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XXXVI

Tarnowski ist erst gegen sieben Uhr abends zurückgekehrt, nachdem er rasch noch vorher die Bars von Meurice und Continental und anderen Hotels, wo die jungen Leute mit den großen Dollarakkreditiven sich vor den Diners noch rasch mit Whisky anschwemmen, abgestreift hat.

Er berichtet Wodak getreulich von der Begegnung mit Lobositz und Lilith und konstatiert befriedigt:

»Denk dir, der alte Esel hat diese junge, schöne Person wirklich geheiratet. Na, die wird ihm bald Hörner aufsetzen! Die sieht ganz danach aus. Bis jetzt scheint noch nichts passiert zu sein. Aber ich will ihr den Geschmack schon beibringen und ihr die Freude am Herrn Gemahl etwas versalzen. Außerdem hat sie einen fabelhaften Schmuck – viel zu viel! Sie wird sich entschließen müssen, etwas davon abzugeben – für ihre illegitime Verwandtschaft. Außerdem gefällt sie mir. Das wird eine ganz hübsche Sache für ein paar Stunden. Viel kann nicht passieren, denn sie reisen bald hinüber.«

Wodak strahlt übers ganze Gesicht.

Er hilft seinem großen Jungen mit wahrer Demut beim Umziehen. Ein über das andere Mal tätschelt er ihm die Wangen und streichelt ihm das schwarze ölglatte Haar.

»Mein braver Bub, mein lieber Bub! Machst dem alten Vater Freude. Zahlst es ihnen heim, dieser schuftigen Bagage! Das wird ihn treffen, diesen hochmütigen Herrn! Gar, wenn es seine Frau ist. Denn, weißt du, mein Bub, erfahren muß er es, was war. Weißt du, wenn du genug hast von ihr und ihr den Tritt gibst. Aber zuerst mußt du sie ganz verrückt machen. Aber das verstehst du ja. Die Weiber wissen schon, warum sie hinter dir her sind – du verdammter Kerl!«

Und er lacht vor sich hin und tanzt durchs Zimmer, von einer wilden Lustigkeit erfüllt.

Tarnowski wirft noch einen letzten Blick in den Spiegel, der seine tadellose Figur und seine dunkle geschmeidige Schönheit wiedergibt.

Er hat ein paar gute Beziehungen in den Bars gefunden. Zuerst Diner, sehr vornehm, dann ein paar Stimmungsbrandys in irgendeiner tollen Montmartre-Kneipe – dann das elegante Haus in der Avenue Friedland. Die Jungens werden schweres Geld zurücklassen. Dafür werden er und der Croupier sorgen.

Und im Hintergrund wartet das Abenteuer mit Lilith.

Pfeifend und vergnügt springt er die knarrende Holztreppe hinunter.

Es geht vorwärts – und Madame Berthe wird wieder einmal angeführt. Irgendwie wird er ihr schon einmal das verhängnisvolle Papier herauslocken. Vielleicht sogar mit dem Umweg über den alten Arpell, dessen Namen es ja trägt.

Ganz klar ist er noch nicht – aber heute glaubt er, daß alles gut ausgeht, und ist lustig und übermütig, wie immer vor jeder wohlinszenierten und erfolgversprechenden Gemeinheit.

Aber auch der alte Wodak bleibt, so glücklich wie schon lange nicht, in der Wohnung zurück.

Er hat sich eine Flasche guten alten Sliwowitz bringen lassen, trinkt ihn aus einem Wasserglas und singt dazu mit seiner grölenden Stimme wilde slawische Lieder, patscht in die Hände und schlägt sich auf die Schenkel, hebt die Beine im Takt und läßt sie dröhnend wieder fallen.

Dazwischen wieder endlose Selbstgespräche in hitzigem Ton – Männer- und Frauennamen gleiten von seinen Lippen. Plötzlich weint er wieder ganz jämmerlich und schlägt wütend mit der Stirn auf den Tisch wie mit einem Hammer auf und merkt nicht, daß ihm das Blut von der Nasenwurzel herabrinnt und den weißen Sliwowitz rötlich färbt. Dann scheint er wieder mit einem unsichtbaren Gegner zu raufen und stößt gemeine Flüche aus:

»Hundesohn ... hab ich dich ... Denkzettel ... Aus dem Grab soll deine Mutter gerissen werden und deine Schwester geschändet, bis sie am Schindanger krepiert ...«

Langsam aber wird er müde, schläft ein, rutscht vom Sessel und schläft am Boden liegend weiter.

So findet ihn morgens Tarnowski.

Anfangs glaubt er, der Schlag habe ihn getroffen – aber er schnarcht ja ... Also nur betrunken!

Sorgfältig zieht sich Tarnowski aus, um die kostbaren Kleider zu schonen; hierauf zerrt er Wodak vom Boden mühsam auf, schleppt ihn bis zum Bett und befördert ihn mühsam hinein.

Dann löscht er das Licht aus, das noch brennt, schließt die Portieren, damit das Tageslicht nicht störend eindringt, verschließt seine dickgeschwollene Brieftasche – und geht schlafen.

Das war ein guter Tag für ihn. Viel Geld – leicht verdient, ... und keine lästige Liebe von Madame Berthe, die – Gott sei Dank – etwas leidend ist.


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