Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XVIII. Kapitel.

Die Ansiedelung.

Am Feuer hatten die beiden Freunde nun Zeit, ihre Lage zu besprechen. Der phantastische Eduard schlug die Bedenken Wonströms, ob sie jemals Europa wieder sehen würden, in den Wind und meinte: »Wenn wir hier bleiben müssen, ist unsere Lage auch nicht besonders schlimm, wir führen dann ein Robinsonleben, was ich in einer solchen Gegend wie hier nicht so entsetzlich finde.«

»Zum Vergnügen einige Zeit Robinson spielen, wäre so übel nicht, aber für die Dauer – brrr – da wird mir unheimlich, wenn ich daran denke. Die Gegend scheint zwar ganz gemütlich hier zu sein und wenn ich's nicht genau wüßte, daß wir ziemlich beim Nordpol wären, würde ich glauben, in der Gegend von Seeland zu sein. Jedenfalls müssen wir aber jetzt Halt machen, den Winter hier verbringen, also uns hier ansiedeln.«

So wurde denn beschlossen, einen passenden Ort zu suchen, wo sie ihr Heim einrichten könnten.

Als ihre Beine notdürftig wieder geheilt waren, setzten sie ihren armen, im Kampfe gefallenen Hans ein Denkmal. Sie trugen Steine zusammen und setzten diese zu einer Pyramide auf. Aus der Mitte ragte eine Stange, auf deren Spitze Hansens Schädel prangte.

Dann machten sie sich über die kleinen Schweine, denen sie die Haut abzogen.

Als ihre Beine wieder leistungsfähig waren, brachen sie wohlgerüstet auf, einen Ort zum Übersiedeln zu suchen.

Sie wanderten den Wildsteig weiter, auf welchem sie den Kampf mit den Schweinen bestanden hatten. Nach einer einstündigen Wanderung hatten sie den Wald durchschritten, und vor ihnen breiteten sich bunte Wiesen aus mit schon etwas gelb werdendem Grase. Im Hintergrunde stieg eine hohe Bergkette auf, die sich nach rechts und links so weit dehnte als das Auge reichte. Sie schritten durch das Gras und bemerkten, daß auch dieses mit Wildsteigen vielfach durchzogen war, was auf einen großen Wildreichtum schließen ließ. Weiter und weiter ging ihre Wanderung und jeder Schritt führte sie dem Nordpol näher. Als sie am Fuße des Gebirges angekommen waren, machten sie Halt. Die Wanderung und die schrägen Strahlen der Sonne hatten beide warm gemacht; sie zogen gebratenes Schweinefleisch heraus und lagerten sich an einem kleinen munteren Bache.

Die Gebirgshänge waren wieder mit dichten Wald bewachsen und es schien, als ob ihre Wanderung in der Hauptsache beendet wäre.

»Hier wäre die Gegend zur Ansiedelung eigentlich ganz praktisch,« nahm Wonström das Wort. »Fische, klares Trinkwasser, Feuerholz in Menge, hier freie Aussicht, da das Gebirge mit dem Urwalde, die vielen Wildfährten; ich glaube, wir siedeln uns hier an. Vielleicht finden wir auch irgend wo Lehm, daß wir Ziegeln brennen können, woraus wir uns ein festes Haus bauen werden. Menschen haben wir hier nicht zu fürchten, wie es aber mit den wilden Tieren aussieht, diese Frage ist noch nicht beantwortet.«

Wie Wonström es vorschlug, so wurde es auch. In den nächsten Tagen herrschte in der Waldbucht ein reges Leben. Beide waren beschäftigt, einen Wagen zu bauen, auf dem sie ihren Reichtum nach dem Ansiedelungsplatz überführen wollten.

Zu diesem Zwecke hatten sie eine Fichte gefällt und aus dem Stammende vier Scheiben geschnitten, die als Räder dienen sollten.

Ein Boot zertrümmerten sie, aus dessen Brettern sie das Gestell bauten. Nach einigen mißlungenen Versuchen glückte es ihnen, einen dauerhaften, festen, wenn auch plumpen Karren herzustellen.

Beim Ansiedelungsplatz hatten sie eine lehmartige Erde gefunden, die sich zum Ziegelbrennen sehr gut eignete, weshalb sie sich auch nicht lange bedachten, sondern zur Ausführung schritten.

Als der Wagen fertig war, wurde er mit Proviant, Werkzeugen aller Art und sonstigen unentbehrlichen Sachen beladen. Die Boote wurden doppelt fest angebunden, damit sie ein etwaiger Sturm nicht losreißen könne und dann der Marsch angetreten.

Es war eine beschwerliche Geschichte, dieser Transport. Es ging langsam, sehr langsam über die Wurzeln des Wildsteiges.

Öfters wurde der Weg so eng, daß er mit Äxten und Sägen weiter gemacht werden mußte; doch unsere Abenteurer hatten die Geduld gelernt. Endlich kamen sie doch an's Ziel.

Zuerst wurde ein kleines Zelt aufgeschlagen, dann ging es an's Ziegelmachen. Wonström nagelte kleine Bretter zu Ziegelformen zusammen und Eduard grub mit einem Spaten den Lehm heraus. Da letzterer noch etwas hart war, so wurde er mit Wasser vermengt, bis er eine zähe, bindende Masse abgab.

Lustig platschten sie den Lehm in die Formen und bald waren sie so gewandt in dieser Arbeit, wie die besten Ziegelarbeiter Europa's.

Die fertigen weichen Ziegel setzten sie in Pyramiden auf, die in der Mitte hohl waren. Sodann holten sie vom nahen Walde dürres Holz, stopften das Innere der Pyramiden damit voll, umgaben das Äußere ebenfalls damit und zündeten dasselbe mittels Pulver an. Diese feurigen Meiler nährten sie so lange mit dürrem Holz, bis sie die Ziegel richtig durchgebrannt glaubten. Als die Ziegel erkaltet waren, hatten sie zu ihrer großen Freude das schönste harte Baumaterial.

Jetzt galt es, die Balken anzufertigen. Das war freilich eine beschwerliche Arbeit; dennoch wie unendlich leichter ging es mit ihren scharfen eisernen Äxten gegenüber denen des Robinson Crusoe, der mit seinem steinernen Beile dieselbe Arbeit verrichten mußte.

An Nahrung fehlte es ihnen nicht. Einige Male hatten sich Tiere gezeigt, die einige Aehnlichkeit mit Eseln hatten. Es war eine Vereinigung der Vielhufer mit den Wiederkäuern. Die Eckzähne erinnerten an jene der Nashörner und Kamele; die Schwänze waren wohl über einen Meter lang und in der äußeren Gestalt näherten sie sich den Eseln, hatten auch ungefähr diese Größe, die Hufe waren gespalten.

Von diesen ihnen ebenfalls unbekannten Tieren hatte Eduard einige erlegt, welche ein gutes und kräftiges Nahrungsmittel gaben.

Als sie eine genügende Anzahl Balken vorgerichtet hatten, begannen sie den Grundbau. Kalk hatten sie freilich nicht, doch dünner breiiger Lehm vertrat seine Stelle.

Am 15. Oktober war das Haus fertig. Die kleinen Kajütenfenster vom Isbjörn, die sie wohlweislich mitgenommen hatten, gaben dem Ganzen ein recht freundliches Aussehen.

Jetzt galt es, den Inhalt der Boote selbst herzuschaffen. Das kostete abermals große Mühe, doch nach Verlauf von vierzehn Tagen war alles in das neue Heim übergeführt worden.


 << zurück weiter >>