Paul Ernst
Prinzessin des Ostens
Paul Ernst

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Die Geschichte des Abul Hassan

Abul Hassan, der Bucklige, den sie auch den Armen nannten, hatte dem Märchenerzähler lange zugehört und ging in später Nachtstunde langsam und nachdenklich nach Hause, seinen übermäßig großen Schatten betrachtend, der senkrecht vor ihm wunderbar die langen Beine einzog und ausstreckte, denn der helle Mond stand gerade hinter seinem Buckel tief am Horizont. Er war sehr traurig über seine sonderliche Armut und bedachte allerhand Pläne, wie er solcher abhelfen wolle, nach der Gewohnheit der armen Leute sich in den wunderlichsten Hoffnungen spiegelnd, bis er endlich durch dieses Spiel in rechte Fröhlichkeit versetzt wurde und ein warmes Glücksgefühl empfand, als er sein weißes Häuschen erblickte, welches im Mondschein silbern glänzte; denn die Nacht war auch schweigend und düftereich, und so recht einladend zu märchenhaften Gaukeleien des Verstandes.

Leise öffnete er die Türe, um seine Mutter nicht zu erwecken, denn die Hütte hatte nur einen Raum innen, der gänzlich kahl war und von jedem Gerät entblößt, außer daß in zwei Winkeln etliche alte Lumpen lagen zur Nachtruhe für ihn und seine Mutter. Behutsam legte er sich nieder und zog die Decke über den Körper, und dann betrachtete er lange einen Mondstrahl, welcher durch eine Öffnung der Wand schräg auf den Boden fiel. Darüber erwachte die Mutter und richtete sich vom Lager auf, indem sie heftig auf ihn schalt als den ärgsten Nichtsnutz in Kahirah, der keine Lust habe, zu arbeiten und lieber selbst hungere und seine alte Mutter hungern lasse, statt seinem Berufe nachzugehen und das Netz im Fluß auszuwerfen, wodurch ein gelernter Fischer, wenn er auch einen Buckel habe, nicht nur sich und seine Mutter ernähren könne, sondern es sei auch möglich, daß er mit dem Netze einen großen, in der Vorzeit versenkten Schatz vom Boden des Stromes heraufziehe.

Als Abul Hassan diese Scheltworte gehört hatte, wurde er verdrossen, denn seine Mutter wußte wohl, daß sie selbst das Netz um ein Geringes verkauft, um sich zu betrinken. Stand also auf, trat aus dem Hause und ging durch die mondbeschienenen Straßen.

Vor dem geöffneten Tore einer Herberge blieb er stehen und blickte auf den Hof, wo mit großem Lärm eine Karawane ausgerüstet wurde. Ein alter hochgewachsener Mann mit langem, weißem Barte stellte sich neben ihn und fragte, ob er als sein Diener mit nach Mekka reisen wolle, denn nach dort ging die Karawane; und weil Abul Hassan eine große Bosheit über das Schelten seiner Mutter im Herzen hatte, denn er ärgerte sich besonders, wenn man von seinem Buckel sprach, so sagte er zu und half auch gleich mit, die auf der Erde hingestreckten Kamele zu beladen, er machte dabei sehr edle Bewegungen. Als ein Mann, welcher der Arbeit nicht besonders gewohnt war, kam er dabei in ziemlichen Schweiß, jedoch die Bosheit trieb ihn zur Anstrengung. Es waren aber wohl ein halbes hundert Tiere, welche bepackt wurden mit großen eisenbeschlagenen Kisten und geschnürten Ballen und Säcken, auch Stangen und Decken für Zelte des Nachts, und einer verhängten Sänfte, in welche die beiden Töchter des Herrn einsteigen sollten. Diese Sänfte war sehr reich mit Gold und Purpur verziert. Als nach harter Arbeit alles beendet war und die anderen Kamele bereits geduldig aufgerichtet standen und nur das Tier mit der Sänfte noch kniete, welches schneeweiße Haare hatte, erscholl ein Ruf, daß die Diener sich in den Staub werfen und zur Erde blicken mußten, denn die beiden Frauen stiegen ein; Abul Hassan ärgerte sich recht über diesen Hochmut. Darauf standen alle wieder auf, ein jeder ging an seine Stelle, und die Kamele schritten, eins hinter dem andern, in einer langen Reihe aus dem Tore und machten sich auf die Straße nach Mekka; und als sie vor der Stadt waren, sendete die eben sich am Saume der Erde erhebende Sonne ihre ersten Strahlen in die Höhe des Himmels, und eine Lerche fuhr jubelnd in die Höhe, dem Endpunkt dieses Glanzes entgegen.

