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»Wir liegen immer noch vor dem Eingang der Bergschlucht Pappua. Wir können nicht hinein, sie können nicht heraus. So sah ich den Kater lange lauern vor dem Mauseloch: langweilig für den Kater, sehr. Aber, hat die Höhle keinen andern Ausgang, verhungert das Mäuslein oder läuft zuletzt doch in des Katers Krallen.
Heute Nachrichten und Verstärkungen aus Karthago. Belisar, von der Sachlage verständigt, übertrug den Oberbefehl an des Althias Stelle Fara. Hat doch Fara mit seinen Herulern Belisars glorreichsten Sieg gewonnen: die Perserschlacht bei Dara, als sie schon sehr gefährlich schwankte und nur jene Germanen-Kühnheit, die dem Unsinn ziemlich nah verwandt, konnte sie noch retten: mehr als die Hälfte seiner Heruler ließ Fara an jenem heißen Tage tot am Platz. Belisar selbst zieht auf Hippo.
Neue Nachrichten: – aus Hippo.
Der Feldherr nahm die Stadt ohne Widerstand. Die Vandalen, zahlreiche Edelinge darunter, flohen in die katholischen Kirchen und verließen dies Asyl nur gegen Zusicherung des Lebens. Und alsbald blies ihm abermals der Wind – buchstäblich! – reichen Gewinn in die Hände. Der Tyrann hatte den Königshort der Vandalen aus der Burg von Karthago vorsichtig herausgenommen, da er der Treue der Bürger und den unvollendeten Wällen mißtraute. Er lud alles auf ein Schiff und befahl Bonifacius, seinem Geheimschreiber, wenn die Sache der Vandalen wanke, nach Hispanien zu segeln zu Theudis, dem König der Westgoten, bei welchem Gelimer Zuflucht nehmen wollte, falls das Reich verloren, um vielleicht von dort aus und mit der Westgoten Hilfe es wieder zu gewinnen.
Heftiger Sturm trieb das Schatzschiff zurück in den Hafen von Hippo, gerade nachdem ihn Belisar besetzt. Der Hort der Vandalen, von Geiserich zusammengeplündert von den Küsten und Inseln dreier Meere, wandert in die Hände des Kaiserpaares nach Byzanz. Theodora, deine Frömmigkeit ist einträglich!
Aber nein: ganz gelangt der Königsschatz der Vandalen doch nicht nach Byzanz. Und das hat eine seltsame Bewandtnis. Ist wohl der Mühe wert, es aufzuzeichnen. Und vielleicht auch die Gedanken, die mir bei diesem Anlaß kamen. Von allen Völkern, die ich kenne, sind das thörichtste die Germanen. Denn diese blonden Ungetüme rennen am blindesten, ihren Trieben nach, in das offene Verderben. Diese Triebe, diese Wahnvorstellungen sind zwar zum Teil – an Barbaren – ganz achtungswert. Aber das Unmaß, die Wildheit, mit der sie ihnen nachjagen und dienen, müssen sie selbst durch ihre sogenannten Tugenden verderben: ›Heldentum‹ – wie sie es nennen – bis zum helllichten Unsinn, Todesverachtung, Worthalten aus eitel Eigensinn. Zum Beispiel: wenn sie in blinder Spielwut, in der Raserei des Würfels, die eigne Freiheit, den eignen Leib auf den letzten Wurf gesetzt. ›Treue‹ nennen sie's! Neben dämonischer Arglist oft Wahrhaftigkeit bis zum Selbstzerstören, wo eine kleine, hübsche Lüge, eine leise geistreiche Biegung der plumpen Wahrheit oder auch nur ein kühles Schweigen sicher retten könnte. All' das wurzelt im letzten Grunde durchaus nicht in Pflichtgefühl, sondern in ihrem unbändigen Stolz, in Hochmut, in Vornehmheit des Trotzes. ›Ehre‹ nennen sie's. Es soll nur – das ist der Schlüssel zu all ihren Handlungen, ihr letzter unausgesprochener Beweggrund! – beileibe keiner meinen, geschweige sagen können: ein Germane thue oder unterlasse irgend etwas, weil er sich vor irgend einem Menschen – oder auch vor sehr vielen Menschen! – fürchte: lieber in den sichern Tod springen. Worauf einer von diesen ungefügen Thoren einmal seinen Stolz geworfen hat, – dafür sich zu Grunde zu richten, das ist ›heldenhaft‹, ›ehrenhaft‹. Nun wirft sich zwar ihr Stolz oft auf Volk, Freiheit, Ruhm: aber auch ebenso oft und öfter auf Saufen – Trinken kann man's nicht mehr nennen! –, Raufen, Würfeln. Und dem ›Heldentum‹ des Saufens oder Würfelns rennen sie ebenso blindlings nach wie dem des Kampfes. Nur nicht Nachgeben! Ist die ›Ehre‹, das heißt der Trotz, einmal auf irgend etwas – Dummes oder Kluges – geworfen, dann darin fortrennen bis zum sichern Untergang! Auch wenn der Genuß daran längst erschöpft ist: – nur den andern nieder-trinken wie nieder-ringen, – nur nicht einräumen, daß man mit Kraft und Mut zu Ende: – lieber dreimal sterben! – Ich darf so reden: ich kenne sie, die Germanen! Viele Tausende – von fast jedem ihrer zahlreichen Stämme – hab' ich, in Krieg und Frieden, als Kämpfer, als Gefangene, als Gesandte, als Geiseln, als Söldner, als Kolonisten, im Dienst des Kaisers als Heerführer und als Beamte, kennen gelernt. Mich wundert schon lang, daß noch irgend ein Germanenvolk übrig ist: denn wahrlich, ihre Tugenden wetteifern mit ihren Lastern, sie auszurotten.
