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IV.

Acht Tage waren vergangen. Aus San Remo hatte ein Brief die glückliche Ankunft des Grafen gemeldet. Gundula hatte die Zeilen verschiedentlich durchgelesen und jedesmal das Empfinden gehabt, daß dieselben sehr wirr und unklar waren. So schrieb wohl ein Fieberkranker.

Besorgt gab sie Tante Agathe den Brief zu lesen. Diese saß lange und blickte schweigend auf das Schriftstück nieder. Bedächtig nickte sie vor sich hin, und ihr gutes altes Gesicht trug einen wundersamen Ausdruck.

»Ich glaube nicht, daß er krank ist, wenigstens nicht körperlich krank.«

»Was glaubst du, was ihm fehlt?« forschte die Gräfin.

»Geld!« antwortete die alte Dame lakonisch.

Gundula lachte leise, wie von jäher Angst erlöst.

»Nun, solch ein Manko ließe sich am ersten verschmerzen.«

»Du glaubst?«

Die junge Mutter blickte heiter in das bekümmerte Gesicht der Sprecherin.

»Ja, Tantchen! Du weißt, daß ich das kostspielige Leben in der großen Welt nie geliebt habe. Wenn Friedrich Carl die Mittel fehlen, seine Unkosten zu bestreiten, ist er gezwungen, mit uns in dieser Einsamkeit zu bleiben. Wir werden endlich für uns leben und glücklich sein.«

»Ahnst du, daß die Verhältnisse deines Mannes sehr derangiert sind?«

Gundula zuckte gleichgültig die Schultern. »Das müßte ich mir eigentlich an den fünf Fingern abzählen können. Nach den ungeheuren Ausgaben, die er seit Jahren hatte, muß auch das größte Kapital zusammenschmelzen. Aber was will das bei einem Grundbesitz wie dem seinen besagen? Die Güter sind ja wundervoll, ein paar Jahre solide gelebt und gespart – und das Defizit ist bald ersetzt!«

»Die Güter sind leider kein Majorat. Nicht einmal der Besitz von Hohen-Esp ist der Familie dauernd gesichert.«

Erstaunt blickte Gundula auf.

»Du irrst, Tante!«

»Doch nicht! Als das Majorat seit drei Generationen nur noch auf zwei Augen stand, wurde es leider Gottes durch den Großvater deines Mannes abgelöst, um die Güter eventuell auch auf Töchter vererben zu können. Wie dies möglich war, ist uns heutzutage ein Rätsel. In den schweren Jahren der Befreiungskriege war jedoch nichts unmöglich, und der alte Hohen-Esp nahm eine sehr einflußreiche Stellung bei Hof ein.

Später unterließ man es in unbegreiflichem Leichtsinn, das Majorat wiederherzustellen. Auch dem Vater deines Mannes wurde nur der eine Sohn geboren, und abermals unterblieb es, die Erbfolge zu sichern.«

»Wie genau du Bescheid weißt, Tante Agathe«, murmelte Gundula, die aufmerksam gelauscht hatte, »nun, vorerst ist ja Guntram Krafft auch der einzige, und ich denke, seine Güter werden ihm nie streitig gemacht.«

Die alte Dame machte eine beinahe ungeduldige Bewegung.

»Die Güter sind durch Friedrich Carl bis auf das Äußerste verschuldet«, sagte sie herb, »und ich fürchte, du wirst dein väterliches Vermögen völlig zusetzen müssen, um wenigstens das eine oder andere zu entlasten.«

Alles Blut wich aus dem Antlitz der Gräfin.

»Es ist bereits verbraucht ...«

Gundula krampfte die Hände ineinander und nickte stumm.

»Ich erwartete es kaum anders«, murmelte die alte Dame mit bitterem Lächeln.

Da hob die Herrin von Hohen-Esp jäh das Haupt und starrte sie in atemlosem Entsetzen an.

»Wenn dem wahrlich so ist, wenn die Güter verschuldet, das Kapital verbraucht und Friedrich Carl nicht fähig ist, sich zu arrangieren, was wird dann aus meinem Sohn?«

Das klang wie ein Aufschrei.

Das alte Fräulein von Wahnfried preßte herb die Lippen zusammen.

»Das Opfer väterlichen Leichtsinns!«

»Tante Agathe!«

Gräfin Hohen-Esp faßte den Arm der Sprecherin, ihr Antlitz war bleich wie der Tod.

