Felix Dahn
Gelimer
Felix Dahn

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Vierzehntes Kapitel.

Der König hatte mit scharfem Feldherrnblick erkannt, daß die Entscheidung der Schlacht in der Mitte der beiden Heere fallen werde, wo sich links südwestlich und rechts nordöstlich vom Bach sanfte Höhenzüge erhoben, die beiden Lager tragend. Außerdem hatten Überläufer der Hunnen gemeldet, daß diese Hilfsvölker sich zunächst am Kampfe gar nicht oder nur lau beteiligen würden: von dem rechten römischen Flügel erwartete daher Gelimer keine Gefahr für seinen linken. Er nahm nun seine rechte Flanke ziemlich weit zurück, so daß die Feinde lange marschieren mußten, bis sie diese erreichten: – vielleicht so lange, bis in der Mitte die günstige Entscheidung bereits gefallen und damit der Übertritt der Hunnen gewonnen war.

In die Mitte also verlegte der König die beste Stoßkraft seines Heeres: weit überwiegend Reiterei, wenig Fußvolk, die fast fünftausend Krieger Zazos, unter dessen Befehl; hier hatte er auch Gibamund mit dessen treu ergebener Gefolgschaft von zweihundert Mann aufgestellt: hier die beiden Gundinge mit ihren zahlreichen Gesippen in Eberhelmen und Eberschilden gleich ihren Führern: hier hielt er selbst, im dritten Treffen, mit einer starken Reiterschar, welcher er auch die wenigen treu gebliebenen Mauren vom Berge Pappua unter ihrem jugendlichen Häuptling Sersaon anreihte. Die Führung der beiden Flügel hatte er zwei anderen Edelingen anvertraut. Gelimer selbst flog vor Beginn und im Laufe des Gefechts auf raschem Pferd allüberall durch die Reihen, mahnte und schärfte den Mut der Seinigen.

Das Gefecht begann, wie es der König geplant hatte, mit völliger Überraschung der Feinde. Zu der Zeit, da die Byzantiner mit der Zurüstung des Frühmahls beschäftigt waren, führte er plötzlich das Mitteltreffen aus den verbergenden Zeltreihen heraus an das linke Ufer des seichten Bächleins: es ist so unbedeutend, daß es bei den Umwohnern keinen besonderen Namen führt; doch trocknet es nicht aus: und das linke, das vandalische Ufer überhöhte das rechte. Erstaunt ordneten die Unterfeldherrn Belisars – er war noch nicht zur Stelle – ihre Scharen, so gut es in der Eile gehen wollte: das heißt, wo jede Abteilung gerade stand oder lagerte. Den rechten römischen Flügel, auf dem Hügel, hielten die Hunnen besetzt: sie rührten sich nicht. Ihnen zunächst stand, geheimem Befehle gemäß, Fara mit den Herulern, jene verdächtigen Hilfsvölker beobachtend. Darauf folgten – in der Mitte – Althias der Thraker und Johannes der Armenier mit ihren Kerntruppen von Stammgenossen, sowie mit den Schildenern und Lanzenträgern der Leibwache Belisars: hier glänzte das kaiserliche Hauptpanier, das »Vexillum Prätorium,« die Feldherrnfahne Belisars. – Den linken römischen Flügel bildeten die andern Hilfsvölker, außer den Hunnen; auch die Byzantiner hatten erkannt, daß die Entscheidung in der Mitte der beiden Aufstellungen fallen werde.

Als Gibamund auf weißem Roß die Seinen vorführte, gab ihm Hilde, von dem herrlichen Rappen getragen, weithin das Geleit. Auf ihres Gatten Wunsch hatte sie mit einer leichten Sturmhaube, auf der sich weiße Falkenschwingen sträubten, das schöne Haupt geschützt: frei flutete darunter hervor das lichtgelbe Haar über den weißen Mantel den Nacken hinab. Auch einen leichten Schild, in heller Versilberung glänzend, hatte er ihr aufgedrängt. Das weiße Untergewand umgürtete das schwarze Wehrgehäng mit Tejas Dolch; aber die Brünne hatte sie, als zu beschwerlich, abgewehrt. »Du läßt mich ja doch nicht mitkämpfen, nicht an deiner Seite reiten,« klagte sie.

