Felix Dahn
Gelimer
Felix Dahn

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Einundzwanzigstes Kapitel.

Hilde sandte ihm einen langen, langen Blick nach. Zuletzt schüttelte sie leise das schöne Haupt, trat auf Gelimer zu und sprach: »O König, zürne nicht, wenn ich eine Frage an dich richte, zu der mir nichts das Recht giebt als meine Sorge um dein, um euer aller Heil.«

»Und meine Liebe zu dir, tapfre Schwägerin,« erwiderte dieser, ihr das frei herabflutende, lichte Haar streichend und sich auf das Ruhebett niedersetzend. »Denn,« fuhr er lächelnd fort, »bist du auch eine schlimme, arge Heidin und hast du auch gegen mich – wohl weiß ich es! – oft geheimen Groll, ja Widerwillen, – ich hab' dich lieb, du thöricht ungestümes Herz!«

Sie ließ sich zu seinen Füßen nieder auf einem hohen und weichen, mit Leopardenfellen überdeckten Kissen, während Gibamund mit langsamen Schritten die weite Halle durchmaß, manchmal durch das offene Bogenfenster über das Meer hinblickend und in die wunderbare Nacht hinaus; es brannte kein Licht in dem Gelaß: aber der Vollmond, der einstweilen aus der dunkeln Flut getaucht und über die Hafenmauer emporgestiegen war, warf seinen ganzen flutenden Glanz herein; und fiel er auf die Züge der drei außergewöhnlich schönen, edeln Menschen, so leuchteten sie in geisterhaftem Schimmer.

»Sieh,« hob sie an, »ich will ja nicht, wie Zazo und mein Gibamund wiederholt gethan, bis du es zürnend verboten, ich will dich ja nicht warnen vor diesem Priester, der . . . –« Ohne Ungeduld oder Unmut unterbrach sie der König: »Der zuerst die Ränke des Pudentius, den Verrat Hilderichs uns aufgedeckt, dem allein ich es verdanke, daß ich an jenem Abend dem Mord entging, der das Reich der Vandalen gerettet hat aus der Umgarnung.« Gibamund hemmte seine Schritte. »Ja, es ist wahr! Bald hätte ich gesagt: leider wahr! Denn lieber hätte ich jedem andern gedankt!« – »Es ist so schlagend wahr, daß sogar unser Zazo, der ihn zuerst hart bei mir verklagte, kaum noch etwas dawider zu brummen fand, als ich den klugen Mann aufnahm unter meine Räte, ihm, dem schriftgewandten, die Leitung des Schriftwesens, des Briefwechsels übertrug. Und wie unermüdlich arbeitet er seither, Priester und Kanzler zugleich! Ich staune, welche Menge von Urkunden er mir jeden Morgen vorlegt. Er schläft, glaub' ich, nicht drei Stunden.« »Menschen, die nicht schlafen und nicht schlagen, nicht trinken und nicht küssen, sind mir unheimlich,« lachte Gibamund. »Ich warne nicht,« sagte Hilde. »Aber ich frage« – und sie legte leicht die Hand auf des Königs Arm – »wie kommt es, wie ist es möglich, daß du, der Kriegsfürst der Vandalen, diesen finstern Römer, diesen Abtrünnigen, mehr liebst als alle deine Nächsten?« »Darin irrst du doch, Schön-Hilde,« lächelte der König, über ihre Hand streichend. »Nun ja,« verbesserte sie, »Ammata liebst du wohl am meisten: – er ist dein Augapfel.« »Der Vater hat mir sterbend diesen Bruder – er war damals ein lallend Knäblein – auf die Seele gebunden. Ich hab' ihn an mein Herz geschlossen, und ihn erzogen, wie mein eigen Kind,« sagte Gelimer in weichem Ton. – »Es ist nicht Liebe,« fuhr er dann fort, »was mich an Verus bindet: sondern was mich zwingt, in ihm meinen Schutzgeist auf Erden zu verehren, mit heißem Dank, mit Ehrfurcht, mit blind gläubigem Vertrauen zu ihm emporzuschauen, das ist die Zuversicht, nein, die übermenschliche Gewißheit – ja« – und hier erschauerte er leise – »es ist eine Offenbarung Gottes, ein Wunder.«