»Das wäre ... das wäre ein Verbrechen von Friedrich Carl!« stöhnte sie und schlug wie in jähem Entsetzen die Hände vor das Antlitz. »War ich denn mit Blindheit geschlagen, daß ich nicht mehr sah, was um mich her vorging? Habe ich die ganze furchtbare Zeit verträumt und verschlafen, daß ich nicht ahnte, zu welchem Dasein ich mein Kind geboren habe? Aber nein, nein, tausendmal nein! Es kann, es darf ja nicht so sein! Du bist falsch unterrichtet, Tante Agathe, man hat meinen Mann verleumdet! Es ist nicht so schlimm, es kann nicht so schlecht mit ihm stehen, sonst wäre er nun und nimmermehr nach San Remo gefahren!«

»Er ist nach Monte Carlo gefahren!«

»Monte Carlo?« Gundulas Augen flammten. »Undenkbar! Woher weißt du das?«

»Ich sehe es aus diesem Brief ... und ich habe Menschenkenntnis genug, um einen Mann wie Friedrich Carl richtig zu beurteilen.«

»Tante!«

Gundula taumelte einen Schritt zurück und preßte die Hand gegen das stürmende Herz. »Du hast stets so hart und unbarmherzig über meinen Mann geurteilt!« Sie unterbrach sich und horchte.

Drunten, auf dem holprigen Pflaster des Burghofs, klang Hufschlag.

»Kommt er zurück?«

Agathe war an das Fenster getreten, ihre hohe, kraftvolle Gestalt schien zusammenzuzucken.

»Der Administrator!«

»Der Administrator? Was will der hier in Hohen-Esp ... bei mir ... zu solch ungewohnter Zeit?«

»Ich werde ihn sprechen.«

»Nein, bleib! Er soll hierherkommen!« Und schon hatte Gundula das bleigefaßte Fenster hastig geöffnet und rief durch den Herbststurm in den Hof hinab: »Ich bitte Sie, sogleich heraufzukommen, Herr Werner!«

Der alte Mann schrak zusammen, starrte mit verstörtem Blick empor und stotterte: »Zu Befehl, gnädige Frau!«

Dann gab er noch kurzen Befehl, das dampfende Pferd genügend abzureiben, und wuchtete auf seinen schweren Reitstiefeln über die Steinfliesen nach der Treppe. Wenige Minuten später stand er auf der Schwelle, und Gundulas Blick starrte ihm forschend entgegen.

Wie blaß und hohläugig der alte Getreue aussah, wie seine Gestalt zusammensank und wie kummervoll und mitleidig sein Blick die Gebieterin traf.

»Verzeihen, Frau Gräfin«, stammelte er, »wäre es wohl vergönnt, daß ich mit dem gnädigen Fräulein von Wahnfried ein paar Worte allein sprechen kann?«

Wie ein eisiger Schauer kroch es nach Gundulas Herzen, aber sie richtete sich auf und schüttelte den Kopf.

»Es gibt keine Geheimnisse vor mir. Sprechen Sie! Was gibt es?«

»Frau Gräfin sind noch leidend ...«

»Nein, nein! Ich bin kräftig und gesund! Haben Sie so schlechte Nachrichten zu bringen, daß Sie fürchten, mir schaden zu können?«

Die Sprecherin nahm sich zusammen, so ruhig und fest wie sonst zu reden, aber auf ihre Wangen traten zwei brennend rote Flecke, und die Hände krampften sich fester um die Stuhllehne.

»Sie bringen mir eine Nachricht von meinem Mann?« fragte sie hastig, flüsternd.

Der Administrator senkte den grauhaarigen Kopf tief zur Brust, ein schwerer Seufzer rang sich über seine Lippen.

»Es ist so, Frau Gräfin!«

Werners Blick trifft wie hilfeflehend Tante Agathe.

»Herrgott des Himmels ... foltern Sie mich nicht!«

Da zieht der Administrator mit jähem Griff einen Brief und eine Depesche aus der Tasche und reicht beides Tante Agathe. »Lesen Sie! Lesen Sie!« murmelt er. »Ach, du Herr mein Gott, ich kann es nicht aussprechen, es will mir nicht über die Lippen!«

Gundula hat die Papiere mit heftigem Griff erfaßt, sie wankt nach dem Fenster, sie öffnet und liest.