So machte nun die Karawane den Weg mit ihrer passenden Geschwindigkeit. Die Sonne stieg höher und es kam eine große Hitze, und es wurde gerastet, und am Saum der Wüste tauchten Wesen auf, verschwanden auch wieder, und die Sonne sank, und es wurde Speise zubereitet und gegessen und getrunken und geschlafen, und dann standen die Leute wieder auf und beluden die Tiere wieder, und die Reihe der Kamele tappte wieder weiter in ihrer Linie, und die Sonne sendete wieder ihre ersten Strahlen an die Mitte des Himmels über ihnen, und stieg wieder höher, und sie rasteten, und so folgte sich das gewöhnliche Tagewerk von neuem. Abul Hassan saß auf einem flinken und stolzen Roß, welches tänzelte unter ihm, und blitzende Waffen trug er, über die er sich immer freute. Er wußte gar nicht recht mehr, wie es gekommen war, daß er ritt und Waffen trug. Weil er aber gern erfahren wollte, wie lange sie unterwegs sein würden, so steckte er jeden Abend ein Steinchen in seine Tasche. Nach einer Zeit freilich hatte er zwar viele Steinchen bei sich, aber er wußte doch nicht, wie lange sie schon gereist waren, denn er konnte nicht so weit zählen, wie er Steinchen hatte; über welches eine der Frauen in der verhängten Sänfte eines Abends lachte, daß er es hörte, denn sie mochte ihn beobachtet haben, wie er die Steinchen verlegen aus einer Hand in die andere schüttete. Ganz gleichmäßig war immer der Weg durch die Wüste, außer, wenn sie an einen Brunnen kamen, an welchem Palmen standen; oft wohnten auch Leute da in Hütten. Solche Brunnen waren wohl zehn gewesen, vielleicht aber auch mehr, fünfzig oder hundert. Am Ende hatte er wohl an zwei Pfund Steinchen bei sich. Da schüttelte er sie an einem Mittag alle aus und sammelte keine neuen mehr. Deshalb wußte er gar nicht, wie viel Tage oder Wochen vergangen waren, da langten sie endlich am Grabe des Propheten an.

Nun ging er in die Vorhalle des Heiligtums und bewunderte die kunstvollen Teppiche, die dort aufgehängt waren, und es tat ihm seine Unwissenheit leid, daß er die weisen und schönen Sprüche nicht lesen konnte, welche in Goldbuchstaben an den Wänden angeschrieben standen. Da trippelten die spangenklirrenden Füßchen eines Mädchens hinter ihm und Seide rauschte, wie sie nur rauscht, wenn ein junges Mädchen sich bewegt, und er wußte wohl, daß seines Herrn Tochter an ihm vorbeiging, da neigte er sich in Ehrerbietung, aber er fühlte, wie ihres Ganges Anmut und das Schaukeln ihrer Hüften und der Blitz ihrer dunkeln Augen ihm sein Herz zu Liebe bewegt hatten, so daß er eine tiefe und grenzenlose Sehnsucht empfand, und es ihm war, als möchte er weinen. So ging er traurig davon in die Einsamkeit der mit dürren Gräschen bewachsenen Wüste und dachte an viele Gedichte, welche er auswendig wußte.

Wie er am Abend aber in das Lager zurückkehrte, rief ihn sein Herr in sein Zelt und sagte ihm, er habe Wohlgefallen gefunden an seiner Art und wolle ihm eine seiner Töchter zum Weibe geben, weil er nur diese zwei Kinder habe; und er dürfe ihm nichts zahlen, sondern er selber wolle ihm noch zweitausend Dinare schenken, mit welchen er eine Kaufmannschaft anfangen solle; aber er müsse ihm versprechen, daß er kein zweites Weib neben seiner Tochter haben wolle und auch keine Sklavin. Dieses versprach Abul Hassan nach einigem Bedenken. Da wurde nun eine prächtige Hochzeit gefeiert mit vielen vornehmen und reichen Gästen, und Abul Hassan saß oben an der Tafel, und alle verwunderten sich über den Anstand und die Sittsamkeit seines Betragens und über seine scharfsinnigen und schönverzierten Reden. Am Ende erhob er sich von seinem Sitz, machte den Gästen eine feine und höfliche Verbeugung und ging in das Zimmer, wo das Hochzeitslager bereitet war. Hier führte ihm eine bejahrte Sklavin seine Gemahlin zu, welche zwar mit sieben Schleiern verhüllt war, doch ihre Anmut und schöner Körper strahlten durch alle Verhüllungen hindurch, weil sie wunderbar liebliche Bewegungen hatte, denen das zarte Gewand mit schön sich senkenden Falten folgte. Als aber die Sklavin ihr Gesicht enthüllte, da schien es ihm, als trete der Mond hervor hinter einer silbernen Wolke, und alle nächtlichen Blumen duften, und die Nachtigall beginnt zu singen, und es wurde ihm sehnsüchtig. Deshalb staunte er sie erst eine Weile an, ohne zu sprechen, indes ihre Wangen und entblößten Hals ein zartes Rot überzog bis in den Nacken; und als er zur Überlegung zurückgekommen war, trug er einen Vers eines alten Dichters vor, in welchem die Herrlichkeit der Werke Gottes gerühmt wird. Und solches Glück empfand er bei sich, daß er meinte, er müsse träumen.

