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Siebentes Kapitel.
Anlagen zum Hochstapler

Auch in Karlsruhe hatte ich Glück, indem ich nicht lange nach Arbeit zu suchen brauchte. Der Hofschuhmacher Heim nahm mich in sein Haus und gab mir guten Lohn, so daß ich, da ich auf Stück arbeitete, manchmal in der Woche 12 bis 15 Gulden verdiente. Da war nun meine erste Sorge, mich gehörig herauszuputzen. Ich ließ mir Kleider nach neuester Mode machen, kaufte mir eine Uhr und einen Schirm und wenn ich des Sonntags ausging, trug ich in der rechten Hand den Schirm, auf dem linken Arm den Überzieher, einen Klemmer auf der Nase und einen Glimmstengel im Munde. Niemand hätte mich da für einen Schustergesellen gehalten, für den ich auch nicht gelten wollte. Ich war damals ein gutgewachsener Bursche mit glattem Gesicht und an der nötigen Keckheit fehlte es mir auch nicht, wie ein Vorfall beweist, den ich jetzt erzählen will und der mit einer großen Blamage endete.

An einem schönen Sonntage im Sommer warf ich mich wieder in meinen Windbeutelstaat, drückte den Zwicker auf die Nase und stolzierte durch die Straßen nach dem Augarten. Wie ich mich da nach einem Platze umschaue, sehe ich plötzlich an einem runden Tische eine Gesellschaft, unter welcher sich auch ein hübsches Fräulein befand. Keck dränge ich mich herbei, mache einen tiefen Bückling und frage, ob es erlaubt sei, an dem Tische Platz zu nehmen. Man musterte mich zwar etwas erstaunt, allein man gewährte schließlich freundlich meine Bitte und ich schob kaltblütig meinen Stuhl neben den des erwähnten Fräuleins. – Sofort begann ich ein Gespräch und bald wagte ich, meine Nachbarin zu einem Tanz und dann zu einem zweiten aufzufordern. Ich sah, daß ich Erfolg hatte und ließ es an den nötigen Prahlereien nicht fehlen. Als man mich endlich fragte, wer ich sei, antwortete ich: Mein Name ist Jakob Junker, ich bin der Sohn eines reichen Mannes in München, und habe hier eine Stellung als Konditor; gegenwärtig wohne ich bei Hofschuhmacher Heim in der Langenstraße. Als sie nach Hause gingen, baten sie mich, sie zu begleiten, was ich natürlich gerne that. Vor der Thüre der Wohnung sagte der Herr, daß mein Besuch in seinem Hause ihm und seiner Familie viel Vergnügen machen würde. Ich erwiderte stolz genug, wenn mein Geschäft mir so viel Zeit übrig lasse, wolle ich es gerne thun.

Am nächsten Sonntage machte ich richtig bei dieser Familie einen Besuch und wurde überaus freundlich aufgenommen. Das Mädchen, mit dem ich getanzt hatte, hieß I. M. und war eine reiche Bierbrauerstochter aus S., deren Eltern längst nicht mehr lebten, weßhalb sie sich bei ihrem Bruder in Karlsruhe aufhielt. Es gelang mir, mich in ihr Vertrauen einzuschleichen und ein Verhältnis anzuknüpfen, das wohl ein halbes Jahr dauerte, ohne daß sie erfuhr, daß ich eigentlich ein armer Schustergeselle sei.

Wenn man eine Bekanntschaft hat und sich für den Sohn eines reichen Mannes ausgibt, kostet das mehr Geld, als ein Schustergeselle aufbringen kann. Ich machte Schulden, mußte meine Uhr versetzen und eines Sonntags war ich außer Stande, meinen gewöhnlichen Besuch im Hause meiner Geliebten abzustatten. Ich mußte auf dem Pechstuhl sitzen und tüchtig den Pechdraht ziehen, um wenigstens meine Uhr auszulösen und am kommenden Sonntag wieder gebührend aufsteigen zu können. Gegen zwei Uhr kam auf einmal ein stolzes Fräulein vor unsern Laden, schellte und fragte Herrn Heim, meinen Meister: »Haben Sie nicht einen Konditor, Namens Junker im Logis?«

»Nein,« lautete die Antwort, »der Name ist mir ganz unbekannt, ich habe nur Schuhmacher in meinem Hause, die bei mir in Arbeit stehen. Was soll's denn für ein Landsmann sein?«

»Ein Bayer.«

»Ja, Fräulein, wir haben einen Bayer im Hause, aber das ist ein Schuster. Hat er einen Bart?«

»Nein, es ist ein junger Mensch ohne Bart, mittlerer Größe und blond.«

»Halt,« sagte Meister Heim, »das stimmt ganz genau. Das ist mein Geselle. Der ist ein Großhans wie alle Bayern und ein Aufschneider erster Klasse, der wäre schon im stande, sich für einen Konditor auszugeben. Doch ich glaube, er ist zu Hause; ich will ihn herunter rufen, so können Sie sich selbst überzeugen!«

Von dem Laden ging ein Sprachrohr herauf in die Werkstatt. Durch dasselbe tönte es: »Bayer, Sie sollen einen Augenblick herunterkommen, es ist ein Herr da, der Sie sprechen will.«

»Im Augenblick werde ich erscheinen, Herr Heim.«

»Karl,« sagte ich zum Nebengesellen, »was fange ich an? Ich hab kein sauberes Hemd und bin auch nicht gewaschen.« »Ei,« sagte derselbe, »reibe Dich ein wenig mit dem Handtuch und ziehe dort meinen papiernen Kragen und Deinen Überzieher an, das langt.« »Aber meine Uhr ist versetzt!« »Dann nimmst Du die Kette und bindest sie an einen Schlüssel.« Gesagt, gethan; ich machte mich rasch fertig und stieg nichtsahnend herunter. Wer beschreibt meinen Schrecken, als meine Geliebte vor mir stand und mir zurief:

»Ei, grüß Gott, Junker! Eine Empfehlung von meinem Bruder und Du sollst Dich heute Abend unbedingt bei uns einfinden.«

Wie ein begossener Pudel stand ich da und sagte nur: »Es thut mir leid, Julchen, ich kann heute nicht, ich bin sehr unwohl.«

»Ach ja,« sagte sie, »und ich weiß auch, wo es Dir fehlt.« Damit wendete sie mir den Rücken und trat auf die Straße. Ich folgte ihr und machte einen Versuch, mich zu entschuldigen. Allein sie zog ihre Börse aus der Tasche und drückte sie mir in die Hand mit den Worten: »Hier nimm und kuriere Dich; daß Du ein Schuster bist, verschlägt mir nichts, aber daß Du mich belogen hast, thut mir leid.«

Ich stand noch eine Zeit lang verdutzt da, schaute ihr nach und hielt das Portemonnaie in der Hand. Als ich auf mein Zimmer zurück kam, schämte ich mich entsetzlich, ich hätte vor Scham und Grimm laut hinausschreien können. Ich beschloß denn auch, keinen Augenblick mehr in der Stadt zu bleiben, zahlte mit den dreißig Gulden, welche der Geldbeutel enthielt, meine Schulden und machte mich noch am selben Abend aus dem Staube. Für das sehr ehrbare und anständige Mädchen war es ein Glück – heute sage ich so – daß es noch rechtzeitig den Schwindel entdeckt hat.


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