»Ein Wunder?« widerholte Hilde. »Eine Offenbarung?« forschte Gibamund ungläubig, bei den beiden stehen bleibend. »Beides,« erwiderte der König. »Allein um das zu verstehen, müßtet ihr mehr – müßtet ihr alles wissen, müßtet erfahren, wie mein Geist, mein Gemüt hin- und hergezerrt ward von widerstreitenden Gewalten – müßtet mit mir nochmal durchleben meine Wandelungen, meine Gefahren und meine Errettung. – Ja, und ihr sollt es, ihr meine Nächsten, meine Liebsten: heute und hier, wer weiß wann uns der drohende Krieg wieder eine Mußestunde gönnt. –

Meine frühesten Kinderjahre schon, sagte mir der Vater, waren kaum kindlich: ich träumte, ich stellte Fragen über Kindermaß hinaus. – Dann kam freilich die fröhliche Knabenzeit: Waffen, Waffen und wieder Waffen das einzige Spiel, die einzige Arbeit, das einzige Lernen! Damals wuchs ich zu der Kraft heran und zu der Waffenfreude –« seine Augen blitzten durch das fahle Mondlicht. –

»Die dich zum Helden deines Volks gemacht,« rief Gibamund. »Aber plötzlich kam ein Ende! Durch Zufall – der Hundertführer, der dazu befehligt war, erkrankte plötzlich und ich war der nächste im Dienst – erhielt ich, der Sechzehnjährige, den Auftrag, mit meiner Schar der fürchterlichen Folterung von Römern, von Katholiken im Kerkerhof dieser Burg beizuwohnen, die ihren Glauben nicht verleugnen wollten. Das Wehegeschrei der Gepeinigten, das durch die dicken Mauern drang, hatte wiederholt die Karthager zum Aufruhr getrieben: Bewachung des Kerkerhofes war unerläßlich. Ich hatte früher wohl gehört, daß solche Dinge geschähen: – man sagte mir, sie seien notwendig, die Katholiken seien alle Verräter unsres Reiches und die Folter bezwecke nur, ihnen die Geheimnisse ihrer verbrecherischen Pläne abzuzwingen. Aber gesehen hatte ich es nie! Nun – plötzlich – sah ich es: – der Sechzehnjährige! – Ich selbst war der Befehlshaber der Henker. – Grauenvoll! Grauenvoll! – Gegen hundert Menschen, auch Weiber, auch Greise, auch Knaben und Mädchen, kaum so alt wie ich! – Ich gebot Einhalt. – ›Befehl des Königs!‹ erwiderte der arianische Priester. Ich wollte den Gequälten beispringen: – ach! des Verus ganze Familie war unter den Opfern: – ich wollte seine greise Mutter von dem Marterpfahl reißen – aus den züngelnden Flammen, in denen sie trotz ihrer Eisenfesseln sich vor unsäglicher Qual kreischend wand – meine eignen Krieger hielten mich fest! – ›Befehl des Königs!‹ riefen sie. Ich schlug um mich – ich schäumte – ich tobte! Vergebens! Ich schloß die Augen, das Scheußliche nicht mehr zu sehen! Aber – ach –« Er stockte, er fuhr sich über die Stirn. Dann begann er wieder: »Da drang mein Name, gellend ausgestoßen an mein Ohr. Unwillkürlich schlug ich die Augen wieder auf; da sah ich, gerade gegen mich ausgestreckt, den nackten, gefesselten Arm der Greisin. ›Fluch dir, Gelimer!‹ schrie sie, ›Fluch dir auf Erden und in der Hölle! Fluch euch Asdingen all', Fluch über der Vandalen Volk und Reich! Die Rache Gottes für eure und eurer Väter Sündenschuld soll euch furchtbar schlagen vom Kinde bis zum Greise. Fluch, Fluch dir, Mörder Gelimer!‹ Und ich sah ihr Auge, das, gräßlich entstellt von Schmerz und Haß, sich in das meine bohrte. – Da brach ich zusammen, in Krämpfen, die mich seither oft befallen. Ich erlag keuchend unter dem Gedanken: bin ich auch selbst rein von Schuld, – sterbend hat die Verzweifelnde mich verflucht: – sie hat den Fluch vor Gottes Thron getragen: – ich trage die Sündenschuld dieses ganzen Hauses.« Er zitterte: Schweiß stand auf seiner Stirn.