Aber am anderen Morgen begann er ein langes und sorgsames Bedenken, welches Geschäft er beginnen solle mit den zweitausend Dinaren, die ihm sein großmütiger Schwiegervater geschenkt hatte; und am besten erschien ihm folgender Plan.

Er hatte bemerkt, daß nahe bei der Stadt große und schöne Weideplätze waren, welche gar nicht benutzt wurden, da die Leute, welche Mekka bewohnen, wenig Vieh halten, denn die Wartung der Tiere erscheint ihnen zu mühsam und sie verdienen ein leichtes Brot, indem sie die Fremden bei sich aufnehmen um Geld. Nun berechnete er, daß man ein Schaf kaufen kann für zwei Dinare, und daß er deshalb für sein Geld tausend Schafe bekommen müsse. Diese sollten vor der Stadt auf die Weide gehen; nach einem Jahr aber, wenn sie Junge hätten, wären ihrer noch einmal so viel geworden, nämlich zweitausend, ohngerechnet die Zwillinge. Diese wollte er dann verkaufen, und so hätte er in kurzer Zeit sein Geld verdoppelt. Dann würde er zu seinem Schwiegervater gehen und ihm erzählen, welchen großen Gewinn er gemacht, darüber würde dieser in Erstaunen geraten, und aus Freude ihm noch mehr Geld geben. Dann würde er aber nicht mehr zufrieden sein mit so geringem Vorteil, sondern er wollte eine Karawane zusammenbringen und mit Waren ausrüsten, die in Mekka zwar sehr billig, in fernen Ländern aber sehr teuer sind; und dann wollte er in ferne Länder ziehen und da für ein Stück, das ihn hier einen Dinar kostete, hundert Dinare bekommen, und so mit allen seinen Waren; und wenn er alles verkauft hatte, so hätte er so viel mal hundert Dinare, wie er vorher einzelne gehabt hatte. Für diese kaufte er dann in den fremden Ländern wieder Waren, die dort billig und hier teuer sind und kehrte so nach Mekka zurück und verkaufte wieder alles. Dann hätte er so viel Geld, daß er nicht mehr Kaufmann zu sein brauchte, sondern er würde ein großes Heer anwerben, indem er jedem Krieger reichen Sold gäbe, und mit diesen zöge er nach Ägypten und eroberte das ganze Land und machte sich zum König, und dann müßten ihm seine Untertanen jeden Tag so viel Geld geben, wie er wollte, und er wollte einen sehr großen und festen Turm aus den härtesten Steinen bauen lassen, in welchem er das Geld aufhöbe; alle aber, die ihn früher geschimpft über seinen Buckel, ließ er hinrichten.