Und von allen Menschen, die ich kenne, sind die klügsten die Juden.
Wenn Klugheit ist: die Kunst der Selbsterhaltung, dann der Wahrung und Mehrung der Habe. Sie am wenigsten, die Germanen am leichtesten lassen sich ins Verderben reißen durch blinde Leidenschaft, durch edeln oder unedeln Ungestüm und Trotz. Sie sind die schlauesten der Sterblichen: und wahrlich dabei nicht die schlechtesten. Aber findig sind sie, in einem Maße, daß man nur staunt, weshalb sie nicht längst alle Völker beherrschen. Es muß ihnen doch was fehlen, hierzu.
Du frägst, o Cethegus, wie ich im Lager Belisars vor Pappua zu dieser sonderbaren Betrachtung über die vielverachteten Hebräer gelange? Sehr einfach!
Sie haben etwas fertig gebracht, was ich für das Allerunmöglichste halte: sie haben Kaiser Justinian viele tausend Pfund Goldes von der vandalischen Beute aus der goldgierigen Faust heraus nicht gerissen, – beileibe! – auch nicht gestohlen: – denn sie stehlen weniger fast als die Christen: – aber geredet. Kaiser Titus hat aus dem zerstörten Jerusalem hinweg die Schätze des Judentempels: Leuchter, Schalen, Schüsseln, Krüge und alles denkbare Gerät von Gold und Silber mit Perlen und Edelgestein geschmückt, nach Rom gebracht. Aus dem geplünderten Rom entführte Geiserich den Tempelschatz auf seinen Raubschiffen nach Karthago. Die Kaiserin wußte das sehr wohl! Und es wog dieser Schatz wohl nicht am leichtesten unter den Gründen, aus welchen der Bischof träumen mußte! Als nun diese Geräte in Hippo ausgeschifft und samt dem übrigen Hort zunächst nach Karthago gebracht werden sollten, – Belisar will die ganze Beute bei seinem Einzug in Byzanz zur Schau stellen – da ließ sich der älteste der Juden von Hippo bei Belisar melden und sprach: »Laß dich warnen, großmächtiger Kriegsgewaltiger! Schaffe diese Schätze nicht nach Byzanz. Höre eine Fabel an aus dem Munde deines armen Knechtes.
Der Adler raubte aus dem Opferbrande Fleisch und trug es in seinen Horst. Aber an dem Fleisch, das Gott geweiht gewesen war, klebten glimmende Kohlen. Und die glimmenden Kohlen entflammten den Reisighorst des großen Aars und verbrannten den Horst und verbrannten die Jungen, die da noch nicht flügge waren an ihren Flügeln, und die Adlerin darauf. Und da der Adler retten wollte, stürzte er in die Flammen und verbrannte sich die Schwingen. Und elend starb der starke Räuber, der da hatte getragen in sein Haus, was Gott gehörte, dem Heiligen. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: das Kapitol von Rom fiel in Feindes Hand, weil es Jehovahs Hausrat barg: die Hochburg des Vandalen fiel in Feindeshand, weil sie diese Schätze barg: soll nun die Hochburg des Kaisers – Gott segne den Schirmherrn der Gerechtigkeit! – zu Byzantium der dritte Aarhorst werden, der darum verdirbt? Wahrlich, ich sage dir, so spricht der Herr: dieses Gold, dieses Silber wird wandern über die Erde, wird verderben alle Städte, wohin der Raub geschleppt wird, bis Gold und Silber wieder liegen in Jerusalem, der heiligen Stadt.«
Und siehe da: – Belisarius erschrak.
Er schrieb an den Kaiser Justinian die Fabel des alten Juden und – wirklich und wahrhaftig! der Erzvater Moses kann noch größere Wunder thun als Sankt Cyprian. Justinian, geiziger und habgieriger als alle Juden zusammen, befiehlt, diese Schätze nicht nach Byzanz zu bringen, sondern nach Jerusalem! Und dort sie zu verteilen unter Christenkirchen und Bethäuser der Juden.