Schon flogen, in hohem Bogenschuß geschnellt, die ersten Pfeile der Byzantiner über die Vandalen hin und schlugen unter die Reiter Gibamunds ein. »Halt,« gebot er, »Geliebte. Nicht weiter vor! Nicht in Pfeilschußweite! Hier, auf dieser kleinen Höhe, warte. Ich laß dir eine Zehnschaft zur Bedeckung. Von hier aus siehst du sehr weit. Achte auf die weißen Reiherflügel meines Helms und auf die Drachenfahne. Ihr folge ich.« – Ein Händedruck: – voran flog Gibamund: ruhig hielt Hilde das gelehrige Roß: sie war sehr bleich. –

Sofort kam es zum ersten Zusammenstoß.

Johannes der Armenier, einer der besten Führer Belisars, drang mit seinen Landsleuten durch den Bach, der ihnen nur bis an die Knie reichte, und stürmte aus demselben gegen das steilere vandalische Ufer hinan.

Augenblicklich war er hinabgeworfen. Zazo stürzte sich mit seinem ersten Treffen auf ihn mit der Wucht, mit welcher der Raubvogel das Kleinwild schlägt: die halb erstiegenen Uferhöhen hinab, bis mitten in den Bach, dessen Wasser sich bald rot färbte, und an das andere Ufer ging die Verfolgung der Vandalen. Hilde sah's von ihrem Standort aus ganz deutlich: »oh endlich, endlich,« rief sie, »ein Hauch des Sieges.« Zazo aber verfolgte nicht weiter. Er nahm vorsichtig seine Leute an das linke Ufer des Baches zurück. »Wir wollen sie erst noch einmal hier herunter werfen,« sagte er lachend, »die Stellung auf der Höhe nochmal ausnutzen.« In heller Flucht hatten die Armenier ihren tapfern Führer fortgerissen. Dieser, von Zazos Schwert durch den Schild in den Arm getroffen, sprach grimmig zu Marcellus, dem Führer der Leibwächter: »der Teufel ist in die Memmen von Decimum gefahren. Daß sie nur mit dem Schwerte fechten, macht meine Lanzenträger wirr. Die Barbaren hauen ihnen die langen Speere nach rechts, unterlaufen sie und stechen sie ab. Und dieser Kerl mit dem Büffelhelm stößt wirklich wie ein Bergstier. Gieb mir deine Schildener: ich versuch's nochmal.« Mit den Schildenern, geführt von Martinus, wiederholten die Armenier den Angriff. Kein Pfeil, kein Wurfspeer flog ihnen entgegen: aber sobald sie die Höhen des vandalischen Ufers zu erklimmen begannen, brachen die Germanen mit dem Schwert im Nahkampf auf sie herab. Martinus fiel von Gibamunds Schwert. Da flohen die Schildener: die Armenier stutzten, wankten, wirbelten einen Augenblick durcheinander: – dann flohen auch sie, verfolgt von den Vandalen.

»Fahrt in die Feinde!
Ringet und reißt sie
Nieder im Nahkampf!«

scholl es brausend durch Zazos Scharen, welche dieser abermals auf das linke Ufer zurückführte. »Sie müssen wiederholt der gefürchteten Byzantiner Rücken sehen, ehe sie das Herz haben, sie vollends zu schlagen,« sprach er zu Gibamund, der zur Verfolgung drängte. »Und – wo bleibt Belisar?«

Dieser war soeben von Karthago her mit seinen fünfhundert Reitern bei dem Mitteltreffen angelangt, gerade rechtzeitig, die Flucht der Seinen zu gewahren. Als er erfuhr, daß dies der zweite abgeschlagene Angriff war, befahl er allen seinen Leibwächtern, welche auf den Fußkampf wie zum Reiterkampf gleichmäßig eingeübt waren, abzusteigen und zu Fuß mit den Thrakern des Althias zum dritten Angriff vorzugehen. Sein eigenes Hauptbanner, die »Feldherrnfahne«, gebot er, ihnen vorzutragen.