Der Administrator macht eine kurze, händeringende Bewegung gegen Tante Agathe; sie versteht ihn nicht, und so tritt er selber hinter die Gräfin, als wolle er bereit sein, eine Zusammenbrechende zu stützen.

Aber Gundula sinkt nicht unter dem furchtbaren Schlag, der sie trifft, nieder. Nur das Papier der Depesche knistert und wankt zwischen ihren Fingern, und ein leiser, halberstickter Schrei ringt sich von ihren Lippen.

»Tot! Er ist tot!«

Eine sekundenlange, furchtbare Stille.

Agathe ist mit fahlem Antlitz nähergeeilt und legt ihre Arme um die junge Witwe.

»Tot!« murmelt sie. »Allbarmherziger Gott, wie das?«

Werner hatte einen der großen, aus Eiche geschnitzten Sessel nähergeschoben.

Die Bärenköpfe, die seine Knaufe bilden, verschwimmen vor Gundulas Blick.

Sie sinkt schwer auf das Lederpolster nieder und starrt auf die Depesche.

Ihre Augen sind weit offen, stier und tränenlos. »Es steht wohl alles im Brief an die unglückliche Frau Gräfin«, murmelt Werner auf den fragenden Blick Agathes, und er legt die Hand über die Augen und wendet sich ab, als könne er den Anblick des schmerzversteinerten Antlitzes nicht ertragen. Da hebt Gundula das Haupt, ein jäher Blick flammt aus ihren Augen.

»Der Graf hat sich erschossen, in Monte Carlo erschossen?« fragt sie langsam, und ihre Stimme klingt fremd und heiser.

»Wohl in einem Anfall von Geistesstörung«, stöhnte der alte Beamte, »es ist zuviel Schweres in letzter Zeit gekommen, die Gläubiger haben so gewissenlos gedrängt.«

»Dieser Brief ist an mich gerichtet?« Sie will das Schreiben heben, um die Adresse zu lesen, aber ihre Hand sinkt schwer zurück.

»Sehr wohl, Frau Gräfin! Ich erhielt ihn vorgestern von dem gnädigen Herrn mit der Weisung, ihn nur dann an Eure Gnaden abzugeben, wenn eine Depesche des Kammerdieners schlimme Nachricht über den Herrn Grafen brächte!«

»Und diese Nachricht kam!« Wie der leise, grelle Schmerzensschrei zerspringender Saiten klingt es über die wachsbleichen Lippen Gundulas, dann sinkt ihr Haupt wieder schwer vornüber, ein herzzerreißendes Weh zuckt über das Antlitz, sie krampft die Hände zusammen und ringt nach Atem wie eine Erstickende.

Tante Agathe hat eine belebende Essenz aus dem Nebenzimmer geholt und will Stirn und Schläfen der beklagenswerten Frau befeuchten, Gundula aber wehrt sie jäh ab und richtet sich gewaltsam auf.

Sie reicht dem Administrator die Hand. »Ich danke Ihnen, daß Sie selber kamen; ich danke Ihnen, daß Sie meinen Schmerz teilen. Bleiben Sie in meiner Nähe, es gibt wohl viel schwere, traurige Arbeit für uns. Jetzt kann ich noch keinen Gedanken fassen. Lassen Sie mich jetzt allein, auch du, Tante Agathe ... Der Tote will zum letztenmal mit mir reden.«

Ihre zitternde Hand faßt den Brief, sie winkt damit. »Geht!«

Einen Augenblick noch verharrt Gundula regungslos, preßt die Hand gegen die Stirn, als müßte sie gewaltsam ihre Gedanken zusammenraffen, und öffnet alsdann das Schreiben.

Ihre tränenlosen Augen starren wie geistesabwesend darauf nieder.

Die ersten Zeilen verschwimmen, sie faßt kaum ihren Sinn, dann schärft sich ihr Blick, sie liest, liest immer hastiger und schneller, das Blut stürmt wieder siedendheiß durch ihren Körper, eine fieberische Aufregung erfaßt sie nach der todesstarren Ruhe.

Ja, nun wird ihr alles klar.

