Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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IX. Kapitel.

An der Hasen-Bai.

Der Wind war günstig; denn ein sanfter Süd-Ost blies auf die Insel zu.

Die sechs Boote wurden mit den Tauen aneinander gebunden und in dem vordersten größten die Segel gespannt. Noch einmal grüßten sie nach dem Isbjörn und dem Eishause hinüber, während ein Hauch von Wehmut über ihre Seele flog. Es war ihnen, als verließen sie liebe Freunde, mit denen sie Angst und Sorge, aber auch manche Freude geteilt hatten. Dann stiegen sie beide mit Hans, der diese Vorbereitungen mit Bewunderung angesehen hatte, in das vorderste Boot und mit einem frommen Gebete stießen sie von der alten Eisscholle, die so lange ihre Heimat gewesen, ab.

Das Wasser war wenig bewegt und der Wind sanft; so gelangten sie nach vier Stunden mit allen ihren sechs Booten glücklich in eine Bucht der Insel, in welcher sie ankerten.

Die Bucht, in der sie eingelaufen waren, nannten sie 'Hasen-Bai', weil sie verschiedene Hasen an dem Lande antrafen. Die Insel selbst erhielt den Namen 'Freies Land'.

Hier wollten sie eine kurze Zeit bleiben, um einen Entschluß zu fassen, was sie in Zukunft beginnen wollten.

Wonström schlug vor, zu allererst ein Zelt aufzustellen, das sie vor etwaiger Witterungsunbill schützen könne; dann in zweiter Linie einen Hasen zu braten, der allerdings erst geschossen werden mußte.

Edward war natürlich mit allem einverstanden und bat sich aus, den Braten schießen zu dürfen.

Dies wurde ihm gewährt und nachdem er mit Wonström ein Zelt aus dem einen Boote geholt und aufgestellt hatte, nahm er seine Büchsflinte, die er am liebsten führte und begab sich auf die Jagd.

Büchsflinten nennt man diejenigen zweiläufigen Gewehre, deren rechter Lauf zum Kugel- und deren linker zum Schrotschießen eingerichtet ist, je nachdem man großes oder kleines Wild zu erlegen hat.

Winström, der bei der Menge von Hasen, die es hier zu geben schien, mit Recht hoffen durfte, Eduard als glücklichen Jäger bald heimkommen zu sehen, richtete einen Feuerherd vor, der aus einer runden Schüssel bestand. In diese wurde Fischthran gegossen und um den Rand Leinwand- und Tuchflecken gelegt. Diese sogen sich voll Thran und wurden dann angezündet.

So ähnlich wie Wonström seinen Kochherd herrichtete, bauen die Eskimos ihre Lampen und Kochapparate, nur daß der Behälter des Thrans ein ausgehöhlter Stein und das um den Rand gelegte Zeug getrocknetes und zusammengedrehtes Moos ist.

Diese Thranlampen der Eskimos erwärmen und erleuchten im Winter zugleich ihre Erd- oder Eishütten, sie sind also sehr vielseitig.

Eduard wanderte mittlerweile, das gespannte Gewehr in der Hand, auf noch nie betretenem Lande.

Er hatte Hans mitgenommen, der den Jagdhund abgeben sollte.

Die Hasen-Bai lag am Fuße eines Bergkegels mit stumpfer Spitze. Der Berg selbst bestand aus viel zerklüfteten Felsen, die zum Teil mit Gras, Moos und Zwergbirken bewachsen waren.

Diesen Berg kletterte Eduard hinauf, um zugleich ihren jetzigen Wohnort aus der Vogelperspektive mit betrachten zu können.

Als er ziemlich den Gipfel erreicht hatte, sprang plötzlich ein Hase auf.

Eduard schoß ihn mit Schrot nieder, doch hatte der Hase noch so viel Kraft, sich wieder aufzuraffen und in einer Felsenschlucht zu verschwinden.

Hans natürlich, der an das Jagdvergnügen schon gewöhnt war, sprang hinterher und verschwand ebenfalls in der Felsenschlucht.

Eduard, der Hans nachspringen sah, fürchtete, daß dieser den Hasen vor seinem Hinzukommen verschlingen möchte; deshalb beeilte er sich, so schnell als möglich nachzukommen. Als er in die Schlucht trat, strömte ihm eine warme Luft engegen und fünfzig Schritte weiter sah er, wie Hans den Hasen herumwürgte, der sich vergebens bemühte zu entkommen.

Als Eduard hinzukam, wollte Hans sich eben anschicken, den Braten zu verzehren, doch Eduard verbot sich diese eigenmächtige Handlung und nahm ihm den Hasen aus dem Rachen. Hans, der sich stets einer strengen Disziplin unterwarf, hatte auch nichts dagegen und ließ sich seine Beute willig nehmen.

Jetzt fiel Eduard die außerordentliche Wärme der Schlucht auf und er überlegte, was wohl der Grund dazu sein könne. Er ging weiter und sah in einiger Entfernung weiße Dämpfe aufsteigen, die sich oben in der Luft verloren. Als er dort hinkam, wo die Dämpfe aufstiegen, bemerkte er, daß sie aus einem weiten Felsenkessel strömten, dessen eine Hälfte von diesen Dampfmassen angefüllt war, während die andere Hälfte frei zu sein schien. Der Dampf kam stoß- oder ruckweise empor und in einer schauerlichen Tiefe bemerkte er eine verworrene Felsmasse.

Eduard wußte nicht, wie er sich das Naturspiel erklären sollte und beschloß, Wonström davon zu unterrichten, unter Umständen die Sache mit ihm zu untersuchen. Er nahm seinen Hasen und machte sich mit Hans auf den Heimweg.


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