Nachdem er dieses alles reiflich überlegt hatte, nahm er die Beutel mit den zweitausend Dinaren in die Hand, machte sich auf den Weg und ging durch die Straßen von Mekka, und rief mit lauter Stimme aus, daß er Schafe kaufen wolle für zwei Dinare das Stück, schritt dann vorauf zu dem Weideplatz, und die Leute folgten ihm, welche Schafe hatten, und so bekam er bald eine Herde von tausend Stück zusammen. Diese große Herde weidete nun dort, und er sah den ganzen Tag mit hohem Vergnügen zu, wie die Tierchen fleißig und sauber die Gräslein abbissen mit ihren Zähnen. Als die Sonne aber zur Neige ging und die Schäflein sich satt gegessen hatten, trieb er sie in ein altes, großes und halb verfallenes Gebäude, welches dort war, verstellte den Zugang durch ein Gitter, und ging nach Hause, seiner jungen Frau zu erzählen, was er getan. Es schweiften aber in dieser Gegend des Nachts Wölfe umher und suchten Nahrung. Diese rochen die vielen Schafe, erkundeten bald ihren Ort und sprangen über das Gitter in das alte Gebäude hinein, wo die Herde war, erwürgten einige Tiere und fraßen von ihnen; die andern Schafe aber, welche nicht erwürgt wurden, drängten sich in ihrer Angst in eine Ecke, daß sie alle erstickten. Als Abul Hassan am nächsten Morgen in der Frühe kam, um sie herauszulassen auf die Weide, damit sie fressen sollten und sich vermehren, fand er sie deshalb alle tot. Da wurde er sehr traurig und wollte beginnen laut zu jammern; aber er hielt an sich und sprach, daß dieses Unglück ihm bestimmt gewesen sei und Klagen ihm nicht helfen werde; sondern es zieme sich für den Weisen, nicht schwach zu sein in der Stunde des Unheils, sondern auf Rettung zu denken oder Besserung.

Da die Schafe erstickt waren und das Gesetz verbietet, Ersticktes zu essen, so konnte er das Fleisch der gestorbenen Tiere nicht verkaufen. Darum machte er sich mit einigen Männern an die Arbeit, zog den Schafen die Haut ab und ließ die Körper dort liegen. Indem er nun mit dem Wagen, auf welchem die Felle aufgetürmt lagen, nach Mekka zurückfuhr, begegnete er einem Kaufmann, welcher ihn nach seiner Geschichte fragte. Als er diesem alles erzählt hatte, tröstete ihn der und sprach, daß zwanzig Tagereisen von Mekka ein Land liege, Kublai mit Namen, wo alle Männer hohe Mützen tragen aus Schaffellen; deshalb sind dort die Schaffelle sehr gesucht und werden hoch bezahlt, und die Kaufleute verdienen viel Geld, welche solche Felle nach dort bringen. Darum solle er mit einer Karawane ziehen, welche am anderen Morgen aufbrechen wolle, und bei welcher der Kaufmann, der ihm das erzählte, selber war, und solle seine Felle dort verkaufen. Als Abul Hassan das gehört hatte, ging er zu seiner jungen Frau und nahm zärtlichen Abschied von ihr, und dann machte er sich mit der Karawane auf den Weg; es waren aber noch viele andere Kaufleute bei dem Zuge, die fragten ihn und lobten seinen Plan, und er lernte viel aus ihren Gesprächen. So verging ihm die Zeit angenehm, außer daß er in großer Sehnsucht seines Weibes gedachte, und sie kamen ungefährdet in das Land Kublai. Hier stellten die Kaufleute ihre Waren auf einem besonderen Markt aus in einer großen und volkreichen Stadt, und Abul Hassan blieb bei ihnen und wohnte mit seinen Fellen in einem schönen Zelt. Bald kamen die Kaufleute des Landes, welche von seiner Ware gehört, und begannen zu feilschen, da ihm aber seine Reisegenossen anbefohlen hatten, welchen Preis er verlangen sollte, so ließ er sich nicht betrügen, und deshalb zahlten sie ihm endlich für alle Felle zusammen zwanzigtausend Dinare. Derart hatte er das Geld verzehnfacht, welches ihm sein Schwiegervater geschenkt, und er lobte Gott und pries sein Schicksal.

Nachdem ihm das Geld ordentlich aufgezählt war, tat er es in zwei Beutel, nahm diese in seine Hände und machte sich wohlgemut auf den Weg zu seiner Herberge. Da trat ein fremder Kaufmann aus Indien zu ihm und sprach ihn an. Erzählte, daß er viele Länder gesehen habe und alle Waren der Welt kenne, die köstlichste Ware auf der ganzen Welt aber sei das echte Ambra, mancher gäbe schon viel darum, wenn er nur einmal ein Stück davon zu sehen bekäme, denn sein Anblick sei sonderlich stärkend für die Augen, und wer davon besitze, dem locke es fremdes Geld an, und man nehme zu an Reichtum jeder Art, wer aber ein Stückchen davon genieße, wenn er ein Mann sei, so werde er weiser, wie alle anderen Männer, und ein Weib werde schöner, wie alle anderen Frauen. An dem Orte, wo sie jetzt seien, stehe es nicht so hoch im Werte, wie in Mekka, und die Kaufleute, welche es von hier nach Mekka bringen, verdienen hundertfältig. Er besitze aber einen kleinen Vorrat dieser kostbaren Sache, und weil er eine besondere Zuneigung zu Abul Hassan gefaßt habe, so wolle er ihm davon verkaufen zu einem billigen Preise, das Stückchen für zehntausend Dinare. Dabei wies er ein kleines Büchschen aus Sandelholz vor, öffnete es und zeigte ihm das echte Ambra, das war ein rehbraunes Kügelchen von Haselnußgröße und war gebettet auf blauer Seide.