Er schreibt: »Ich konnte es nicht mehr ertragen, Dir und dem Kind in die Augen zu sehen, denn mein Leichtsinn hat nicht nur mich, sondern auch Euch zu Bettlern gemacht! Ich habe nicht nur mein Eigentum, sondern auch das Deine vergeudet! Vergib es einem Sterbenden, einem Mann, der in dem letzten halben Jahr unaussprechlich gebüßt hat, der im Höllenbrand wilder Selbstanklagen selbst das heiligste und reinste Glück verspielte, das Glück, Vater zu sein! Ich habe einen Kampf der Verzweiflung gekämpft, um das Verlorene wiederzugewinnen. Morgen wage ich es und setze alles auf eine einzige Karte. Gewinne ich, bin ich gerettet – für Euch und für ein besseres, glückliches Leben; verliere ich abermals, gibt es kein Wiedersehn mit Euch; ich habe gesühnt, wenn Du diesen Brief in Händen hältst, geliebtes Weib! Wirst du meiner in mildem Erbarmen gedenken, Gundula? Ich war nicht schlecht, aber eine schlechte, treulose und gewissenlose Welt hat mich leichtsinnig gemacht. Bewahre unseren Sohn vor ihrem Gifthauch! Erziehe einen besseren Mann aus ihm, als sein unglücklicher Vater es war; mach ihn zu einem echten und wahren Hohen-Esp!«

Die Leserin ließ den Brief sinken, sie krampfte aufstöhnend die Hände zusammen. Ja, die Welt! Die Welt, die verführerische Welt mit ihren Spielsälen und Hasardkarten hat aus dem Grafen von Hohen-Esp einen erbärmlichen Schwächling gemacht, der den Ruin über seine Familie heraufbeschworen hat und dann feige zu dem Revolver greift, um den Folgen seiner Schuld zu entgehen. Das tat Friedrich Carl, der Mann, zu dem sie einst emporgesehen hatte wie zu einem Gott.

Oh, wie leicht ist die Waffe gehoben, jene eine, flüchtige Sekunde überwunden, die durch einen Druck des Fingers allem Elend ein Ziel setzt – und wie schwer, wie bitter schwer ist es, durch lange, mühselige Jahre die Last der Armut zu schleppen, sich und ein Kind ernähren zu müssen.

Hat Friedrich Carl denn gar nicht daran gedacht, was aus seinem Weib und Kind werden soll, wenn er sie verläßt wie ein Feigling? Und wenn er sein Geld und Gut vertan hatte, blieben ihm nicht noch seine kraftvollen Hände, durch deren Arbeit er die Seinen ernähren konnte?

O nein! Was hätte die Welt dazu gesagt, wenn ein Graf von Hohen-Esp gearbeitet hätte! Hat nicht die Welt selber ihm den falschen Begriff von Ehre eingeimpft, einer Ehre, die befleckt wird durch Schwielen in der Hand? Friedrich Carl ist in der großen Welt aufgewachsen, er ist gesäugt worden mit ihren Ansichten über Stand und standesgemäßes Leben, über all die haltlosen Verschrobenheiten, die dem vornehmen Mann zum Gesetz gemacht sind. Die Welt hat ihm ihre Ansichten, ihre Passionen und ihre Laster eingeimpft, und er ist ihr Opfer geworden!

Eine unsägliche Bitterkeit quillt im Herzen der verlassenen Frau auf, und gleichzeitig bäumt sich ein wilder, ungestümer Trotz in ihr empor, den Posten, den der pflichtvergessene Gatte so treulos verlassen hatte, nun selber einzunehmen und den Kampf für die Existenz ihres Kindes zu wagen.

Der Bär hat seine Brut feig im Stich gelassen, die Bärin aber wird einstehen für ihr Junges und wird nicht Rast noch Ruhe kennen, bis sie ihm die sichere Höhle gebaut hat.

Gundula faltet den Brief zusammen, erhebt sich und tritt festen Schrittes an ihren Schreibtisch, den Brief zu verschließen. Ihr blasses Gesicht blickt fast unheimlich in kalter Ruhe.

Es ist alles zu furchtbar jäh, zu unvermittelt gekommen. Jene Nachricht aus Monte Carlo ist wie ein scharfer Schnitt, der die Vergangenheit von ihr losgelöst hat.

Ihr Stolz, ihr strenges Rechtlichkeitsgefühl bluten zunächst noch aus tieferen Wunden als ihr Herz. Das leise Wehklagen, Schluchzen, Flüstern und Raunen verstummt in der Burg, als die Gräfin von Hohen-Esp ihr Zimmer verläßt, als sie so starr und still wie ein steinernes Bild durch die hohen Hallen schreitet.

