf alle möglichen Fragen gerüstet sein mußte. Dann überlegte ich lange, in welchem Aufzuge ich erscheinen solle. Nach langem Besinnen entschied ich mich für ein ärmliches aber sauberes Gewand und für die Amputation des linken Armes. Darauf kaufte ich mir die neueste Fremdenliste und suchte mir meine Opfer aus. Bei den deutschen Herrschaften gedachte ich persönlich vorzusprechen, die fremden suchte ich mit Bettelbriefen heim.

Nach zwei Tagen hatte ich einen entsprechenden Anzug bei einem Trödler gefunden und rückte am dritten in neuer Gestalt aus. Den linken Arm hatte ich mir fest an den bloßen Leib geschnallt, der Ärmel wurde mit einer Nadel an den Rock befestigt, auf der Brust trug ich stolz das eiserne Kreuz, in der Tasche meines Kittels meine Legitimation. Meinen kleinen Schnurrbart hatte ich martialisch in die Höhe gedreht.

Ich begann bei einem deutschen Baron, der mich vorließ und mich wohlgefällig betrachtete. »Aha,« rief er, als er mein Papier gelesen hatte, »einer von unseren »blauen Teufeln«; ihr Bayern müßt aber auch den Herren Franzosen nicht übel mitgespielt haben.«

»Wir haben ihnen gezeigt, gnädiger Herr, daß ein Franzose mit einem Deutschen keinen Krieg anfangen soll.«

»Recht so, in welchem Regiment haben Sie gedient?«

»Ich war bei dem fünften bayerischen Jägerbataillon, habe die Schlachten bei Wörth und Sedan und die Belagerung von Paris mitgemacht.«

»Und wo verloren Sie Ihren Arm?«

»Bei dem Sturm auf das Fort Ivry, gnädiger Herr.«

Auf alles, was er mich fragte, hatte ich eine genügende Antwort. Zuletzt sagte er: »Einen braven Soldaten, der für sein Vaterland geblutet hat, unterstütze ich gern.« Dann ging er in ein Nebenzimmer, weilte dort einen Augenblick und drückte mir dann eine in Papier eingewickelte Gabe in die Hand. Als ich in Sicherheit war, fand ich zu meinem Erstaunen in dem Papiere zwei Goldstücke, was mich mit Freude und Zuversicht erfüllte. »Nun weiß ich,« dachte ich bei mir, »wie's gemacht wird.«

In einem Landhause wohnte eine gräfliche Familie aus Preußen. Auch hier wurde ich vorgelassen und traf die Damen beim Kaffee auf der Veranda. »Sieh nur, Mama,« rief die Tochter, »da kommt ein Ritter des eisernen Kreuzes, wie der Papa. Und der arme Mann hat den Arm in der Schlacht eingebüßt.«

Das Fräulein schien etwas überspannt, aber gerade solche konnte ich zu meinem Zwecke am besten brauchen.

»In welcher Schlacht haben Sie Ihren Arm verloren, braver Mann?« fragte sie mich, indem sie ihre Hand bedauernd auf meine Schulter legte.

Das war nun eine prächtige Gelegenheit, mit meiner Hauptheldenthat loszulegen, die ich für solche Fälle ausgedacht hatte.

»Das war in der Schlacht bei Sedan, gnädiges Fräulein! Wissen Sie, da mußten wir Bayern das Dorf Bazeilles stürmen. In demselben steckten aber die französischen Marinesoldaten, verteufelte Kerle, die sich bis auf den letzten Mann wehrten. Aber es half sie alles nichts, sie mußten sich ergeben, oder über die Klinge springen. Da war ein Haus, das stand in einem Garten, von einer hohen Mauer umgeben, aus dem wir heftiges Feuer empfingen und in dem mindestens ein halbes hundert Franzosen sich verrammelt hatten. Die einen von uns mußten auf die Fenster schießen, die anderen sollten über die Mauer klettern, die Thüre einstoßen, und die Feinde zur Übergabe zwingen. Ich war bei den letzteren. Ich gelange auch glücklich mit zwei andern bis zur Thüre und will eben mit dem Flintenkolben die Thüre einrennen, als mir eine Kugel den Arm zerschmetterte. Als ich zum Bewußtsein gelangte, war das Haus ausgebrannt und alles still um mich und nur mit Mühe konnte ich mich zum Lazaret schleppen, wo mir der Arm abgesägt wurde.«

Das war ungefähr der Inhalt meiner Erzählung, welche die Damen mit großer Spannung anhörten.

»Und nun sind Sie in Not?«

»Ich habe eine alte Mutter zu ernähren und möchte mir im Schwarzwald eine Orgel kaufen,« stotterte ich.

»Schade, daß der Papa nicht da ist,« rief die eine Tochter, stürzte in das Haus und brachte mir einige Thalerstücke und ihre Sparkasse. »Können Sie nicht auch Kleider brauchen?« fragte sie teilnehmend.

»Ich nehme alles dankbar, was Sie mir schenken.«

»Wo wohnen Sie?«

Ich nannte mein Quartier und ging bescheiden grüßend davon. Als ich nach Hause kam, war schon ein Bedienter dagewesen und hatte einen großen Pack guter Kleider von seiner Herrschaft für mich überbracht.

Ich will die Leser nicht ermüden mit der Aufzählung aller Besuche, ich versichere nur, daß ich immer zuversichtlicher wurde und großen Erfolg hatte. An die fremden großen Herrschaften z. B. an die Fürsten Gagarin, Mentschikoff, an die Herzogin von Hamilton, an die Erbprinzessin von Monaco wandte ich mich brieflich, indem ich hie und da mein eisernes Kreuz und Zeugnis beilegte und jedesmal habe ich ein reiches Geschenk erhalten. Daß ich das Geld auch wieder mit vollen Händen hinauswarf, brauche ich nicht zu sagen: wie gewonnen, so zerronnen.


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