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II.

Der Graf von Hohen-Esp und seine junge, liebreizende Frau galten für das glücklichste Paar im Land. Nicht deshalb, weil Pracht und Glanz sie umgaben, weil Sorge und Kummer unbekannte Gäste in ihrem Haus waren, weil sie alles besaßen, was dem Herzen Freude und dem Leben Reiz verleiht, sondern weil sie einander aus heißer, inniger Liebe geheiratet hatten. Auf Gundulas Wunsch hatte das junge Paar die Flitterwochen auf Burg Hohen-Esp verlebt, und ein paar Damen und Herren der Gesellschaft, die, auf weiterer Fahrt durch das Land begriffen, für etliche Stunden in dem wunderlichen alten Strandschloß Rast gehalten hatten, konnten gar nicht genug erzählen, wie wahrhaft verklärt in unaussprechlicher Glückseligkeit die junge Gräfin dreingeblickt habe. Ihr sei die Stille und Einsamkeit dieses Aufenthalts sichtlich sehr sympathisch, während der lebenslustige Gatte wohl nur aus Galanterie und im Rausch des Honigmonats in diesem freiwilligen Exil aushalte.

Selbstredend werde das junge Paar den Winter in der Residenz verleben. Graf Friedrich Carl habe das heilig gelobt und sehr vergnügt dabei ausgesehen, auch Gundula habe sehr liebenswürdig gelächelt, aber doch heimlich geseufzt.

Währenddessen träumte das junge Paar eine zauberhafte Spätsommeridylle auf Hohen-Esp, der einsamen, uralten Burg, die sich auf bewaldeter Bergkuppe am Ufer der Ostsee erhebt und weithin über die blauwogende Unendlichkeit schaut. Sie gehört zu dem ältesten Grundbesitz der Familie, ein düsteres, altes Gemäuer, ein Krähenhorst, den die kokette Laune ehemaliger Bewohner gar eigenartig ausstaffiert hatte. Die Bärenburg gleicht in Wahrheit der Höhle eines Bären, denn die plumpen, massigen Mauern, der graue, stumpfe Turm sind im Inneren und Äußeren mit lauter Dingen ausgestattet, die an den Bären und seine wehrhaften Pranken erinnern.

Gundula war im ersten Augenblick erschrocken, als ihr die beiden riesenhaften Bären, die am Eingang des Burgtores Wache halten, aus grimmig offenen Rachen die Zähne entgegenfletschten, als ihr überall auf Schritt und Tritt in der ganzen Burg, wohin sie nur blickte, Bären in allen Größen und Arten entgegenschauten, als jedes Möbel oder jedes Gewebe ihr in Schnitzerei oder Muster das nämliche Motiv zeigten – Bären! Bären überall! Bald aber gefiel ihr diese absonderliche Eigenart, und je mehr sie sich in die Traditionen der Familie und den Gedanken hineinlebte, daß sie nun selber eine Bärin von Hohen-Esp geworden, eine jener seelen- und nervenstarken, stolzen, gewaltigen Frauen, welche seit vielen Jahrhunderten hier gehaust, wahrhafte Herrinnen der alten Zwingburg zu sein, da schlug ihr Herz hoch auf im stolzen Selbstbewußtsein, und beinahe zärtlich haftete ihr Blick auf den braunzottigen Gesellen, welche in dieser verzauberten alten Herrlichkeit die neue Gebieterin auf Schritt und Tritt begrüßten.

»Ich begreife eigentlich deinen Geschmack nicht, Herzlieb«, lachte Friedrich Carl, als sie eines Abends auf der Zinne des Turmes standen, um weit hinab über die Wipfel des Buchenwaldes auf das ferne, blaue Meer zu schauen, in das der glühende Sonnenball langsam, durch violette Dunstschleier tauchend, niedersank. »Ich begreife dich nicht, daß es dir hier in der entsetzlichsten aller vermoderten und verräucherten Bärenhöhlen so gut gefällt. So schön, wie Hohen-Esp seinerzeit als Sitz der Ersten unseres Geschlechts gewesen sein mag, so völlig überlebt hat sich sein mystischer Zauber in unserer heutigen Zeit voll Komfort, Eleganz und Leichtlebigkeit. Ich hatte im stillen eigentlich gehofft, Gundula, du würdest beim Anblick all der grausigen Untiere, die einen schier zudringlich hier auf Schritt und Tritt verfolgen, schleunigst Reißaus nehmen. Was zuviel ist, ist zuviel! Unsere Altvorderen sind mir mit diesem Bärenkultus schließlich langweilig geworden.«