Über dieses Anerbieten wurde Abul Hassan sehr froh und dankte dem fremden Kaufmann herzlich für seine große Freundlichkeit, beklagte sich darauf, daß er nur zwanzigtausend Dinare habe und deshalb von so seltener Ware nur zwei Stücke erwerben könne, diese aber wolle er sogleich und ohne Verzögern einhandeln, damit den anderen sein Angebot nicht etwa reue, damit gab er ihm die beiden Geldsäcke in die Hand; der Kaufmann aber zog noch ein zweites Büchschen aus der Tasche, zeigte ihm, daß es seinen gebührenden Inhalt habe, und gab ihm aus besonderer Liebe auch noch die Büchschen obendrein, wiewohl sie sehr kostbar waren und sonst besonders berechnet wurden. Dann zog er weg. Abul Hassan eilte fröhlich zu seinen Bekannten, zeigte ihnen die Büchschen und erzählte ihnen alles und sagte, daß er in Mekka sehr viel verdienen werde mit dem Ambra. Die Kaufleute aber begannen unmäßig zu lachen, als sie hörten und sahen, und wie Abul Hassan sie fragte, weshalb sie lachten, da erklärten sie ihm, daß der Fremde ein berühmter Dieb sei, welcher schon viele Leute betrogen habe, und das echte Ambra, von welchem er gefabelt habe, gebe es gar nicht, in seinen beiden Büchschen aber sei nichts enthalten, denn alter Ziegenmist.

Über diese Neuigkeit wurde Abul Hassan sehr betrübt, ging an einen verborgenen Ort und weinte bitterlich über sein Unglück. Dann aber bedachte er, daß auch dieses Mißgeschick ihm bestimmt gewesen sei, und es sei doch auch gut, daß er es nun hinter sich habe; und vielleicht sei ihm beschieden, daß noch wieder ein Glücksfall eintrete, wie beiden erwürgten und erstickten Schafen geschehen sei. Machte sich daher reisefertig und begann nach Mekka zurückzuwandern, als einzelner, denn er hatte diesmal keine Güter bei sich.

Nachdem er neunzehn Tage gepilgert war und nur noch einen Tag Weges vor sich hatte, traf er auf der Straße einen Mann, welcher ihn einlud, die letzte Nacht in seinem Hause zu bleiben; diese Einladung nahm er an und ging mit in das Haus. Hier wurde er gut aufgenommen, und die Frau setzte ihm reichlich zu essen und zu trinken auf, hielt sich selbst zwar bescheiden zurück, achtete aber auf alle Gespräche, wie es der neugierigen Weiber Art ist. So aßen sie; und nach dem Essen bat der Gastfreund den Abul Hassan, ihm seine Geschichte zu erzählen, denn vielleicht habe er etwas Wunderbares erlebt, und selbst wenn er auch nur ganz gewöhnliche Dinge durchgemacht, so höre man einen Fremden doch immer gern. Da begann nun Abul Hassan seine ganze Geschichte, wie er von Kahirah weggezogen und geheiratet und zweitausend Dinare bekommen habe, und alles erzählte er, nur daß das Ambra eigentlich Ziegenmist sei, verschwieg er, denn er schämte sich, daß er sich hatte betrügen lassen; wies aber die beiden Büchschen mit dem Inhalt vor, welche er sich aufgehoben zum ewigen Angedenken, und rühmte ihre große Kraft. Über diese Erzählung wunderten sich die beiden Leute sehr; und da es mittlerweile dunkel geworden war, so brachten sie Abul Hassan in seine Kammer und gingen selber auch schlafen.

Um die Mitternacht aber tat sich die Tür der Kammer auf, und der Mann trat herein zu Abul Hassan, sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, und erzählte ihm Folgendes.

