Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXXV. Kapitel.

Die Rückreise.

Mit aufgehobenen Händen danken sie dem lieben Gott für die Errettung und begannen dann ihr zerrissenes Floß wieder notdürftig auszubessern, indem sie die halb abgerissenen Stämme mit Stricken wieder festbanden.

Mittels des einen ihnen noch übrig gebliebenen Ruders lenkten sie ihr Fahrzeug direkt nach Süden und kamen auch glücklich wieder in die Mündung des Flusses, den sie Jurafluß getauft hatten.

Währenddessen frug Wonström mit ironischem Lächeln: »Nun Eduard, wollen wir noch einen kleinen Versuch machen, den Nordpol zu erreichen?«

»Nein, nein, ich danke für weiteres Vergnügen; habe ich doch jetzt die Ueberzeugung gewonnen, daß kein Sterblicher lebendig an den Drehpunkt der Erde gelangen kann. Gegen das Unmögliche können Menschen nicht ankämpfen.«

Das Land wurde 'Land der Rieseneidechsen' genannt und die Flußmündung 'Todeswasser'; das Meer bekam den Namen 'Nebelmeer'.

Jetzt bemerkten sie auch, daß sie ihre Instrumente bei der schnellen Flucht auf dem nördlichsten Land stehen gelassen hatten.

Dies wäre für sie ein schrecklicher Verlust gewesen, mit dem sie sich unter Umständen gar nicht wieder nach dem gebildeten Süden gefunden hätten, doch in der Ansiedelung hatten sie ja Ersatz.

Den Kopf des Plesiosaurus hätten sie gern als Andenken gehabt, aber er war bei dem Angriff des Ichtyosauren über Bord gefallen.

Der Wind trieb das Floß langsam aber sicher der geringen Strömung des Flusses entgegen. Endlich kamen sie an der Gegend vorbei, wo sie ihr Fahrzeug gebaut hatten. Um sich die Rückreise soviel als möglich zu erleichtern, fuhren sie den Fluß weiter hinauf, bis die Strömung so stark wurde, daß sie nicht mehr vorwärts konnten. Nun landeten sie, nahmen ihre Säcke auf den Rücken, hingen ihre Flinten um und wanderten dem Eispaß zu.

Der Nebel hatte sich gesenkt und vor sich sahen sie den dreigipfeligen Bismarckskopf und die steile Nebelspitze.

Ohne ein weiteres erwähnenswertes Vorkommnis stiegen sie über den Eispaß und gelangten nach einer dreiwöchentlichen Abwesenheit wieder bei der Ansiedelung an.

Hans, der Riesenvogel hatte eine unbändige Freude. Er hatte während seiner Gefangenschaft in der größten Gefahr geschwebt; denn die Höhlenwölfe hatten wiederholt versucht, in seine Behausung zu dringen, doch hatte die Befestigung ihren Zähnen widerstanden, deren Spuren man allenthalben sehen konnte.

Es war am 24. April, als sie wieder bei der Ansiedelung ankamen. Wollte man in diesem Jahre noch die große Rückreise bewerkstelligen, so durfte man nicht zögern, aufzubrechen.

Ein paar Tage gönnten sie sich der Ruhe, dann aber wurden die Sachen in die ganz gut erhaltenen Boote gepackt und der Naturschatz in einen wasserdichten Sack gesteckt, damit dieser ohne weiteren Schaden nach Europa käme.

Auf der Reise nach Norden war er von den Wasserfluten ganz durchweicht worden und Eduard hatte sich die größte Mühe gegeben, die einzelnen Blätter wieder an der Sonne zu trocknen. Es war ihm auch gelungen, alles Geschriebene leserlich zu erhalten, aber noch einmal durfte es nicht passieren.

Am 1. Mai standen sie in der Waldbucht und nahmen Abschied von dem merkwürdigen Lande, welches sie so lange bewohnt hatten.

Wonström saß in dem größten Boote, an welches die fünf anderen gekettet waren und lenkte die schlangenartige Flotte genau wie sie es bei der Reise nach dem warmen Polarlande gemacht hatten.

Eduard dagegen ging am Rande des Meeres dahin, seinen Hans am Zaume führend und das Gewehr auf dem Rücken.

So zogen Beide westlich, der eine zu Wasser, der andere zu Lande, bis zum 50. Grad westlicher Länge. Von hier aus wollten sie zu Wasser nach Süden ziehen, um den Norden Grönlands zu betreten.

Die Reise ging ganz gut von Statten, denn es war freundliches Wetter und kein Sturm nötigte Wonström, mit seinen Booten Schutz in einem Hafen zu suchen, was jedenfalls eine ziemliche Spanne Zeit in Anspruch genommen hätte.

Bis zum 40. Grad westl. Länge waren sie ungefähr gekommen, als sich die Landgrenze, welche sich bis jetzt immer zwischen dem 87. und 88. Breitengrad hingezogen hatte, nach Süden wandte.

Eduard und Wonström, welche immer Fühlung miteinander hatten, obgleich der eine zu Wasser, der andere zu Lande reiste, nahmen sorgfältigst die neuen Landgrenzen auf und gaben gewissen hervorragenden Punkten und größeren Inseln Namen.

Das sich nach Süden erstreckende Land erkannten sie bald als eine große Halbinsel, was ihnen der sich im Westen ausdehnende Wasserhimmel anzeigte.

Auf dieser Reise hatten sie zwei Landvorsprünge 'Kap der Heimfahrt' und 'Sommerkap' benannt und eine große vorgelagerte Insel 'Robbeninsel', weil sie auf derselben viele Seehunde bemerkt hatten. Die Meeresstraße zwischen dem Festlande und der Robbeninsel, welche Wonström passiert hatte, nannten sie 'Durchfahrt der sechs Boote'.

Je weiter sie nach Süden kamen, desto spärlicher wurde die Vegetation, und als sie die südliche Spitze der Halbinsel erreicht hatten, welche 85° 35' nördl. Breite und 50° östl. Länge lag, hatte der Baumwuchs aufgehört und nur einige verkrüppelte Exemplare ragten hie und da aus dem Grase hervor.

Hier war es auch, wo sie das erste schwimmende Eis antrafen, weshalb sie das Kap 'Eiskap' nannten.


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