»Um Gott, Bruder! Halt ein! Dein Leiden, es könnte wiederkehren!«

Aber Gelimer fuhr fort: »Als ich zu mir kam, war ich – kein Jüngling mehr. Ein Greis! Oder doch gebrochen, halb irrsinnig – wie ihr es nennen wollt. – Ich warf den Schwertgurt, warf Helm und Schild und alle Waffen von mir und – oh ich werd' es nie vergessen! – nur das eine furchtbare Wort drang allein, drang alles übertäubend durch mein armes Hirn: – ›Sünde – Sündenfluch bedeckt mich, mein Geschlecht – mein Volk!‹

Wohl suchte ich Trost. Ich griff nach der Bibel. Man hatte mich gelehrt, Gott redet zu uns durch das Bibelorakel. Ich rollte blindlings, den spitzen Dolch in der Hand, die heiligen Schriften auf. Ich rief zu Gott empor: Herr, wirst du mich wirklich strafen für der Väter Schuld? Blindlings stach ich auf eine Stelle in der aufgerollten Seite: da hatte mein Dolch den Spruch getroffen: ›Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missethat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied.‹

Ich erlag beinahe dem Entsetzen! Doch einmal noch ermannte ich mich: von unten, von der Straße her, scholl hell das vandalische Reiterhorn: in glänzenden Waffen zogen da unten unsere Reiter zum Kampfe hinaus gegen die Mauren! Das war ja meine Wonne – mein Stolz! Ich hatte mich selbst schon zweimal in sieghaftem Reiterkampfe getummelt. Mein Herz, mein Mut, meine Lebensfreude hoben sich aufs neue: ich sagte zu mir selbst: bin ich auch für mich der Lust abgestorben für immerdar: – siehe, da ruft mein Volk, der Vandalen Reich, da ruft die Heldenpflicht, freudig für mein Volk zu leben, zu kämpfen, zu sterben. Ist auch das ein Nichts? Ist auch das Sünde, nichtig und eitel? Noch einmal befragte ich Gottes Wort, an anderer Stelle. Ich schloß die Rollen wieder, schlug sie auf und meines Dolches Spitze traf den Spruch: ›Es ist alles eitel! Es ist alles ganz eitel, was auf Erden geschieht.‹

Da sank ich zusammen – in Verzweiflung! Also auch Volk und Staat und Heldentum, wie es die Ahnen gepflegt und gerühmt als höchste Mannespflicht und Manneslust zugleich: – auch das ist eitel, ist Sünde vor dem Auge des Herrn!«

»Das ist ein grausamer Zufall,« zürnte Gibamund. »Und Thorheit ist es, ihm zu glauben,« rief Hilde. »O Gelimer, du Held, du Enkel Geiserichs: – widerlegt denn nicht jeder Herzschlag in dir dieses finstre Irrsal?« Sie sprang auf, warf das freiflutende Haar in den Nacken und richtete auf ihn einen flammenden Blick.

»Zuweilen wohl, Walkürenführerin,« lächelte Gelimer. »Und zumal seit – seit Gott mich durch ein Wunder gerettet hat. Und bange nur nicht, Hildebrands Enkelin: du wirst dich nicht zu schämen haben deines Schwagers, des Vandalenkönigs, wann schmetternd uns zum Kampf ruft die Tuba Belisars.« Er hob das edle Haupt, seine rechte Faust ballte sich.

»O Heil uns, mein Gemahl,« rief Hilde, »das ist doch seines Wesens tiefster Kern: – der Held!« Und sie drückte freudig ihres Mannes Hand.

