Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXI. Kapitel.

Vorsintflutliche Vögel.

Als Eduard so allein da saß und auf Wonström und den Wagen wartete, schossen ihm verschiedene Gedanken durch den Kopf. So dachte er, wenn dieser Riesenvogel lebte, so könnte er zum Reiten benützt werden, vorausgesetzt, daß er nicht zu wild und unbändig wäre.

Der afrikanische Strauß ist zu schwach, um einen erwachsenen Menschen tragen zu können und höchstens Kinder sind im Stande, auf ihm zu reiten. Dieser dagegen hat die Beine stärker als ein Pferd und noch einmal so lang. Seine Schnelligkeit müßte also die eines Pferdes bei weitem noch übertreffen.

Aber wie merkwürdig, daß hier lauter fremde, in der Naturgeschichte noch unbekannte Tiere angetroffen wurden. Diese riesenhafte Größe erinnert fast an den schon längst ausgestorbenen Riesenmoa von Neuseeland.

Riesenmoa? Was war das für ein Gedanke!

Der Riesenmoa gehörte zu den vorsintflutlichen Tieren; er hat in der Diluvialzeit gelebt und war Zeitgenosse der Mammute, der Riesenhirsche oder Breithörner, der Höhlenbären, Höhlenlöwen und Höhlenhyänen.

Welcher Gedanke! Sollte dieses vollständig abgeschlossene Stück Erde noch Teile der Urzeit repräsentieren?

Er dachte an die merkwürdigen Wölfe, die eigentümlichen Rehe, die fremden Esel, die kleinen Schweine und an den Knorpelfisch im Teiche bei der Eidechsenbucht.

Unter den Büchern der Schiffsbibliothek glaubte er ein Buch gefunden zu haben, welches die frühere untergegangene Welt behandelt, welche unter den Namen Urzeit bekannt ist, dieses wird sicher Aufschluß geben, ob diese Tiere der längst vergangenen Zeit angehören oder nicht.

Wenn nur Wonström bald mit dem Wagen käme. Das Buch lag ihm im Sinn. Sein Forscher- und Entdeckertrieb ließ ihm jetzt keine Ruhe mehr.

Wie er so da saß neben dem Moa und in der Diluvialzeit im Geiste herumwanderte, sah er plötzlich einen langschwänzigen Vogel mit raschem Flügelschlag dahergeflogen kommen. Eduard, der in diesem einen neuen Vertreter der Urzeit zu erblicken glaubte, hob rasch sein Gewehr auf, zielte und schoß ihn mit dem linken Lauf, der mit Schrot geladen war, herunter.

Der Vogel mochte ungefähr die Größe einer Krähe haben. Sein Gefieder, das merkwürdig hart und grob war, hatte eine graue Farbe.

Als Eduard das Exemplar eine zeitlang mit Kennerblick betrachtet hatte, rief er aus: »Wahrhaftig, das ist ein Archäopteryx oder Altvogel, der älteste Vogel der Welt. Hier ist der lange, zweireihig gefiederte Schwanz, die mit Krallen besetzten Flügel und der mit schmalen, spitzigen Zähnen besetzte Schnabel; die Gestalt ist die einer Eidechse.

Jetzt bin ich sicher, in der Urwelt zu leben.

Aber der Archäopteryx, wenigstens die zwei im Solenhofener Gestein gefundenen Exemplare, gehören doch der Jurazeit an. Wie soll ich mir das zusammenreimen, einen Archäopterix in der Diluvialzeit?

Mir bleibt der Verstand steh'n. Jetzt soll mich's nicht mehr Wunder nehmen, wenn wir Pterodaktylen, Ichthyosauren und Plesiosauren auch antreffen.«

Er saß da wie geistesabwesend und starrte vor sich hin; jedenfalls konnte er das alles nicht so schnell fassen.

Endlich kam Wonström.

Eduard konnte diesem nicht genug erzählen und beschreiben von seiner neuen Entdeckung.

Wonström war allerdings ebenfalls sehr verwundert über diese Offenbarung, aber keineswegs so aus dem Häuschen wie sein junger Freund, deshalb sagte er auch: »Was du mir da sagst, ist zwar alles recht merkwürdig, fast möchte ich sagen unglaubhaft, aber jetzt müssen wir die Gelehrsamkeit ein wenig in den Hintergrund drängen. Komm, fasse mit an, daß wir deinen Riesen-Moa auf den Wagen laden; zu Hause wollen wir weiter darüber sprechen.«

Eduard war höchst erstaunt über Wonström's ruhiges, gleichgiltiges Wesen, aber er gehorchte sofort und ihren vereinten Kräften gelang es, den Moa auf den Transportwagen zu befestigen. Der Archäopteryx wurde natürlich ebenfalls mitgenommen; desgleichen ein großes Quantum von dem salzigen Thon.

Mit Ächzen setzte sich das schwere Gefährt in Bewegung.

Im Schweiß gebadet, kamen sie bei der Ansiedelung an. Bevor Eduard sich aber seinen urweltlichen Studien widmen konnte, mußte er erst Feuer machen.

Da aber Wonström bemerkte, wie aufgeregt Eduard war, besorgte er das Essen allein und ließ seinen Freund in den Büchern herum kramen.

Endlich hatte dieser gefunden, was er suchte.

Er hielt 'Zimmermann's Urzustand unseres Weltkörpers' in der Hand.


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