Beinahe erschrocken sah die Gräfin den Sprecher an. »Langweilig? Und das sagst du, Friedrich Carl, der Nachkomme dieses herrlichen Geschlechts, für den jeder Zoll dieses Grund und Bodens heilig sein sollte? Sieh, ich trage erst seit wenigen Wochen den Namen Hohen-Esp – und doch ist es mir, als sei mein Herz und Sinn schon ganz und gar verwoben mit ihm. Ich kann nicht satt werden, durch Räume zu schreiten, wo ringsum die Andenken von Vätern und Ahnherren sprechen, wo alles davon zeugt, was sie einst waren und was wir Glückseligen jetzt sind, wo uns ihr Geist umweht und ihre Namen zu uns sprechen! O du lieber Mann, ich habe zuvor nie darüber nachgedacht, wie schön es wohl sein müsse, die Mutter eines Sohnes zu sein; hier aber, in der Burg deiner Väter, da überkommt es mich wie eine heiße, ehrfurchtsvolle Sehnsucht, wie eine jauchzende Begeisterung bei dem Gedanken, daß ich berufen sein möchte, diesem alten, trotzigen Bärengeschlecht einen Erben zu schenken, es fortzupflanzen in einem Sohn, der dereinst so edel, so ritterlich sein wird wie alle jene heldenhaften Männer, die ehemals in diesen Räumen gehaust, die ihren Wahlspruch in die grauen Quadersteine gemeißelt, ihn hoch auf ihr Banner geschrieben haben und in seinem Sinn lebten und starben.

›Christe Kyrie ...
Zu Land und See,
Schirmherr der Not –
Das walt' Herre Gott!‹«

Mit entzücktem, staunendem Blick sah Graf Hohen-Esp auf die Sprecherin. Wuchs sie tatsächlich neben ihm empor, oder täuschte ihn sein Auge, daß er ihre schlanke Gestalt plötzlich so hoch und stolz neben sich sah? Und dieses schöne, begeisterte Angesicht, diese leuchtenden Augen ... Gehörten sie wahrlich seiner ernsten, träumerisch stillen Gundula?

Fester schlang er den Arm um sie, heißer noch küßte er ihre Lippen.

»Schade, daß mein guter Vater dich nicht sprechen hören kann, du wärest wahrlich eine Schwiegertochter nach seinem Herzen! Ja, der alte Herr war in der Tat noch der alte Schirmvogt der Not und Schwachheit, wie ihn der alte Wappenspruch verlangt, er hat viel Gutes getan, und wenn auch nicht mit gewappnetem Arm gegen die Seeräuber hier von dem Bärenhorst aus, so doch als moderner Mann im Reichstag und von der Ministerkanzel aus; du weißt, wie man sein Andenken in Ehren hält. Ja, ein moderner Mann! Hohen-Esp bewohnte er selten, fast nie; es lag ihm zu abgelegen. Da hatte er sich Schloß Walsleben für den Sommeraufenthalt zurechtmachen lassen, auch ein von den Vätern ererbter ›heiliger‹ Boden, aber doch etwas behaglicher und komfortabler als hier die alte Bärenhöhle. Und siehst du, Herzlieb, diesem hübschen Besitz möchte ich mein wonniges Weib auch einmal zuführen. Wir waren nun drei Wochen hier, die Walslebener dürfen doch nicht eifersüchtig werden!«

Wie innig er sie an sein Herz drückte, wie schmeichelnd seine Stimme klang, wie unwiderstehlich der strahlende frohe und heitere Blick seiner Augen, die in letzter Zeit oftmals recht müde und gelangweilt in die Waldeinsamkeit hinausgeschaut hatten.

Ein Gefühl tiefer Wehmut beschlich Gundulas Herz, wenn sie ans Scheiden dachte, wie unaussprechlich glücklich war sie hier gewesen! Wie redete jedes Zimmer, jedes Plätzchen im Park von einer Zeit berauschend seliger junger Liebe! Nie und nimmer würde sie sich in Hohen-Esp langweilen, und müßte sie ihr ganzes Leben hier zubringen!