»Wer weiß von sich zu sagen, was seines Wesens tiefster Kern?« fuhr Gelimer fort. »Damals – und für Jahre – war's vorbei für mich mit aller Heldenfreude, mit aller Pracht und Zier des frohen Waffenwerkes. – Ich ward so krank! – Bei jenem zweiten Bibelorakel kamen die bösen Krämpfe wieder! Und seither gar oft: so daß der Vater meinem heißen Drang nachgeben mußte – zum Waffendienst taugte ich damals doch nicht! – Ich durfte als Zögling zu den Mönchen unsres Glaubens in das Kloster – in der Einöde der Wüste – ziehen. Jahrelang, viele Jahre blieb ich dort. Damals verbrannte ich all' die in unsrer Sprache geschriebenen Heldenlieder, die ich zur Harfe gedichtet hatte.«

»Oh um den Frevel!« klagte Hilde. – »Aber ein paar haben sich bewahrt im Munde unserer Krieger,« tröstete Gibamund; »so das:

»Edelster Ahnen,
Der alten Asdingen,
    Edle Enkel,
Des gewaltigen Geiserich
    Goldbrünnig Geschlecht,
Auf euch ist vererbt
    Des Meerkönigs Macht. –«

»Und seiner Sünden unselige Saat!« schloß Gelimer, düster das Haupt senkend. Er schwieg eine Weile; dann begann er aufs neue: »Statt der vandalischen Stabreime dichtete ich nun lateinische Bußlieder. Die Brüder meinten, die Qualen der Verdammten ächzten, die Flammen der Hölle zuckten durch diese Trochäen. Wohl waren es Flammen: die Flammen des Scheiterhaufens, die ich lebende Menschen hatte verzehren sehen. Keine Kasteiung, keine Askese gab es, die ich nicht bis zum Unmaß übte. Ich wütete gegen mein Fleisch, ich haßte mich selbst, meine sündige Seele, meinen Leib, der den Fluch der Erbsünde mit sich schleppte. Ich fastete, ich geißelte mich, ich trug den stachligen Bußgürtel, daß er mir tiefe Wunden stach. Ich erfand mir heimlich neue Qualen, wenn mir der Abt das Übermaß der alten verbot. Dabei verschlang ich an Büchern alles, was das Kloster, was die Bibliotheken zu Karthago boten. Ich setzte durch, daß mich der Vater nach Alexandria, nach Athen, nach Byzanz reisen ließ, die Lehrer dort zu hören. Gelehrter war ich, – weiser nicht geworden, als ich aus jenen Schulen in das Wüstenkloster zurückkehrte. Endlich rief mich von dem Kloster aus der Vater an sein Sterbelager: – er befahl mir als heiliges Vermächtnis die Sorge für den jüngsten Bruder, für Ammata, das Kind. Ich durfte nicht selbstisch, wie ich gern gewollt, in das Kloster zurückeilen von des Vaters Grab: – das Kind, das war eine Pflicht, eine menschliche, eine gesunde: sie gab mich der Welt wieder. Ich lebte: für diesen holden Knaben.«

»Kein Vater konnte väterlicher über ihn wachen,« rief Gibamund.

»Damals sollte ich mich vermählen. Der König, das ganze Geschlecht wünschten es. – Sie war aus westgotischem Königsstamm. Sie kam zu Besuch nach Karthago: – sie war schön und klug und edel: – sie gefiel meinem Herzen und meinen Augen: – ich bezwang Augen und Herz und sagte: nein.«

»Um ganz nur Ammata zu leben?« fragte Hilde.

»Nicht bloß deshalb! Es kam mir« – und hier verfinsterte sich plötzlich wieder seine Stirn – »es kam mir der Gedanke: der Fluch der Greisin, der auf meinem Haupte lastet, soll nicht, nach jenem furchtbaren Bibelwort, sich durch mich vererben von Geschlecht zu Geschlecht. Mit Zittern würde ich in meinen Kindern die Züge des verfluchten Vaters wieder schauen: – ich blieb unvermählt.« »Welch finstere Verstörung!« flüsterte Gibamund in seines schönen Weibes Ohr und küßte ihre Wange, sie zärtlich an sich ziehend. »Damals wohl,« schalt Hilde, »dichtetest du das böse, böse Bußlied, das alle Liebe als Sünde verwirft?

›Maledictus amor sexus
Maledicta oscula
Sint amplexus maledicti,
Inferi ligamina!‹

's ist all' nicht wahr!« lächelte sie und erwiderte herzhaft ihres Gatten Kuß.

