Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXXII. Kapitel.

Rieseneidechsen.
Eine urweltliche Wasserfahrt.

Beim Absägen der Bäume waren sie auf ein mausartiges Tier gestoßen, das Eduard als eine Beutelratte, das älteste Säugetier der Erde 'Phascolomys Wombat' bestimmte. Sehr viele kleine Insekten, namentlich Käfer, umschwirrten sie. Termitenameisen bewohnten von ihnen selbst ausgehöhlte Baumstämme und am Flusse wiegten sich Scharen bunter Libellen.

Beide Freunde waren beschäftigt, ihr Floß zu bauen. Mit langen Nägeln und festen Stricken reihten sie Stamm an Stamm, und schon hätte es genügt, im ruhigen Fahrwasser damit zu fahren, aber es wurde größer, tragfähiger, und infolgedessen widerstandsfähiger gebaut; denn man konnte ja nicht wissen, was für wilde Gewässer zu durchschiffen sie gezwungen wären.

Als sie in der besten Arbeit waren, hörten sie plötzlich ein brechendes Geräusch.

Der Nebel verschleierte die Aussicht, sodaß sie nicht sehen konnten, wer das Geräusch hervorbrachte. Vorsichtig gingen sie den Tönen nach und erschraken nicht wenig, als sie eine kolossale Eidechse entdeckten, welche sich an einem Pandanus aufgerichtet hatte und die Blätter und Früchte abfraß.

Der Baum, welcher, trotzdem es erst April war, seinen vollen Blätterschmuck hatte, bog sich unter der Last des Riesentieres.

Einschalten muß ich noch, daß man hier nirgends eine Spur von einem kurz verflossenen Winter bemerkte und man konnte annehmen, was Eduard sagte, daß in der Jurazeit die Temperatur das ganze Jahr hindurch ziemlich gleich sei.

Als sie dem Treiben dieses neuen Vertreters der Jurazeit eine Weile zugeschaut hatten, sahen sie, wie ein zweites Ungeheuer herangelaufen kam.

Kaum erblickte dieses das erstere, als es sich kampfbereit machte und ohne eine Zögerung griffen sie einander an.

Die Abenteurer hörten das Knirschen der Zähne und Zerbeißen der Knochen. Eine zeitlang hatten sich die Saurier fest ineinander verbissen und als sie endlich wieder los ließen, suchten sie nur eine neue Stelle sich packen zu können. Dieser merkwürdige Kampf schien durchaus nicht hitzig zu sein. Alle Bewegungen waren abgemessen und langsam und wenn die fürchterlichen Zähne nicht so gearbeitet hätten, hätte man glauben können, das Ganze sei nur ein Spiel.

Dieses fürchterliche Spiel dauerte lange und war zu langsam, um für die Zuschauer auf die Dauer interessant zu sein.

Mittlerweile erklärte Eduard, daß das erste große Tier, welches sich an dem Baum aufgerichtet hatte, seiner Ansicht nach ein Iguanodon sei, während sein etwas kleinerer Gegner ein Hylätosaurus oder eine Waldeidechse sein müsse.

Beide hatten ein Horn auf der Nase und der Iguanodon einen sägenartigen Kamm auf dem Rücken.

Da löste sich der Knäuel, und mit schweren Wunden bedeckt, krochen beide fort.

»Hier gibt es ja liebenswürdige Tierchen,« sagte Wonström, »angenehme Nachbarschaft; wir wollen nur eilen, daß wir unser Fahrzeug fertig bringen; mir fängt es an, unheimlich zu werden.«

Endlich war das Floß aus den urweltlichen Stämmen fertig. Es war groß und breit; in der Mitte ragte ein Mast empor, der mit einem Segel geschmückt war, welches verschiedene Löcher hatte. Es war aus dem Segeltuchballen gefertigt worden, welchen das Dinotherium mit seinen Stoßzähnen bearbeitet hatte. Ein Steuer hatten sie nicht anbringen können, aber einige lange Ruder, die dessen Stelle vollständig vertreten konnten. Um den Rand hatten sie einen meterhohen Zaun geführt, sodaß das ganze Fahrzeug einen flachen, viereckigen Kasten glich. Und wie herrlich schwamm es!

Die beiden Freunde zögerten weiter nicht, vom Lande abzustoßen. Sie tauchten die Ruder ein und dahin fuhren sie auf dem trüben, schlammigen Gewässer.

Das Floß segelte prächtig, ein mäßiger Wind blähte das durchlöcherte Segel und stolz fuhr es den sehr ruhig fließenden Strom hinab.

Je weiter sie kamen, desto breiter wurde der Fluß; zuletzt wurde er so breit, daß der Nebel den in der Mitte dahin Fahrenden die Ufer verbarg.

Es war ein eigentümliches Gefühl, in einem solchen Dunstkreis dahin zu fahren, sie wußten schließlich nicht mehr, ob sie sich noch auf dem Fluß oder in einem Meere befanden.

Als Nahrung kamen ihnen die zahlreichen Fische, die sie sich mit kleinen Fleischstücken als Köder angelten, sehr gelegen. Es waren ebenfalls urweltliche Arten, sogenannte Ganoiden, die ihren Namen von den glänzenden, eckigen Schuppen erhielten.

Spiralförmig gewundene Muscheln, die oft die Größe von Wagenrädern hatten, segelten neben ihnen her, indem sie zu eindrittel oder einviertel aus dem Wasser ragten. Eduard war sehr erfreut darüber, es schienen alte Bekannte von ihm aus dem Gymnasium zu sein. Es waren Ammoniten oder Ammonshörner, die massenhaft in den Secundär- und Kreideschichten gefunden werden.

Andere Tiere, die Belemniten, interessierten ihn ebenfalls ungeheuer. Diese trieben in zahllosen Mengen ihr Wesen im Wasser. Es waren tintenfischartige Weichtiere, deren Körper in einer kalkigen Schale steckten. Der hintere Teil dieses Gehäuses war spannlang und hatte die Form eines Fingers oder einer Lanzenspitze.

Während das ganze Gehäuse zart und leicht zerbrechlich, war der hintere fingerartige Teil fest und wenig hohl. Von diesen Belemniten werden jetzt meist nur die lanzenförmigen Hinterteile gefunden, aber stellenweise in großer Menge. Das deutsche Volk kennt sie unter den Namen 'Teufelsfinger' und 'Donnerkeile' und schreibt ihnen allerlei heilsame Wirkung zu.


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