Sie nimmt ihr Kind in den Arm und blickt lange, lange auf das lächelnde, rosige Gesicht nieder.

Sie spricht mit niemand ein überflüssiges Wort, nur mit dem Administrator sitzt sie während des langen Abends beisammen und ordnet voll geschäftsmäßiger Ruhe alles, was in solch schwerer Zeit zu besorgen und zu bedenken ist. »Wenn der Graf beerdigt ist, wollen wir unsere Verhältnisse arrangieren, Herr Werner. Ich bitte Sie, mir als Freund und Berater beizustehen, ich habe niemand auf der Welt als Sie!«

»Gott helfe mir, daß ich Sie gut berate, Frau Gräfin«, antwortete der alte Mann mit festem Händedruck. »Ach, hätte doch der Herr Graf auf meinen Rat gehört, wir hätten diesen furchtbaren Tag nie erlebt.«

Tante Agathe sitzt neben der Herrin von Hohen-Esp und hält ihre Hand zwischen den ihren. »Die Güter können nicht gehalten werden, du mußt alles verkaufen?«

Gundula beißt die Zähne zusammen. »Von Walsleben und Gottern trenne ich mich nicht schwer, aber Hohen-Esp ist ein Stück von meinem Herzen, das kann ich nicht opfern, ich werde und muß es halten. Ich habe gelobt, meine volle Kraft einzusetzen, um den ältesten Familiensitz für meinen Sohn zu retten.«

»Das ist selbstverständlich. Du zahlst die Schulden mit deinem Vermögen ab und versuchst das Gut neu emporzuwirtschaften.«

»Mit meinem Vermögen?«

»Ja, dein Erbe von Tante Margarete. Weißt du nun, warum du mir einst geloben mußtest, dasselbe vor Friedrich Carl nie zu erwähnen?«

Gundula schrickt beinah empor. »Jenes Erbe? Du hast den Nießbrauch davon!«

Agathe lächelt seltsam. »Ich habe es für dich verwaltet und erhalten, sonst nichts.«

Rote Flecken treten auf die blassen Wangen Gundulas. »Tante Agathe«, sagt sie mit zitternder Stimme, »wolltest du mir wahrlich dies Kapital vorstrecken, damit ich keine Hilfe bei dem Herzog oder einem Geldvermittler zu suchen brauche?«

»Dazu – lediglich dazu hielt ich das Geld für dich bereit.«

Ein tiefer Atemzug hebt Gundulas Brust. »Ich habe nie an dieses Geld mehr gedacht oder gar damit gerechnet, weil ich es bis zu deinem Tod als dein Eigentum betrachtete, aber jetzt, wenn du es mir nicht geben, sondern nur leihen wolltest, Tante Agathe, wäre alles gut. Ich könnte die Saat säen, und Gott der Herr wird mir eine Ernte bescheren!« –

Schloß Walsleben und die Herrschaft Gottern wurden verkauft, die Burg Hohen-Esp mit dem kleinen Landbesitz und den Waldungen blieb nach Abtrag aller Schulden im Besitz der Gräfin. Herr Werner hatte voll treuen Eifers die Interessen der verwitweten Frau gewahrt, die zerrütteten Verhältnisse geordnet und mit Hilfe des von Tante Agathe so sicher gehüteten Kapitals dem jungen Bären von Hohen-Esp eine bescheidene und weltferne Heimat erhalten. Er sorgte noch für einen sehr zuverlässigen und intelligenten Inspektor, der unter dem Oberbefehl der Gräfin das Gut bewirtschaften sollte, dieweil er selber voll unermüdlichen Fleißes tätig war, Gundula in finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zu ihrem eigenen Sachwalter auszubilden.

Die Gräfin faßte mit scharfem Verstand schnell auf und zeigte eine große Ausdauer und einen schier männlichen Schaffensdrang. Es währte nicht lange, so leiteten ihre energischen Hände die Verwaltung des Besitzes, so war sie selber voll eiserner Ausdauer bei Tag und Nacht, Wind und Wetter zur Stelle, um durch rastlosen Eifer und voll sauern Fleißes in Jahren wieder einzubringen, was Friedrich Carl während ein paar flüchtiger Nachtstunden vergeudet hatte.


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