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XXXXVII

Horch, die Glocken, mein Junge!
immer lauter und lauter und heller und siegender:

Frühling und ... Ostern!

Ostern, mein Junge! und Frühling!
verstehst du, was das heißt?! ...

Ostern!

*

Sieh, das ist die Welt, hier vor uns:
das Tal, die Wiesen ... alles wieder grün und in Knospen ... der Fluß, zur Ebene hin, die Stadt, die Villen an den Hängen hinauf ...
und drüben die Höhen, mit ihren Straßen über die Berge ...
und die Menschen ... die Menschen unten!

Guck, nur die die Glocken läuten, sind wach, die andern liegen noch und schlafen!
liegen und schlafen,
anstatt auf zu sein in Glauben und Freude und der Sonne entgegenzuwachen,
die ihnen Frühling und Ostern bringt!

 

Sie liegen und schlafen,
müde von der Arbeit ihrer Woche und von ihren Sorgen ...
und wenn sie aufwachen, wachen sie auf, wie sie einschliefen, müde von Arbeit und Sorge
und das ganze Herz doch voll glühender Sehnsucht nach Ausruhn und Freude!

 

Es ist schwer, mein Junge, glaub mir, es ist schwer, froh zu sein, wenn man die Menschen lieb hat!
es ist schwer, mein Junge!

*

Und wenn du Dichter werden willst, mein Junge ...
sieh, du kannst es nur, wenn du die Menschen lieb hast!
wenn du sie so lieb hast und so stark bist in deinem Glauben, daß du all ihr Leid mit ihnen leiden kannst,
und für sie leiden, wo sie gegen dich!

 

Du wirst keine Heimat bei ihnen haben, du wirst wie ein Prediger sein in der Wüste ...
das Herz wird dir überwallen, ihnen zu helfen,
und sie werden dich verlachen und verspotten und werden dir alles antun, was Menschen einem Menschen antun können!
aber
glaub ihnen nicht! glaub ihnen nicht, mein Junge!

 

Glaub nicht an die Unfreude, glaub nicht an die Verdrossenheit, glaub nicht an die Kleinlichkeit, die dir entgegentritt ...
wisse sie, aber glaube sie nicht!

 

Sieh durch sie durch, in ihre Herzen!
in ihren Herzen in der Tiefe wirst du nur Sehnsucht sehen, aus all der Not und Schwere ringsum heraus zu finden,
und an die glaub, mein Junge!
nicht an ihre Worte, nicht an ihre Taten ...
an ihre Sehnsucht glaube, wenn du Dichter werden willst und ihnen helfen!

 

Sieh, sie zerwerfen sich immer mehr, was das Leben lebenswert macht und ihm Halt gibt!
sie haben immer weniger den Mut, zu sein, wie sie sein möchten!
sie zernörgeln und zerfasern sich ihre schöne Welt immer planloser, irregeführt von Propheten, die keine sind,
und finden immer weniger zurecht und setzen ihren Stolz darein, sich hinwegzulügen über ihr Elend und hinwegzuspötteln über die stille Mahnung dessen, das sie träumen!

 

Und wenn du Dichter werden willst, wisse das alles, aber glaub es nicht!
sondern geh und rüttle ihre Sehnsucht auf und schaffe ihnen Zuversicht:
daß ihre Träume höher und sieghafter als das Leben ...
auf daß es endlich anfange, Sonntag zu werden in ihren Seelen
aller Last und aller Hast zum Trotz!


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