Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

   weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

I. Kapitel.

Am nördlichen Polarmeere.

»Es ist doch eigentümlich dass wir heuer keine Walfische fangen können. So oft ich schon mit herauf fuhr, hatten wir während der Zeit doch 6-8 große Tiere gefangen wenn wir Kap Nassau erreichten. Der Kapitän will es jetzt im Norden von Nowaja Semlja versuchen, denn fast leer heim fahren, wäre doch gar zu ungeschickt. Aber die Zeit ist schon weit vorgestrichen, heute schreiben wir den 4. September und wenn die Sache nicht schnell abgemacht wird, kann es uns gehen wie dem Tegethoff, wir müssen dann galant sein und dem Kaiser Franz Joseph Land eine Visite abstatten. Donner und Doria, es wäre eine fatale Geschichte, wie die Eisbären hier einzufrieren.«

Dies vor sich hin brummend und eine kurze Stummelpfeife rauchend, stand der Steuermann Wonström an den Hauptmast des schwedischen Walfischfahrers Isbjörn (Eisberg) gelehnt und schaute auf die mit einzelnen Eisschollen bedeckte Wasserfläche. Es war heuer ein gutes Jahr inbezug auf die Eisverhältnisse. Man hatte die ganze Barendzsee fast eisfrei gefunden und dadurch ermutigt, hatte der Kapitän den Isbjörn so spät noch in diese hohen Breiten geführt.

Doch war dies eine gefährliche Sache, denn das bis dahin heitere Wetter konnte plötzlich umschlagen und den Isbjörn in eisige Fesseln schlagen.

Vor zwei Tagen hatte man Kap Nassau passiert, doch alle Fische die sich sehen ließen, verschwanden wieder, ohne daß man einen fangen konnte.

Das ganze Ergebnis war ein Walfisch und einige Walrosse, deren Speck wohlverwahrt in Fässern auf dem Schiffsboden lag.

Beim Eis-Kap wollte der Kapitän umkehren, auch wenn keine Wale gefangen würden; denn das Leben der Mannschaften und seinen Isbjörn wollte er nicht länger aufs Spiel setzen.

Zu der Mannschaft gehörte auch ein junger Deutscher von 17 Jahren. Er war aus Hamburg und die Sehnsucht nach Abenteuern hatte ihn veranlaßt, so halb und halb durchzubrennen.

Eduard Spiller besuchte das Gymnasium in Hamburg und er, der sehr kluge und gut beanlagte junge Mann war sitzengeblieben. Und warum? Er hatte sich in den Kopf gesetzt, Abenteuer aufzusuchen, ganz gleich welche.

Durch das schlechte Zeugniß und seine Unfähigkeit, in die Prima aufsteigen zu können, war sein Vater, der seinen Lebensunterhalt sauer mit Abschreibereien verdienen mußte, sehr böse geworden und hatte ihm erklärt, dass er selber für sich sorgen sollte, indem er kein Geld für einen Faulenzer besitze.

Eduard ließ sich dies nicht zweimal sagen. Er machte sich eine Schiffsgelegenheit nach Bergen in Norwegen aus, packte seine sieben Sachen zusammen, schrieb einen Brief an seinen Vater und dampfte dem nordischen Wunderlande zu.

In Bergen angekommen, traf er in einer Matrosenschenke mit dem 36-jährigen Steuermann Wonström zusammen. Dieser erzählte ihm, daß er in den nächsten Tagen mit dem Isbjörn nach Norden segeln würde, um in der Gegend von Nowaja Semlja den Walfischfang zu betreiben.

Das war etwas für unsern Eduard, und schnell bot er sich an, die Fahrt mitzumachen, er wolle sich jeder Arbeit unterziehen.

Wonström versprach ihm, mit dem Kapitän darüber zu sprechen und am anderen Tage brachte ersterer die Nachricht mit, dass Eduard aufgenommen sei; der Kapitän habe gemeint, zum Scheuern und Teeren werde er wohl taugen.

Auf das Scheuern und Teeren freute sich unser Eduard nun gerade nicht, jedoch der Gedanke, die nordischen Wunder, die Eisberge, die Nordlichter und den Walfischfang zu sehen, ließ ihn das Unangenehme der Schiffsjungenarbeit vergessen.

So war er denn bis zum 78. Grad nördlicher Breite gesegelt, das heißt, bis zu einer Gegend, wo die dauernden Wohnsitze der Menschen längst aufgehört haben; doch hatte er noch nicht viel bemerkt, daß er in einer solcher Gegend sich befinde. Von Eisbergen hatte er noch nicht viel zu sehen bekommen und in den nördlichen Sulmanjen-Bai, wo sie gelandet hatten, sah er neben kahlen Bergwänden auch grüne Wiesen mit Blumen, gerade wie zu Hause. Allerdings hatte er auch die schneebedeckten Häupter der Berggipfel bemerkt, und Wälder waren ihm auch noch nicht zu Gesicht gekommen, aber die Polargegend hatte er sich doch nicht so gemütlich vorgestellt. Doch er sollte die Schrecknisse bald kennen lernen.

Nachdem der Isbjörn einige Zeit im Norden von Nowaja Semlja gekreuzt hatte, ohne etwas fangen zu können, gab der Kapitän am 15. September, als das Baren-Kap in Sicht kam, ärgerlich den Befehl zur Rückfahrt. Was den Kapitän noch bestimmte, umzukehren, war der Umschwung des Wetters. Das Thermometer war bis auf -6° R. gesunken und ein frischer Nordostwind brachte viel Treibeis mit; dazwischen fiel oft dichter Nebel, der ein sehr vorsichtiges Fahren bedingte.


   weiter >>