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IV

Von Hannie

O es ist schön, wunderschön hier! und ich hab dich lieb, Liebster! und grüße dich und küsse dich und denke hundertmal am Tag: o, wenn Jost das hätte! wenn Jost hier mit stände! wenn Jost das sähe! und ... keine Sorge! keine Schule! keine Unruhe! nichts! jeder Tag Sonntag! Ich weiß nicht, ich möchte immer die Arme ausbreiten! es ist alles so herrlich! und ... mir ist, als ob ichs eigentlich nur dir zu danken hätte! und als ob andere gar nicht sähen, was ich sehe!

Mailand war Enttäuschung, auch der Dom. Riesenspielzeug. Nur innen packte es mich und oben auf dem Dach, zwischen all den Turmkreuzen. Es ist, als stünde man mitten in einer märchenhaften Klippeneinsamkeit. Und alles Marmor und Marmor, bis auf den letzten Knopf hin!

Um so schöner war Genua. Ich dachte immer an den Vater und an dich dabei! Wie sich das aufbaut! und dasteht! jeder Häuserzug wie eine trotzige Brustwehr gegen die See: bis hieher und nicht weiter! hier gebiete ich, der Mensch!

Und die Treppen in den alten Palästen! Wir versuchten, sie mit der entsprechenden Würde auf und abzusteigen, doch vergeblich. Die Menschen damals müssen eine ganz andere Art gehabt haben.

So besonders frühlingshaft ist es hier übrigens auch nicht! wir dachten wunder, wie grün es wäre! wir dachten, es wäre hier jetzt, wie etwa bei uns im Mai oder im Juni, und es ist auch Winter und die Sonne geht schon recht früh über die Berge. Wie kommt man zu solch queren Vorstellungen? wenn man ein bißchen überlegte, würde man sich sagen: es kann ja gar nicht sein, und wäre weniger enttäuscht! Es ist wärmer und ruhiger als bei uns, aber ein guter Ofen bleibt eben doch eine höchst liebenswürdige Erfindung, auch hier an der Riviera.

Ich schreibe dir, so oft ich kann, doch es wird wohl immer nur kurz werden, da Hella natürlich stundaus und ein um mich herum. Sie kam in Mailand: ich solle doch Du zu ihr sagen. Ich sagte: gern! doch es müsse dann gegenseitig sein! Es war reizend, wie verlegen sie wurde, aber sie ist jetzt noch glücklich darüber. Sie lacht und singt den ganzen Tag und man wird selbst wieder zwanzig dabei.

Schade, wenn man denkt, das so was über kurz oder lang dann irgend einem trübseligen Alltagsmenschen in die Hände fällt!

Ich habe ein Tagebuch angefangen und werd es dir von Zeit zu Zeit schicken. Ich hab in meinen Briefen dann mehr Raum, von deinen Dingen zu plaudern.

 

Unser Haus liegt ein Stückchen am Berg hinauf, an der Straße nach Ruta. Wir haben zwei kleine ineinandergehende Zimmer, mit der üblichen Ausstattung, aber mit großem Balkon und mit wunderbarem Blick.

Eine halbe Welt liegt uns zu Füßen: Rapallo, das Meer und die Berge des Apennin drüben, bis Sestri und weiter. Unten am Ufer die Bahn, Tunnel an Tunnel. Wir sehen vom Fenster aus alle Züge. Klein wie Spielkram huschen sie vorbei und kriegen jedes Mal Grüße nach Berlin mit und abends warten wir immer den nach Rom ab. Wie ein glühender Faden glitzert er auf und verschwindet im Berg, wie ein Mäuschen im Loch ... weg ists! und ich denke dann immer, einmal sitzen auch Jost und Hannie da drin und sind selig!


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