Aber was galten ihr die eigenen Wünsche, wenn Friedrich Carl andere Pläne hegte? Ein einziger Blick in sein lachendes Gesicht, ein Kuß von seinem Mund, und die Bärin war wieder die willenlose Taube, die mit demütigem Lächeln nickt. »So bring mich nach Walsleben, Liebster! Die Welt ist ja überall schön, wo du bist!«

»Gut, sagen wir vierzehn Tage noch nach Walsleben! Das genügt, daß du dein neues Heim, die Umgegend und Menschen kennenlernst, und dann ... dann machen wir doch noch unsere Hochzeitsreise, Liebchen?«

»Hochzeitsreise? Ich glaubte, die machten wir schon jetzt!«

»Hierher nach Hohen-Esp?« Er lachte beinah übermütig. »Nein, meine kleine Schirmvogtin, diese Extratour war nur ein Beweis meines unbedingten Gehorsams! Du wünschtest, die Bärenburg kennenzulernen, und ich war Wachs in deinen Händchen, wie ich stets im Leben sein werde. Nun aber kommt die Belohnung für diesen Separatarrest, obwohl derselbe so süß und wonnig war, daß er seinen Lohn schon reichlich in sich selber trug! Aber wir Menschen sind nun mal unbescheiden und nimmersatte Kreaturen. Auf das schöne Exil in Hohen-Esp folgt ein noch schöneres in Walsleben, und wie man nach der süßen Speise noch Konfekt und Früchte verlangt, so lassen wir uns noch eine kleine Spritztour gen Nizza, San Remo, Monte Carlo usw. servieren.«

»Alles, was du willst! Die Zwingherrin ist ihrem Herzliebsten gegenüber Sklavin!«

In Walsleben fand Gundula alles, was wohl sonst jedes Frauenherz entzückt und hoch befriedigt hätte: gediegene Eleganz, Behaglichkeit und die Erfüllung eines jeden, selbst des anspruchsvollsten Wunsches. Es würde die junge Frau auch beglückt haben, wenn sie mehr Wert auf äußeren Glanz gelegt und Sinn für all die vielen hübschen Nichtigkeiten gehabt hätte, mit denen sich das moderne Wohlleben ausstattet und die einer Reihe von müßigen Tagen einen scheinbaren Inhalt verleihen.

Gundula hatte aber seit jeher wenig Passion für Geselligkeit und alles, was mit derselben zusammenhing. Die reinste Freude, die sie empfinden konnte, war die an einer schönen Natur mit all dem stillen Zauber und den unerforschlichen Wundern, die ihrem Schöpfer Preis und Ehre geben.

Das Walslebener Schloß mit seinem eleganten Leben und Treiben entsprach nicht ihrem Geschmack. Dennoch verriet nicht das kleinste Wort, nicht der leiseste Seufzer, wie ungern sie hier weilte. Sie sah es ja dem glücklichen Gesicht ihres Mannes an, daß er sich außerordentlich wohlfühlte, und was hätte der selbstlosen und anspruchslosen Seele Gundulas mehr Befriedigung geben können, als den Geliebten froh und zufrieden zu sehen?

Man fuhr schon am zweiten Tag, als die junge Herrin kaum den eigenen fürstlichen Besitz in Augenschein genommen hatte, in die Nachbarschaft, um Besuche abzustatten. Da man nur so kurzbemessene Zeit in Walsleben weilte, drängten sich die Einladungen; man besuchte Feste und sah wiederum Gäste bei sich, und Gundula empfand es bei all ihrem Widerwillen gegen eine derartige Vergnügungshetze doch mit unendlicher Wonne, daß Friedrich Carl eine stolze Genugtuung darin fand, der Welt sein junges Weib zu zeigen, daß er sich beneidenswert und glücklich in ihrem Besitz fühlte. Zwischen all dem Trubel fanden sich doch noch schöne, stille Stunden, in denen der Geliebte ihr allein gehörte, in denen er sich ihr voll zärtlicher Ritterlichkeit auch ausschließlich widmete. Dafür dankte sie ihm durch eine stets liebenswürdige Bereitwilligkeit, ihm hinaus in das laute, bunte Leben zu folgen, und als die für Walsleben festgesetzte Zeit abgelaufen war und der junge Graf voll ungeduldiger Sehnsucht nach neuen Zerstreuungen verlangte, da gab sie gern Befehl, die Koffer zu packen.

Welch ein ruheloses Hin und Her, Kreuz und Quer durch die Welt! Dann kam Monte Carlo!