Es war ein gewaltiger, ein drohender Anblick. Die Tuba der Römer schmetterte, die »Feldherrnfahne« zu begrüßen. Wie eine wandelnde Mauer von Erz rückten die Byzantiner, fest aneinandergeschlossen, heran, weit vorgestreckt die langen Lanzen. Zazo sah, daß seine Leute stutzten. »Jetzt vorwärts! Über den Bach! Zum Angriff! –« Er sprengte den Seinen voran. Aber er merkte bald, daß nur sehr wenige – die Gundinge und ihre Eberhelme – ihm folgten. »Vorwärts!« befahl er nochmal. Aber die Vandalen zauderten. Sie fühlten, daß das Gefecht von der Höhe herab ihren Erfolg sehr erleichtert hatte: sie wollten nun die günstige Höhe nicht verlassen und – sie hatten von fern Belisar erschaut. Furchtbar, drohend rückten die Reihen der Lanzen heran. »Hätten wir nur auch unsere Speere!« So klang es ängstlich hinter ihm. Schon hatten die Byzantiner den Bach erreicht: – schon wateten sie in das seichte Rinnsal hinein: – und noch gehorchten die Vandalen auf der Höhe nicht dem Befehl zum Angriff.

»Ihr wollt nicht hinüber?« rief Zazo grimmig, »So sollt ihr müssen!« Mit diesen Worten riß er dem Reiter zu seiner Rechten die Drachenfahne Geiserichs aus der Hand und mit dem Ruf: »Holt euch die Fahne wieder und eure Ehre!« schleuderte er sie, mit aller Kraft, in hohem Schwung über den Bach hinweg, mitten in die dichtesten Reihen der Byzantiner.

Laut aufschrien Feinde und Freunde!

Sofort hatte ein Byzantiner das Banner aufgegriffen vom Boden, hoch erhoben, und wollte damit nach rückwärts, zu Belisar, eilen. Aber er kam nicht weit. Denn als sie das Kleinod des Reiches in den Haufen der Feinde sahen, stürzten sich alle Vandalen, zu Roß und zu Fuß, dem Vorgang der Edelinge folgend, den Uferhang hinab, in den Bach und in die Byzantiner. Von der Seite Zazos hinweg stob, auf starkem Hengst, eine seltsame Gestalt: ein Mönch, ohne Helm, Schild und Brünne, in grauer Kutte, nur das Schwert in der Hand. Er brach sich Bahn durch die feindlichen Reiter, er erreichte den Erbeuter der roten Fahne, er riß sie ihm aus der Hand und spaltete ihm mit Einem Schwertstreich Helm und Schädel: Valerianus war's gewesen, der Lanzenträger Oberster.

Hoch schwang der Sieger das zurückgewonnene Banner: und augenblicklich fiel er vom Gaul, von fünf Wurflanzen zugleich durchbohrt. Aber aus des Sinkenden Hand hob die Fahne Gundobad, der Gunding: »Hierher, zu Hauf!« rief er, »der Gundinge Gesippen! Hierher, ihr hauenden Eber!« Und schon war sein Bruder, war die ganze Schar der Eberhelme um ihn: herausgehauen, für den Augenblick, war das Banner und sein Träger. Die nächsten Reihen der Feinde um das Vandalenbanner her wankten und – wichen! »Sieg!« riefen die Vandalen und sangen, mutig vordringend:

»Fahrt in die Feinde!
Folget der Fahne,
Der Ruhm-umrauschten
Gesellin des Sieges.«

Und sie schlugen die Schwertklingen auf die Schilde, daß es hallte. »Sieg!« jauchzte Hilde, die das ganze herrliche Schauspiel übersah.

 


 


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