Er sei von gutem Herkommen und habe ein Vermögen von hunderttausend Dinaren, welche in dieser Kammer in der östlichen Ecke unter dem Fußboden vergraben seien. Auch sei er schön und wohlgewachsen, aber sein Verstand sei nicht sehr scharf, weshalb ihn die Leute immer den Dummen genannt hätten. Deshalb habe er gedacht, er wolle eine Frau heiraten, welche häßlich sei, aber sehr klug, dann würden die Kinder von ihm die Schönheit und von der Frau die Klugheit erben; habe auch eine solche Frau bekommen, seine weitere Absicht aber sei ihm fehlgeschlagen, denn die Kinder seien häßlich und unklug geworden. Deshalb wolle er ihn bitten, er möge ihm um Gottes willen das eine Stück Ambra verkaufen für hunderttausend Dinare; wenn er bei diesem auch keinen großen Gewinn mache, so werde Gott doch seine Großmut belohnen und ihn mit dem anderen Stücke mehr verdienen lassen, dieses eine Stück aber wolle er einnehmen und weise werden, dann wolle er von seinem Weibe gehen, das ihm ohnehin nicht mehr gefalle, und eine andere nehmen, welche schöner und besonders auch jünger sei. Nach dieser Rede grub er in der östlichen Ecke der Kammer, holte einen Beutel mit Dinaren hervor und reichte diesen dem Abul Hassan. Der sagte, daß er aus Mitleid über sein Unglück ihm das Ambra für solchen geringen Preis lassen wolle und gab ihm das eine Büchschen. Darauf dankte der Mann vielmals und ging aus der Kammer.

Abul Hassan frohlockte über diesen Glücksfall in seinem Herzen und konnte deshalb nicht einschlafen. Da tat sich nach einer Weile die Tür von neuem auf und es erschien die Frau. Diese sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, und erzählte ihm, sie sei von gutem Herkommen und habe ein Vermögen von hunderttausend Dinaren, welches in dieser Kammer in der westlichen Ecke vergraben sei. Auch sei sie sehr klug und scharfsinnig, aber häßlich, deshalb habe sie gedacht, sie wolle einen schönen Mann heiraten, auch wenn er dumm sei, und habe gehofft, daß die Kinder dann die Schönheit von ihm und von ihr die Klugheit erben sollten. Sie habe auch einen solchen Mann bekommen, ihr übriger Plan aber sei mißlungen, denn die Kinder seien unschön und dumm geworden. Deshalb wolle sie ihn bitten, er möge ihr um Gottes willen das eine Stück Ambra verkaufen für hunderttausend Dinare; wenn er bei diesem auch kein großes Geschäft mache, so werde doch Gott seine Großmut belohnen und ihn mit dem andern Stück desto mehr verdienen lassen, dieses eine Stück aber wolle sie einnehmen und schön werden; dann wolle sie von ihrem Manne gehen, der ihr ohnehin nicht mehr gefalle, und einen anderen nehmen, welcher klüger und besonders auch furchteinflößender sei. Nach dieser Rede grub sie in der westlichen Ecke der Kammer und reichte dem Abul Hassan den Beutel mit den Dinaren. Dieser sagte ihr dasselbe wie dem Mann und gab ihr das andere Büchschen. Darauf dankte sie vielmals und ging aus der Kammer.

Am anderen Morgen entließen die beiden den Abul Hassan unter vielen Segenswünschen. Der trug die zweimalhunderttausend Dinare unter seinem Gewand bei sich und machte sich eilfertig und keuchend auf den Weg nach Mekka, kam auch am Abend daselbst an und wurde von seiner Frau fröhlich und liebevoll empfangen.