Anfänglich hatte Gundula gar nicht geahnt, welch ein Höllenabgrund in diesem Paradies gähnte. Sie sah voll naiver Verständnislosigkeit dem Spiel zu, bis es ihr allmählich klarwurde, was dasselbe eigentlich bedeuten wollte. Da erschrak sie zum erstenmal bis in das tiefste Herz hinein. Sie stand hinter ihrem Gatten und sah, wie die Glut fieberischer Erregung immer dunkler und heißer in sein schönes Antlitz stieg, wie die Banknoten in seiner Brieftasche mehr und mehr zusammenschmolzen.

»Herzlieber«, flüsterte sie in sein Ohr, »laß uns gehen! Ich sterbe vor Müdigkeit.«

Er sprang sofort auf, raffte noch ein paar Goldstücke zusammen und bot ihr den Arm.

»Vergib mir, Darling! Es ist in der Tat sehr spät geworden. Aber im Eifer des Spiels ... ich habe gar nicht daran gedacht, daß du in letzter Zeit immer so spät ins Bett gekommen bist.«

Am folgenden Tag verspielte er noch eine weit größere Summe.

»Ich muß an meinen Bankier telegrafieren«, sagte er, »unser Reisegeld ist auch schon futsch!«

Da faßte sie flehend seine Hände, und ihre blauen Augen schauten voll Angst in sein schönes, sorgloses Antlitz.

»Friedrich Carl«, flüsterte sie, »ach, laß uns fort von hier!«

Er lachte hell auf und küßte sie. »Ich glaube, du hast Angst, daß ich uns hier bankrottspiele«, scherzte er. »Unbesorgt, du liebes Närrchen! Die paar tausend Franken reißen noch kein Loch in unseren Geldbeutel, und einmal muß ich doch auch wieder gewinnen!«

Er gewann aber nicht, sondern verlor auch in den nächsten Tagen unaufhörlich. Die namhafte Summe, die ihm sein Bankier angewiesen hatte, schmolz dahin wie der Schnee im Sonnenschein. Der junge Graf lachte noch immer, aber es war ein etwas gewaltsames und nervöses Lachen.

»Friedrich Carl, laß uns fort von hier«, flehte Gundula abermals, und diesmal rollten ein paar große Tränen über ihre Wangen und netzten seine Hand. Er zuckte zusammen.

»Wenn du befiehlst, sofort, mein Liebling! O du glaubst doch nicht etwa, der Spielteufel habe mehr Gewalt über mich als dieser süße Engel, den ich mir selbst zum Wächter meines Glückes gesetzt habe?«

Er schellte seinem Kammerdiener und teilte ihm mit, daß mit dem Kurierzug am nächsten Vormittag weitergereist werden soll. So unbeschreiblich glücklich wie in dieser Stunde war Gundula nie wieder.

*

Die nächstfolgenden Jahre verlebte das junge Paar in Saus und Braus in der heimatlichen Residenz. Graf Hohen-Esp machte ein glänzendes Haus, und da er nie im Leben gefragt hatte: »Kann ich mir dies oder jenes gestatten«, so fragte er auch jetzt nicht danach, sondern war sehr erstaunt, als ihm sein Administrator eines Tages eröffnete, er sei nicht in der Lage, noch mehr Gelder zu zahlen, da die zuständigen Revenuen bereits an die Adresse des Herrn Grafen abgeführt seien.

»Was? Ei zum Teufel! Wir haben ja das neue Quartal kaum angefangen!«

»Herr Graf vergessen, daß das Kapital sehr abgenommen hat; die Summen, die nach Monte Carlo geschickt wurden, die Ehrenschuld, die an Herrn von X., und diejenige, welche nach Wiesbaden abgesandt wurde ...«

»Donnerwetter! Ist das so ins Geld gelaufen?« wunderte sich der junge Mann sehr gelassen. »Das ist ja fatal. Aber ich muß doch momentan was haben! Vom nächsten Quartal an können wir ja manches sparsamer einrichten. Aber gerade jetzt muß ich so mancherlei berappen. Was fangen wir da an?«

Der Beamte zuckte etwas besorgt die Schultern.

