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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Donia und der Herr Peters zeigten ihre Verlobung an.

Treulos, Donna Donia, treulos,
Falsch sind alle Weiberherzen!
Don Rodrigo rief's und stürzte
In sein Schwert mit tausend Schmerzen.

So sang Max. Im Grunde jedoch war es ihm gleichgültig, daß Donna Donia sich verlobte. Heiraten konnte er sie ja doch nicht. Er war zwar schon Sekundaner, aber wenn er auch Ostern die Schule verließ und bei Döscher u. Co., einer angesehenen Firma in der Kolonialbranche, eintrat, wie lange würde er noch warten müssen, bis er Donia seine Hand anbieten könnte. Er hatte sich auch nie mit diesem Gedanken getragen. Er hatte für sie geschwärmt, sie war ihm die Muse gewesen, die Donna Donia, ohne die sein Don Rodrigo nicht hätte sein können. Jetzt hatte Don Rodrigo sich in sein Schwert gestürzt, und er, Max Köpke, war für das weitere Schicksal Donna Donias weder verantwortlich, noch war er damit verbunden.

Er wünschte Donia recht viel Glück und sagte:

»Das habe ich schon lange geahnt.«

»Das hast du geahnt?« fragte Donia lachend.

»Meinst du, ich habe nicht gesehen, daß du immer rot wurdest, wenn Herr Peters kam, oder wenn von ihm die Rede war?«

»Ich rot geworden? Na nu? Das hast du dir doch wohl nur eingebildet!«

»Mama, ist Donia nicht immer rot geworden, wenn Herr Peters kam?«

»So? davon habe ich nichts gemerkt,« sagte Frau Köpke.

»Hanna?« wandte sich Max an seine Schwester.

Aber Hanna sagte nur:

»Dummer Bengel!«

Max war gekränkt, war empört. Da kam Donia ihm zu Hilfe:

»Ja, Max, du hast recht.«

Da triumphierte Max und vergaß in seinem Jubel, daß Don Rodrigo sich bereits in sein Schwert gestürzt hatte.

Donna Donia, ewig schwört
Don Rodrigo, dich zu lieben,
Dem du hast das Herz betört,
Der dir ewig treu geblieben.

– Ostern trat Don Rodrigo bei der Firma Döscher u. Co. als Lehrling ein, und Herr Purtaller legte sich hin und wollte sterben.

»Unsinn, Vater,« sagte Donia. »Was solltest du wohl sterben! Sollst mal sehn, du wirst noch wieder ganz fix.«

Aber Herr Purtaller schüttelte den Kopf und hustete so bedenklich, so heftig und lange, als wollte er damit beweisen, daß er recht habe.

Donia war auch nicht ohne Sorge. Der Vater war alt, durch ein selbstverschuldetes, kummervolles Leben geschwächt, und seine moralische Widerstandskraft war nie groß gewesen.

Und eines Tages war seine Stunde da.

Donia saß an seinem Bett und zählte die röchelnden Atemzüge, während sie seine alte, welke Hand in der ihren hielt. Das Fenster war offen, und eine schöne, milde Frühlingsluft strömte in das Zimmer. Sonne lag auf den Dächern, und man hörte die Sperlinge in den Rinnen zwitschern.

Herr Purtallers Fieber stieg und mit ihm Donias Angst.

Herr Purtaller fing an zu phantasieren.

»Singen – o wie schön – Amalia – – hörst du Donia singen? – Weg – weg – laß mich – – ich will nicht – – Donia –«

Herr Purtaller wollte sich aufrichten, wollte aus dem Bett.

»Vater, Vater,« rief Donia, »Vater, ich bin ja bei dir.«

Sie drückte ihn sanft in die Kissen zurück, aber der Kranke wollte sich nicht geben.

Donia wollte nach der Tür und Frau Köpke rufen, aber sie wagte nicht, den Vater loszulassen.

Und in ihrer Angst schoß es ihr durch den Kopf – er hatte von ihrem Singen phantasiert – von ihrer Mutter – und mit bebender Stimme, halb über ihn gebeugt, hub sie an, das Lied ihrer Kindheit zu singen:

»Sag mir das Wort, das so gern ich gehört,
Lang, lang ist's her, lang ist's her.«

Sie sang mit schluchzender, tonloser Stimme, und es schien, daß das Lied den Kranken beruhigte, und zuletzt lag er still in seinen Kissen, lag mit geschlossenen Augen und pfeifendem Atem aus halb offenem Munde.

»Er schläft,« sagte sie leise, während ihr die großen Tränen langsam über das Gesicht liefen.

Und dann kam Frau Köpke.

»Er schläft,« wiederholte Donia leise.

»So ruh dich aus, Kind, du siehst schlecht aus; ich will wohl aufpassen.«

Und Frau Köpke setzte sich an Herrn Purtallers Bett, während Donia in ihr Zimmer ging, um sich satt zu weinen. Dann fielen ihr die Augen zu, sie hatte die ganze Nacht nicht geruht.

Sie schlief lange und fest. Und als sie wieder erwachte, war Herr Purtaller tot.

Frau Köpke nahm Donia in ihre Arme.

»Meine Tochter,« sagte sie und weiter nichts.

Donia verstand sie und schmiegte sich fester an sie.

An einem schönen Junimorgen begruben sie Herrn Purtaller.

Donia fuhr mit Herrn Peters, Frau Köpke und Hanna in einem Wagen hinter dem schlichten Sarg her, auf dem gerade so viel Kränze lagen, daß es nicht ärmlich aussah. Durch lauter Sonne fuhren sie dahin, und auf dem Friedhof blühte der Flieder und sangen die Vögel.

»Wie nett, daß der alte Herr so schönes Wetter bei seiner Beerdigung hat,« sagte Frau Köpke.


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