Felix Dahn
Gelimer
Felix Dahn

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Achtes Kapitel.

»Seit ich dies schrieb – wenige Tage sind's – neue, wichtige Kunde aus Afrika!

Gewaltige Umwälzungen sind dort geschehen, die dem schwankenden Kaiser vielleicht doch noch den Krieg abnötigen: was für die Zukunft zu verhindern unsere Staatskunst auf das eifrigste und feinste bemüht war, das ist bereits, trotz, vielleicht dank dieser Bemühung eingetreten: Gelimer ist König der Vandalen! –

Der Archidiakon Verus – jetzt kann man alle Namen nennen! – hatte wirklich gegen uns, nicht für uns, Ränke gesponnen. Er hat alles Gelimer verraten! Pudentius aus Tripolis, der heimlich in Karthago weilte, sollte ergriffen werden: Verus hatte dessen Versteck angegeben. Auffallend ist dabei, daß Pudentius kurz vorher, auf des Priesters bestem Roß, in eiliger Flucht Karthago verlassen hatte.

Am gleichen Tage geschah in dem Königspalast ein rätselhaft Geschehnis, von dem nur der Ausgang, der Erfolg zweifellos: – denn Gelimer ist König der Vandalen! – aber der Zusammenhang, die Beweggründe werden sehr verschieden erzählt. Die einen sagen, Gelimer wollte den König, die andern der König wollte Gelimer ermorden. Wieder andere flüstern – so schreibt Pudentius – von einer geheimnisvollen Warnung, die dem König zugegangen sei: ein Ungenannter habe diesem brieflich verraten, Gelimer wolle ihn bei der nächsten geheimen Unterredung erdolchen. Zur Überführung solle ihn der König sofort zu einer solchen entbieten: der Mörder werde entweder aus Furcht bösen Gewissens sich weigern oder kommen, aber, – gegen das strenge Verbot der Hofsitte – mit geheimen Schutz- und Trutzwaffen: Hilderich solle sich daher selbst geheim mit Panzer und Dolch versehen und Hilfe in der Nähe versteckt halten. Der König habe den Rat befolgt. –

Fest steht, daß er Gelimer auf den Abend jenes Tages zur Zwiesprach befahl in sein Schlafgemach im Erdgeschoß des Palastes. Gelimer kam. Der König umarmte ihn, entdeckte dabei die Brünne unter dessen Gewand und schrie um Hilfe. Aus dem Seitengemach stürzten des Königs Neffen, Hoamer und Euages, mit gezückten Schwertern herzu, den Mörder zu töten. Aber gleichzeitig sprangen aus dem Garten durch das niedere Fenster des Erdgeschosses herein zwei Brüder Gelimers, die Verus dort im Gebüsche versteckt gehalten hatte. Der König und Euages wurden entwaffnet und gefangen: Hoamer entkam. Er eilte auf den Hof des Kapitols und rief die Vandalen zu den Waffen, ihren König zu befreien, der von Gelimer mörderisch überfallen sei. Die Barbaren zögerten: denn wenig beliebt war Hilderich, Gelimer dagegen hoch gefeiert und solchen Frevels galt er nicht für fähig. Und schon war auch Gelimer zur Stelle, strafte den Ankläger Lügen, bezichtete vielmehr Hilderich und dessen Neffen des Mordversuchs, forderte, die Frage zu entscheiden, Hoamer zum Zweikampf vor allem Volk und erschlug ihn auf den ersten Streich. Die Vandalen jauchzten Beifall, erklärten in tumultuarischer Versammlung sofort Hilderich für abgesetzt und riefen Gelimer, ohnehin den rechtmäßigen Kronfolger, als König aus: mit Mühe rettete dessen Fürbitte das Leben der beiden Gefangenen. – Von Verus aber heißt es, er sei zum Protonotar oder Kanzler und obersten Berater Gelimers erhoben, da er dessen Leben gerettet habe! Wie doch das? Wir wissen's besser, wir Verratenen, wodurch sich dieser Priester solchen Lohn verdient hat – auf unsere Kosten!

Ich vermute nun aber: dieser Thronwechsel zwingt den Krieg herbei. Denn für Justinian ist es jetzt Ehrenpflicht, seinen entthronten und eingekerkerten Freund zu retten oder doch zu rächen. Ich habe denn auch bereits ein gar wunderherrliches Schreiben an diesen »Tyrannen« Gelimer aufgesetzt, welches also schließt: ›Wider Recht und Pflicht also hältst du deinen Vetter, den rechtmäßigen König der Vandalen, in Ketten und beraubst ihn – ein Gewaltherrscher – der Krone. Setze ihn wieder auf den Thron oder wisse, daß wir ausziehen werden gegen dich. Und dabei – diesen Satz diktierte nur der Kaiser der Pandekten wörtlich! –, dabei werden wir den weiland mit Geiserich geschlossenen ewigen Frieden nicht brechen: denn Geiserichs rechtmäßigen Nachfolger werden wir dabei nicht bekämpfen, sondern rächen.‹ Du bemerkst die juristische Feinheit! Der Kaiser bildet sich auf diesen Satz mehr ein, als Belisar auf seinen großen Persersieg bei Dara.

Wenn dieser Gelimer wirklich thäte, was wir von ihm verlangen, – wir gerieten in die abscheulichste Verlegenheit, wir Rächer des Rechtes! Denn wir wollen doch diesen Krieg: das heißt, wir wollten Afrika schon lange bevor der Frevel geschehen war, den zu rächen wir ausziehen, – falls wir nicht doch lieber, hübsch sparsam und vorsichtig, zu Hause bleiben!


Da haben wir die Antwort des Wandalen! Für einen Barbaren und Tyrannen recht königlich!

›Herrscher Gelimer an Herrscher Justinian‹ – er braucht das gleiche Wort: ›Basileus‹ für Kaiser und für König, der Verwegene!

›Nicht durch Gewaltthat habe ich den Königstab mir angemaßt und nicht habe ich Frevel geübt gegen meinen Gesippen. Sondern das Volk der Vandalen hat Hilderich abgesetzt, weil er gegen der Asdingen Geschlecht, gegen die rechtmäßige Thronfolge, gegen unser Reich selbst arge Dinge plante. Mich aber hat das Thronfolgegesetz als den ältesten Asdingen nach Hilderich auf den erledigten Thron berufen. Derjenige Herrscher, o Justinianus, handelt löblich, der seinen eigenen Staat gut verwaltet, in fremde Staaten sich nicht mischt. Brichst du den eidlich gefestigten Frieden und greifst uns an, so werden wir uns mannhaft wehren und Gott anrufen, der den Eidbruch und jedes Unrecht straft.‹

Gut! Du gefällst mir, König Gelimer! Mich freut es, daß man dem Kaiser der Juristen sagt, er solle nicht blasen, was ihn nicht brennt: ein Spruch, der mir so ziemlich der Inbegriff aller Rechtsweisheit erscheint. Über die himmlische Abstrafung alles Unrechts hab' ich freilich meine eigenen Gedanken. – – –

Justinian hat der Brief des Barbaren bitter geärgert, ein weiterer Beweis, daß der Barbar recht hat. Aber es scheint: wir stecken diese Antwort ebenso ruhig in die Tasche, wie unser schon gezücktes Schwert in die Scheide: der Kaiser schilt laut auf den Tyrannen: aber das Heer schreit noch lauter, daß es nicht fechten will. Und die Kaiserin – schweigt.«

 


 


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