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XXXXII

Von Kampf und Erfüllung

Einem Freunde

Du sagst da alles, was ich alles selbst gesagt
in deinen Jahren einst,
drob ich, wie du, in heiligem Zorn erglüht,
drob ich, wie du, einst zu den Waffen rief,
im Glauben an das Christusrecht der Jugend,
die wir waren!

Wenn ich dir aber sagte, Freund:
die Angelpunkte
des Lebens,
das es wirklich gilt, zu leben,
liegen
ganz wo anders!
Es handelt sich in Wirklichkeit und draußen um
ganz andere Dinge, als um die
du kämpfst, für die du dich
ans Kreuz willst schlagen lassen! o!
es handelt nirgends auf der weiten Welt sich
um Wahrheit, wie du meinst,
um Treue, Liebe, Güte oder ...
um Recht, um Überzeugungsmut und Rückgrat ...

um keine ach, von all den schönen Ehrlichkeiten,
die man in Knabenjahren uns als Höchstes lehrt!
sie sind nicht einen roten Heller wert! ...
Scheinen! doch nicht: sein!
um Gottes willen!
es bindet dir lediglich die Hände
und macht dich schwach und macht dich feig!

Wenn ich dies aber sage, Freund ...
und wenn ich weiter sagte: sieh:
trag, wie du willst, so stolz das Haupt,
daß man dir einfach eben nicht glaubt:
daß nicht auch dir das alles nur Spiel!
daß nicht auch dir der eigene Vorteil
erster Zweck und letztes Ziel!

und wenn ich dann noch weiterginge
und fragte:
wenn dem also ist, obs dann nicht klüger,
obs dann nicht beinahe Pflicht:
statt mit gebundenen Händen zu stehn
und alles bröckeln und brechen zu sehn ...
sich zu ... entweihn
und auch so zu sein,
so gut es geht, und sich frei zu ketten,
das nackte Leben wenigstens zu retten?!

Ich glaube fast: es gibt nur dieses Eine!
...
Du lachst?! ... Ich weine!

*

Und heute nun, nach kaum fünf Jahren,
die Stirn verfurcht, mit grauen Haaren,
ein müder Mann tritt in die Tür:

Es war noch schlimmer, als du sagtest!
es gab gar keinen Kampf ... mit niemand!
Man lachte bloß und ließ mich stehn
oder zuckte die Achseln: was ich meine,
sei'n Kinderein und Dichterträume,
schön, aber schal!
Das Leben habe damit nichts zu tun ...
das fordere andere Gesetze
und eine andere Moral!
hier entscheide nur: wer der Stärkere sei!
womit und wie? ... ganz einerlei!

Hier heiße es nicht: die Menschheit zu retten
und sie zu Unmöglichkeiten betören ...
hier heiß es: nicht totgetreten zu werden!
und ganz brutal: sich seiner Haut zu wehren!

Und dann zuletzt ...
das Allerschlimmste:
sie haben recht! ... sie haben recht!

*

So gings auch mir, Freund, und ...
so geht es jedem!

Wenn ich dir aber wiederum nun sagte:
das Allerschwerste kommt erst jetzt:
es gilt erst jetzt den Kern der Frage:
ob, was du glaubtest, nicht bloß Selbstbetrug,
obs wirklich echt ... und groß und stark genug:
noch jetzt
aus Verzagen und Entsagen
mit neuem Flug
dich emporzutragen?

Sag nicht: Nein! ...
Die Fassung darf zerbrochen sein,
nur nicht der Stein!

Es gilt erst jetzt die letzte Probe,
es gilt erst jetzt den Kampf,
von dem du sprachst,
und ob du fällst oder ihn hältst? ...
Jedoch es wird kein Ringen mehr mit andern,
es wird ein Kampf nur mit dir selbst:

Dich und die Welt verstehen zu lernen,
die Dinge zu nehmen wie sie sind
und wie sie sein müssen,
je und je,
aus ihrem eigenen Sinn heraus ...
und ohne Groll und ohne Weh
das Erlittene zu begreifen
in aller Stille und ein und aus
in steter Arbeit an dir selber
Unmut und Bitterkeit abzustreifen
und zu lösen dich und zu reifen
über jede Enttäuschung hinaus!

Alles andere wäre vergebens ...
hier allein liegen die Schlüssel des Lebens!

Drum geh und beweise
und mach an dir selbst wahr, was du willst
und wie du deine Sehnsucht erfüllst
nach Klarheit und Glück!
und leb es vor im kleinsten Kreise
von Augenblick zu Augenblick!

Und kannst du das,
dann komm zurück ...
und deute
auch andern noch den Weg, den du erkannt!
Es wird ein Weg dann aber sein
nicht mehr zu Kampf, nur noch zu Freude ...
anstatt des Schwertes Rosen in der Hand!
...

Du weinst?! ... Ich lache!


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