»Können Sie keinen Wald schlagen lassen?«

»Da ist in den letzten Jahren schon so viel rasiert worden, Herr Graf, daß da nichts mehr weg darf! Höchstens die Buchenwaldung um Hohen-Esp herum. Da sind starke Stämme, die würden einen guten Ertrag geben.«

Friedrich Carl grub die schlanke Hand in sein lockiges Haar. »Meine Frau hat eine Leidenschaft für das alte Bärennest und den schönen Hochwald. Sie will jeden Sommer ein paar Wochen da zubringen. Also ganz herunter darf das Holz nicht!«

Ein Jahr verging, und im Haus des Grafen von Hohen-Esp klangen nach wie vor die Flöten und Geigen, klimperten fernab im Zimmer des Hausherrn die Goldstücke auf dem Spieltisch. Friedrich Carl amüsierte sich, reiste, rauchte, spielte und war nach wie vor ein aufmerksamer und ritterlicher Gatte, wenngleich die immer blasser werdenden Wangen und der müde, resignierte Ausdruck im Gesicht seiner Frau immer deutlicher hervortraten.

Gundulas Vater war sehr unerwartet an einem Herzschlag gestorben, und während des Trauerjahres, in dem man doch nicht gut die Saison mitmachen konnte, unternahm Graf Hohen-Esp in Begleitung seiner Gemahlin eine Reise um die Welt.

»Du hast ja jetzt ein recht nettes Kapital geerbt, Liebchen«, sagte Friedrich Carl in seiner leichten, fröhlichen Art, »da könntest du mir eigentlich einen Gefallen tun. Es ist momentan schwer für mich, Geld flüssig zu machen; du weißt, daß das bei Grundbesitz immer seinen Haken hat. Darum wäre es mir sehr lieb, du rücktest ein bißchen von deinem Mammon heraus, um die Reisekosten zu decken. Ja? Willst du? Wärest auch die beste Frau der Welt!«

Er küßte ihre Wangen und Hände, und sie lächelte ihr stilles, müdes Lächeln, schmiegte sich an ihn und nickte. »Nimm, soviel du willst! Was soll ich mit dem Geld?« Und er nahm Geld, soviel er wollte, denn die Reisekosten waren nicht gering.

Ach, wie hatte Gundula gehofft, daß sie das Trauerjahr still und behaglich in der schönen Einsamkeit von Hohen-Esp verleben würden, endlich, endlich einmal wieder glücklich zu sein wie zu Anbeginn ihrer Ehe. Statt dessen hub wieder ein ruheloses Wandern an, ein stetes Zusammenleben mit fremden Menschen, deren Mittelpunkt der schöne, liebenswürdige Graf ja ständig war! Reiche Engländer und Amerikaner schlugen ein Spielchen vor; und um die Langeweile der endlosen Seefahrten zu lindern, spielte Friedrich Carl; manchmal mit Glück, meist mit recht erheblichen Verlusten. Und als man nach Jahr und Tag heimkam, teilte er seiner blassen Frau so en passant einmal mit, daß die Reiserei doch infam teuer gewesen sei und ein Heidengeld verschlungen habe. Das ererbte Kapital sei beinahe draufgegangen. Na, allzuviel war es ja nicht! Und da keine Kinder da sind, für die man zu sorgen hat, ist es ja gleichgültig, wo es bleibt! Gundula hatte ohne ein Wort still vor sich hingenickt.

Nein, es waren keine Kinder da, für die man hätte sparen und sorgen müssen. Was ihr Mann achselzuckend und mit lachendem Mund als eine ja wohl fatale, aber doch nicht zu ändernde Tatsache aussprach, das fraß ihr seit Jahren schon wie nagendes Todesweh am Herzen, das lastete auf ihr wie ein grausames Schicksal, wie eine Bürde, unter der sie freud- und trostlos daherschlich.

Ein Sohn! Ach, daß sie einen Sohn hätte! Wenn sie zurückdenkt an jene ersten traumseligen Wochen in Hohen-Esp, mit welch einer stolzen Glückseligkeit sie zu den gedunkelten Bildern an der Wand emporgeschaut und ihnen zugeflüstert hatte:, »Einen Sohn will ich euch einst zuführen, einen jungen Bären, furchtlos, brav und rechtschaffen, ein Schirmvogt der Schwachen, ein Retter der Gefährdeten, ein Edelmann in Tat und Wort, so wie ihr es gewesen seid!«

Wie glühte ihr damals das Herz in der Brust voll stolzer Begeisterung, wie träumte sie mit offenen Augen einen herrlichen, goldenen Traum! Weh ihr! Es ist nur ein Traum gewesen und geblieben! Kein Kind im Haus! Nur ein graues Gespenst schleicht darin herum, das klimpert mit Goldstücken und schlägt klatschend die Karten auf!


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