Aber Gelimer fuhr fort: »Was wahr ist, wird der Ausgang lehren: – am Tage des Gerichts. – Die Sorge um den Knaben hat mich geheilt. Auch den Waffen wandte ich mich wieder zu; galt es doch bald, den Zögling an sie zu gewöhnen. Aber mehr noch als dieses hat mich gerettet die Pflicht . . . –«

»Gegen Volk und Vaterland,« fiel Hilde ein.

»Ja,« ergänzte Gibamund. »Damals hatten sich die Mauren unsern verweichlichten Scharen, zumal aber dem unkriegerischen König weit überlegen erwiesen. Geschlagen wurden wir in jedem Gefecht, nicht mehr das offene Feld vermochten wir zu halten gegen die Kamelreiter. Unsre Grenzgebiete wurden Jahr um Jahr verheert. Ja bis in ›die Lose der Vandalen‹ selbst, tief in das Herz der Prokonsularprovinz drangen die keck gewordenen Räuber der Wüste: bis vor die Thore von Karthago streiften sie.«

»Da galt es denn, der Schild zu werden meines Volkes. Ich ward es: – ward es gern! Die alte Waffenlust erwachte und ich sagte mir: nicht eitle sündhafte Ruhmgier treibt dich an.« »Wie? Heldentum soll Sünde sein?« rief Hilde. »Du kämpftest nur, dein Volk zu schützen.« »Ei, aber es freute ihn doch gar sehr,« lächelte Gibamund seinem Weibe zu. »Und er hat gar oft die Mauren viel weiter in die Wüste hinein verfolgt, und ihrer im Nachsetzen viel mehr erlegt – mit eigner Hand – als der Schutz Karthagos gerade verlangt hätte!« »Verzeihe mir der Himmel, was ich that über das Notwendige hinaus,« sprach Gelimer bekümmert. »Oft lähmte meinen Arm – mitten im Gefecht – der Gedanke: 's ist Sünde! Und auch sonst kam sie gar oft noch über mich, die alte Schwermut, die Peinigung der Sündenfurcht, das Schuldbewußtsein, die Last jenes Fluches der halbverbrannten Frau, das markaushöhlende Wort: ›Alles ist Sünde, alles ist eitel!‹

Da kam der Tag, der mir das Furchtbarste brachte: – Folterqualen, nicht sehr viel kleiner, als jene Katholiken, als des Verus Eltern und Geschwister erduldet hatten: – und zugleich die Entscheidung, die Rettung, die Erlösung – durch Verus. Ja, wie Jesus Christus mein Erlöser im Himmel ist, so ward dieser Priester mein Retter, mein Erlöser auf Erden.«

»Lästre nicht!« warnte Gibamund. »Ich bin – leider! – nicht ein so frommer Christ wie du –: aber dem Heiland, ist er auch nur gottähnlich, nicht gottgleich . . . –« »Gut hast du, mein Trauter, dein arianisch Bekenntnis auswendig gelernt,« lachte Hilde. »Der alte Hildebrand aber meinte: weder ähnlich noch gleich sei er den Göttern der Ahnen.« »Nein, denn sie sind Dämonen,« zürnte Gelimer und schlug ein Kreuz. »Christus möcht' ich doch,« fuhr Gibamund fort, »den finstern Verus nicht vergleichen.« »Mir war es ergangen ihm gegenüber wie euch, – wie Zazo, wie fast allen: er zog mich nicht an, er stieß mich eher ab. Daß er – er allein, aus seiner ganzen Sippe, deren Tod für ihren Glauben er mit angesehen – das Bekenntnis ihrer Henker angenommen, war es Todesangst, war es wirklich Überzeugung gewesen? – Ich mißtraute ihm! – Auch daß ihn König Hilderich, der Freund der Byzantiner, dessen Pläne gegen meine Thronfolge ich schon damals ahnte, so sehr begünstigte, mißhagte mir: – wie sehr ich Verus hierin Unrecht gethan, jetzt hat er's erwiesen: nur er, – er allein hat mich und das Vandalenreich errettet. So hat er handgreifbar vollbracht, was Gottes Wahrzeichen mir verkündete in der fürchterlichsten Stunde meines Lebens. – Vernehmt, was nur noch unser Zazo weiß, dem ich es als Antwort auf seine Warnung mitteilte. Höret nun und staunet und erkennet Gottes Zeichen und Wunder.«

 


 


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