Nachdem er nun bedacht hatte, wie viel Mühe und Fährlichkeiten er gehabt, und wie er zweimal alles verloren, gewonnen aber nur durch ein besonderes Glück, da beschloß er, das Vermögen ganz sicher anzulegen und wuchern zu lassen, wenn auch mit kleinem, so doch sorgenlosem Vorteil. Betrachtete daher die Häuser in Mekka, welche zum Verkauf standen, weil er eins erstehen wollte, eine Herberge einzurichten für die fremden Pilger, wo sie gut aufgenommen würden und teuer bezahlen müßten. Da kam ein reicher Mann zu ihm, welcher sagte, ihm gehöre das ganze Viertel der Stadt, das sei wert zweitausend mal tausend Dinare; aber er habe erfahren, daß seine Feinde ihn angeklagt hatten beim Kalifen, deshalb wolle er fliehen und alles billig verkaufen, weil er Geld bequem mitnehmen könne; so solle Abul Hassan ihm zweimalhunderttausend Dinare geben und dafür alles haben. Das tat Abul Hassan und erkaufte das Stadtviertel; zog auch am andern Tag in das prächtigste Haus, welches darin stand. Da seine Frau neugierig war, alle Stuben, Kammern und Böden zu betrachten, und es war schon Abend, so zündete er einen Wachsstock an, gab den seiner Frau, und führte sie in dem ganzen Gebäude herum. So gelangten sie auch auf den höchsten Boden unter dem Hahnebalken und fanden dort sehr viel Stroh und Heu aufgeschichtet, welches der frühere Herr dort gelassen. Indem sie sich nun über diesen Fund freuten, kam plötzlich eine große Ratte hervorgeschossen, welche wohl durch das Licht geängstigt war, und fuhr gerade auf die Frau zu; diese erschrak so sehr, daß sie laut aufschrie und die Kerze fallen ließ; da stand plötzlich das Heu und Stroh in Flammen; die beiden eilten rasch zur Treppe zurück; aber nur Abul Hassan gelang es, sich zu retten, weil er schnell war und nicht durch die Kleider gehindert; der Frau wurde der Weg versperrt durch die Flammen. So kam sie jämmerlich um in dem Feuer, und mit ihr verbrannte das ganze Haus, und indem sich ein heftiger Wind erhob, wurden auch die andern Häuser angesteckt und verbrannten, bis auf den Boden; Abul Hassan aber stand auf der Straße, raufte sich die Haare und verwünschte sein Unglück. Als jedoch alles niedergebrannt war, bedachte er bei sich, daß dieses ihm bestimmt gewesen sei, und daß es nichts nütze, weiterhin bekümmert zu sein, denn im Buche des Schicksals stehe eines jeden Menschen Leben im voraus beschrieben, und durch keinerlei List, Sorge oder Anstrengung könne er dem Gang der Dinge ausweichen; wie ja auch die Glücksfälle ohne sein Dazutun über ihn gekommen seien.

Deshalb machte er sich auf den Weg und ging am anderen Morgen zu seinem Schwiegervater, ihm alles zu erzählen, was ihm geschehen, und gedachte, ihn zu bitten, er solle ihm nun seine andere Tochter geben und nochmals zweitausend Dinare, weil er doch alles verloren hatte und in derselben Verfassung war, wie an dem Tage, wo sein Schwiegervater ihn zu sich genommen als Diener, denn um seinen kostbaren Anzug zu schonen, hatte er sich in die alten Lumpen gekleidet, als er seinem Weibe das Haus zeigte, und nichts hatte er aus dem Brande gerettet, wie die Lumpen auf dem Leibe. Als sein Schwiegervater aber seine Worte gehört, wurde er sehr böse und jagte ihn aus dem Hause mit Schelten und Schlagen.

So ging er nun trübselig gestimmt auf den Markt. Da erblickte ihn ein Landsmann aus Kahirah, fragte nach seiner Geschichte, und als er sie gehört, forderte er ihn auf, mit ihm zurückzukehren in seine Heimat, weil ihn dort doch die Menschen kannten, denn ein Armer findet keine Freunde in der Fremde; er sollte aber als Eseltreiber bei der Karawane sein. Das gefiel ihm, und er machte sich noch an demselben Tage auf mit dem Zuge seines Landsmannes.

Nun gingen sie wieder viele Tage, und Abul Hassan dachte mit Trauer an die erste Reise und an das weiße Kamel mit der Sänfte, welches ein silbernes Glöckchen getragen hatte. Aber es war ihm, als ob diesmal die Zeit ganz schnell verging; denn ehe er sich's versah, war er wieder in seiner Hütte, und seine Mutter schalt und sprach, er sei der ärgste Nichtsnutz in Kahirah, der keine Lust habe zu arbeiten, und lieber selbst hungere und seine alte Mutter hungern lasse, statt seinem Berufe nachzugehen und ein Netz im Flusse, auszuwerfen, wodurch ein gelernter Fischer, wenn er auch einen Buckel habe, nicht nur sich und seine Mutter ernähren könne, sondern es sei auch möglich, daß er mit dem Netz einen großen in der Vorzeit versenkten Schatz vom Boden des Stromes heraufziehe.

