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XIV

Zwei Tage später war Lilith auf das prächtigste ausgestattet.

Ebenso die Baronin Stoyanovic, die, als Reisebegleiterin engagiert, in einem prachtvollen Kostüm, ganz Dame schien.

»Nein, haben Frau Baronin sich aber schön gemacht«, konstatiert die Portiersfrau, als ihr Anka Stoyanovic die Schlüssel ihrer Wohnung und die Aufsicht übergibt.

»Ja, ich habe mein Glück gemacht«, erwidert Anka, »und einen steinreichen Amerikaner kennengelernt. Jetzt reisen wir vorerst in die Schweiz, und in ein paar Monaten wird geheiratet. Der Mann hat sich über beide Ohren in mich verliebt und tut alles, was er mir an den Augen absehen kann.«

»Mein Gott, so ein Glück, so ein Glück.«

Eine halbe Stunde später wußte die ganze Gasse – das märchenhafte Glück der Baronin.

»So eine alte Schachtel – und hat sich noch einen gefangen!«

Als Lobositz Wien verlassen und mit Lilith zum Westbahnhof fahren will, ist der Weg über die Ringstraße gesperrt. Hakenkreuzler und Sozialdemokraten liefern sich soeben eine Schlacht.

Die Polizei versucht zu vermitteln, wird aber von beiden Seiten mit Steinwürfen und Revolverschüssen empfangen. Es muß förmlich Attacke geritten werden.

Das ist der letzte Eindruck, den Lobositz und Lilith von Wien haben.

Dann entführt sie der Orient-Expreß nach Zürich. Und dann an den Genfer See.

»Weißt du, was schön in Wien war«, plaudert Lilith. »So ein paar alte Häuser und Plätze von früher und die Kastanien mit den roten Blüten auf dem Platz hinter dem Burgtor und der Flieder und das Abendrot über den Kuppeln der Museen und die schlanken Türme des Rathauses, dunkel gegen den glühenden Himmel gestellt und die Terrasse dort auf dem Berg, gleich bei Wien ...«

»Kobenzl«, ergänzt Lobositz.

»Aber die Menschen und ihr ganzes Treiben – ich möchte dort nicht leben.«

»Ich auch nicht mehr«, sagt Lobositz traurig. »Man muß hassen, wo man lieben möchte, und das ist immer das bitterste.«


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