So hat der alte Jude einen Teil der Schätze seinem Volke zurückerworben – ohne Schwertstreich: – während Römer, Vandalen, Byzantiner sie nur durch heißen Kampf, gegen sehr viel Blut, gewannen. Ob der Alte an den Fluch glaubt, der auf dem Schatze liegt? Ich glaub' es, daß er's glaubt. Er lügt nicht; und es nützt seinem Zweck, daran zu glauben: so glaubt er's ganz leicht und glaubt es im Ernst. Der Germane sagt: »lieber durch Blut als durch Schweiß erwerben.« Der Jude sagt: »lieber durch Schweiß als durch Blut und viel, viel lieber durch Geld als durch Schweiß!« Von den Juden kann man rühmen: ihre Fehler und ihre Tugenden wetteifern, sie zu erhalten und ihren Reichtum, ihr Leben, ihre Zahl zu mehren, während die Germanen durch maßlose Trägheit und maßloses Zechen nicht minder sich, ihr Leben, ihre Habe, ihre Macht zu Grunde richten als durch maßlosen Trotz und durch ihr dummes ›Heldentum der Ehre‹. (Diese Vandalen freilich haben über der Schwelgerei sogar den Eigensinn und das Fechten verlernt!) Man haßt die Juden, man verachtet sie; ich meine, man sollte sie fürchten und, in ihren Vorzügen, sie zu übertreffen trachten.
Ich habe die Betrachtung über die Germanen meinem Freunde Fara vorgelesen (denn auf Lesen und Schreiben hat sich sein Ehrendrang nicht geworfen!); er hörte mich ruhig zu Ende, stürzte einen Becher Ungemischten hinab, strich sich nachdenksam den langen gelbroten Bart und sprach: »Griechlein! Bist ein kluges Griechlein! – Hast vielleicht nicht unrecht! – Aber mir sind meiner Germanen Fehler doch viel lieber als aller andern Völker Tugenden.« –
Allmählich – so erfahren wir – wird der ganze Rest des Barbarenreiches ohne Schwertstreich, Blatt um Blatt, wie man die Artischocken speiset, abgepflückt für Justinians weit aufgesperrten Mund. Die nächste Sorge Belisars nach dem Sieg über die Landmacht war, sich der feindlichen Flotte zu versichern.
Von Gefangenen erforschte er deren Landungsplatz und erfuhr auch, daß sie fast völlig unbemannt vor Anker lag: alle seine Krieger hatte Zazo dem Bruder zugeführt. Wenige unserer Trieren, aus Karthago nachgesendet, genügten, die nur von Matrosen besetzten anderthalbhundert Galeeren zu nehmen: kein Speerwurf flog dabei! Im Schlepptau wurden sie nach Karthago eingebracht, Geiserichs vielgefürchtete Raubschiffe: ohne Widerstand ließen sie sich fangen: wie ein Geschwader wilder Schwäne, die, sturmverschlagen, wandermatt und flügellahm, einfielen in umhegten Teich: mit der Hand mag man die stolzen greifen! – Ein Unterführer Belisars gewann Sardinien: es war erforderlich, aber genügend, ihnen auf einem Speer des Zazo abgeschlagenen Kopf zu zeigen: vorher hatten die Sarden die Niederlage der Vandalen nicht glauben wollen: jetzt, da sie ihres gefürchteten Besiegers Haupt betasten konnten, glaubten sie daran.
Auch Corsica ergab sich. Ebenso das volkreiche Cäsarea in Mauretanien und die eine Säule des Herkules: Septa; ferner die Inseln Ebusa und die Balearen. Tripolis war von Mauren belagert, die bei dem Kampf zwischen Byzanz und Vandalen auf eigene Faust Land und Beute suchten: die Stadt ward von den Unsrigen entsetzt und aus den Händen des Pudentius für den Kaiser übernommen.
Man möchte meinen, das ganze Volk der Vandalen bestand in seinem Königshaus und wenigen Edelgeschlechtern. Seit Zazo und die Edeln um ihn fielen, seit der König entschwunden, hört jeder Widerstand auf: wie ein Bündel Stäbe, dem man die zusammenhaltende Schnur durchhauen, fallen sie auseinander. Seit dem Tage von Trikameron lassen sich die Barbaren überall greifen wie die Schafe: ohne Widerstand. Man findet sie nur mehr, ohne Waffen, in den katholischen Basiliken, wo sie, Zuflucht suchend, die Altäre umfassen, die sie so oft verunehrt hatten! – Die Männer nicht anders als die Weiber und Kinder.
Wahrlich, wenn ihre Brüder in Italien, in Hispanien, wenn ihre Vettern, die Franken, Alamannen und wie sie sonst heißen, diese Barbaren in Gallien und Germanien, auch schon so fein gebildet wären wie diese lateinisch und griechisch dichtenden Vandalen: dann würde der Imperator Justinianus durch Belisar und Narses den Germanen alsbald das ganze Abendland wieder abnehmen. Aber, ich fürchte, die Vandalen stehen allein auf solcher Höhe der Bildung.