Bei diesen Worten erwachte er, und es fand sich, daß er gar nicht von der Stelle gegangen war, weder nach Mekka noch nach Kublai, sondern er hatte geschlafen, auch waren nicht viele Monate oder Jahre verflossen, sondern nur ein paar Stunden, und er hatte alles geträumt, was ihm geschehen, und zwar in der kurzen Zeit, wo seine Mutter ihm die Rede gehalten hatte.

Da sagte er zu seiner Mutter, daß sie selbst das Netz versauft habe und den Erlös vertrunken, und dann ging er aus dem Hause in der Richtung zum Flusse hin und bedachte vieles.

Hier begegnete ihm Ibn Mussad, grüßte und redete ihn an. Ibn Mussad aber war ein großer Kaufmann, der viele Reichtümer zusammengebracht hatte auf seinen Reisen, Häuser besaß und Gärten mit weißen Pfauen, goldenes Geschirr, Rosse und Wagen, und Edelsteine von allen Farben. Den betrachtete Abul Hassan eine lange Zeit, und dann begann er:

»Unser Leben ist der Traum einer Stunde, aber wir meinen, es währe achtzig Jahre. Wie eine Welle im Fluß, die aufblitzt im Mondlicht und erlischt im Augenblick, so ist der Mensch. Wie die Mücken tanzen um die Krone einer Linde, und schon erhebt sich der Nebel der Nacht vom Boden, indes noch die letzten Strahlen der Sonne leuchten an den oberen Blättern, so leben die Einwohner einer Stadt. Wir hängen unser Leben an Reichtum, oder unser Herz an Schönheit und Kraft; aber was wird sein, wenn der Tod kommt und wir erwachen zu dem anderen Leben, welches das wahre ist, wo es nicht Reichtum gibt, noch Schönheit, noch Kraft? Wir sorgen und arbeiten, und wir sind doch wie Blätter, fallend vom Baume, welche der Wind treibt, wohin er will. Wir glauben, wir stehen auf der Erde und reden zu Menschen, lieben sie oder kämpfen mit ihnen; und vielleicht sind wir nur allein in einem dunkeln Turm, in welchem wir sinken in die Unendlichkeit, und nichts ist außer uns, als Leere und Dunkel. Und Kämpfen, Lieben, andere Menschen, Reichtümer, Heere, Städte und ganze Völker sind gar nicht wirklich, sondern nur Figuren, welche unser Gehirn bildet, und wir meinen, sie sind außer uns.« So sprach Abul Hassan. Ibn Mussad aber verwunderte sich und erschrak, denn Abul Hassan der Bucklige war ein schlichter Fischer, und kein anderes Wort bisher aus seinem Mund gegangen, wie die Worte, welche einfältigen Fischern zukommen. Jetzt aber redete er mit der Zunge eines Propheten. Abul Hassan sah seine Verwunderung und fuhr fort:

»Ibn Mussad, du bist ein kluger Kaufmann, aber auch andere Männer sind kluge Kaufleute, sie gewinnen mit zweitausend zwanzigtausend, und mit zwanzigtausend zweimalhunderttausend, und mit zweimalhunderttausend zweitausend mal tausend, welche Summe sich gar kein Mensch vorstellen kann, denn so viel kostete ein ganzes Viertel von Mekka, welches jetzt abgebrannt ist, und Mekka ist, wie du weißt, ein Staat mit großen Palästen aus Marmorstein mit goldenen Fenstergittern, Springbrunnen, reichen Kaufmannsläden und üppigen Bürgern, welche abends, wenn sie in ihr Haus gehen, Fackeln vor sich tragen lassen durch ihre Sklaven. So viel haben Leute gewonnen mit zweitausend Dinaren. Aber siehe, es war alles ein Rauch, der in die Luft stieg, und blieb nichts übrig, denn Asche. Ja, es hat jemand König werden wollen, und wäre es geworden durch Fruchtbarkeit der Schaft; aber er war wie die Flamme einer Kerze, welche ausgelöscht wird durch den Sturmwind des Schicksals; und hätte er vorher einen einzigen Schritt weiter tun dürfen, so hätte der Sturmwind die Flamme angeblasen an einem Strohhaufen zu einem verzehrenden Feuer, das Städte verschlingt und zum Himmel aufsteigt, sichtbar für alle Menschen auf der Erde.«

Als Abul Hassan dieses geredet hatte, kam Ibn Mussad zu der Meinung, er sei wahnwitzig geworden, murmelte einen frommen Spruch und ging von ihm mit großer Beruhigung; denn er war ein sehr reicher Mann und liebte sein Gut sehr, und darum lebte er gerne und mochte nicht nachdenken.


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