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XXII

Nicht ohne Absicht kam Jan Tarnowski etwas später, als Dinerbeginn angesetzt war.

Mit vollendeter Sicherheit betrat er den Speisesaal, in dem à la carte serviert wurde.

Alles sah unwillkürlich bei seinem Eintritt auf – und war von seiner Schönheit frappiert.

Der ältere Herr, der seinem heimlichen Vater so unglaublich ähnlich sah, fiel ihm natürlich sofort auf; er wußte somit, wo er sich seinen Platz zu wählen hatte.

Lobositz und die Baronin saßen einander gegenüber – dazwischen saß das Mädchen mit dem roten Bubikopf.

Tarnowski setzte sich so, daß er ungeniert mit der Gesellschaftsdame – oder was sie sonst war – kokettieren konnte. Sie mußte die Brücke zur Bekanntschaft werden.

Er hatte nur ein paar Blicke nötig – halb schmachtend, halb unverschämt begehrlich – und Anka wurde nervös und zappelte am Köder.

Tarnowski lächelte unmerklich: alles ging glatt!

Das schlanke junge Mädchen mit seiner wilden Panthergrazie gefiel ihm sehr gut. Das wird eine hübsche Eroberung! Und der prachtvolle Schmuck, den sie trug, war auch nicht zu verachten! Er schätzte ihn mit Kennerblicken.

Er war überhaupt wohlwollend und konstatierte, daß die Lobositz eigentlich elegante und interessante Menschen wären. Er empfand eigentlich keinen Groll, so wie sein Vater – Kammerdiener.

Vielleicht weil er es nicht nötig hatte! Graf Tarnowski zu heißen, ist ja auch nicht schlecht – und Halbblut war er ja schließlich auch!

Merkwürdig, wie er mit dem Manne da drüben heimlich verbunden war – er war sein Onkel und der Liebhaber seiner Mutter – die seinetwegen den Tod erlitt, um ihn zu retten. Und jetzt war er gekommen, um ihm die Geliebte wegzunehmen.

Aber er machte das alles ohne Haß ...

Komisch, wie er dasaß – so nah ... Und die da drüben so ahnungslos, wer eigentlich dicht neben ihnen saß mit gefährlichen Ansichten und in tadelloser Haltung.

Ab und zu traf ihn auch ein Blick der jungen Dame; die ältere hatte sie offenbar aufmerksam gemacht.

Es war kein interessierender Blick – es war ein prüfender Blick. Ein Blick, der ihm sogar etwas unangenehm war, denn er hatte etwas von einer Sonde, die erbarmungslos eindringt.

Dieser Blick sah zu viel und zu erbarmungslos!

Nur Lobositz fand es nicht nötig herüberzusehen.

Vielleicht empfand er es unter seiner Würde und als unangenehm, seinen Nachbar zu mustern.

Das Diner war vorüber.

Dann saß man in der riesenhaften gewölbten Halle mit dem Kristallüster oben und den Seidenschirmlampen unten und hörte dem Konzert zu und trank seinen Mokka oder seinen Whisky oder lag ausgestreckt in den weichen Ledersesseln.

Jenseits des Korridors, im gelben Saal, wurde getanzt.

Tarnowski hatte sich wieder so gesetzt, daß er die drei beobachten konnte.

Nach dem Mokka gingen sie zum Haus-dancing hinüber.

Ein Blick von Anka traf ihn, den er voll erwiderte.

Wenige Sekunden später war auch Tarnowski im Tanzsaal.

Die Paare wackelten Shimmy.

Mit absoluter Sicherheit – ohne die Möglichkeit einer Absicht aufkommen zu lassen, trat Tarnowski auf Anka zu, sich einen Tanz erbittend.

»Wollen Sie mir, Gnädigste, die Ehre geben?«

Anka wurde wirklich noch rot, als sie gewährend nickte und sich erhob.

Tarnowski tanzte absichtlich so lange, bis Lobositz und Lilith an ihren Platz zurückgekehrt waren. Dann erst geleitete er Anka zurück. So hatte er Gelegenheit, sich vor Lobositz und Lilith stumm zu verbeugen und ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Noch zweimal tanzt er mit Anka und macht landläufige Konversation – ohne Lilith zu erwähnen.

Dann verschwindet er.

Den Hauptcoup behält er sich für morgen zum Narzissenfest vor.

Er wird noch heute herausbekommen, wer das Komitee für die Preisverteilung ist – er mit seinem Namen und mit seinem Auftreten wird in letzter Minute diesem Komitee beitreten und auf diese Weise eine offizielle Rolle beim morgigen Fest spielen.

Nach Hause gekommen, berichtet Tarnowski über die Ereignisse des Abends.

Bald hatte er den Sitz des Komitees ausfindig gemacht und wurde mit Jubel und Ehrerbietung aufgenommen.

Er wird zu Pferde an der Spitze des Komitees die Honneurs machen.

Tarnowskis heimlicher Herr ist zufrieden und streichelt ihm zärtlich den pechschwarzen Scheitel.

»Bist ein braver Bub – machst deine Sache gut! Hast was gelernt! Wirst es ihnen heimzahlen – allen – was sie versündigt haben an mir ... die elende Bagage ... was mich getreten hat und als Dienstboten behandelt – wo ich doch Herr war, gerade so gut wie sie ... Sollen nichts zu lachen haben! Sollen weinen und fluchen – so lange, bis sie hinüber sind – alle mitsammen!«


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