Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXXIII. Kapitel.

Kampf mit einem Plesiosaurus.

Das Wasser war wenig bewegt, sie hatten schon geraume Zeit keine Ufer mehr gesehen und segelten mit Hilfe eines Kompasses nach Norden.

Da plötzlich tauchte auf ihrer rechten Seite ein krokodilartiges Tier von riesiger Größe auf.

Aus seinen Nasenlöchern schossen zwei Wasserstrahlen drei Meter hoch empor.

Die Augen waren tellergroß und die Füße sahen den Vorderflossen der Seehunde ähnlich. An Länge gab das Tier einem Walfisch nichts nach, aber der kolossale Rachen war mit einer Unzahl von scharfen, langen Zähnen bedeckt.

Langsam, wie spielend trieb das Ungeheuer bei ihnen vorbei und verschwand im Nebel.

Eduard hatte dieses Riesentier genau mit einem Opernglase betrachtet, folglich seine Beschaffenheit und die Einzelheiten ganz deutlich gesehen.

»Das war ein Ichthyosaurus oder eine Fischeidechse. Es ist das größte und schrecklichste Tier der Urzeit. Gott sei Dank, daß es uns nicht bemerkt hat,« rief Eduard.

Stumm schauten beide in den Nebel, der ihnen keine weite Aussicht gestattete. Es war ihnen, als müßten ihnen noch mehr solche Ungeheuer begegnen, aber es blieb ruhig und nur Ammoniten und Belemniten schossen vorüber.

Da zerriß der Nebel vor ihnen, und in nicht zu weiter Ferne sahen sie Land vor sich.

Auf diesem Lande muß der Nordpol liegen, der Drehpunkt der Erde.

Trotz der sie umgebenden Gefahren jubelten sie auf, aber die laute Freude inmitten der gespensterhaften, nebligen Stille wäre ihnen beinahe schlecht bekommen.

Sofort nach dem Aufjubeln sahen sie, wie aus dem Nebelmeere ein schwanartiges, kolossales Ungeheuer mit gelbleuchtenden Augen auftauchte und auf sie zusegelte.

Der schlangengleiche Hals wand sich hin und her, während aus dem mit großen spitzigen Zähnen besetzten Rachen die gespaltete Zunge hervorstach.

»Großer Gott, ein Plesiosaurus,« hauchte Eduard.

Das Ungeheuer bewegte sich mit vier ruderartigen Füßen vorwärts, und schrecklich war es anzusehen, wie die drohende Gestalt näher und näher kam, das Floß mit den unglücklichen Menschenseelen scharf im Auge habend.

In ihrer Angst wußten die beiden Abenteurer nicht, was zu beginnen.

Wonström hielt die geladene Flinte in den bebenden Händen und Eduard zog mechanisch den schweren Säbel.

Was waren aber diese armseligen Waffen gegen ein solches riesiges Untier?

Wonström zielte mit seinem Gewehr nach den Kopfe des Ungeheuers, doch war es ihm unmöglich, das Ziel richtig zu fassen, deshalb, es war die höchste Zeit, schoß er seine beiden Läufe gegen die breite Brust ab. Aber wie zu erwarten war, kümmerte sich dieses Riesentier nicht darum. Es ruderte heran und hob sich aus dem Wasser empor, indem es die Vorderflossen auf den Rand des Flosses aufsetzte. Dieses durch die Last auf der einen Seite niedergedrückt, legte sich schräg, während die beiden Freunde auf der höheren Seite hinter den Mast sich zu retten suchten.

Da öffnete der Plesiosaurus seinen Rachen und bog den Hals zurück, gerade wie eine Schlange, die sich auf ihre Beute stürzen will.

Schrecken erfaßte die beiden bei diesem greulichen Anblick und mit starren, weit geöffneten Augen blickten sie auf das schreckliche Schauspiel.

Da schoß das Ungeheuer vor und packte den Mastbaum ziemlich weit unten; die starken Zähne gruben sich bis an ihre Wurzeln in das Holz, welches krachte und splitterte und durchgebissen zu werden drohte.

Da, in der entsetzlichsten größten Not wurde Eduard von einem Wahnsinn gepackt, den nur die Verteidigung und Erhaltung des Lebens hervorbringen kann. Er, der durch sein vorschnelles, leichtsinniges Gebahren sich und Wonström schon öfter in die größte Lebensgefahr gebracht hatte, sollte diesmal der Retter sein.

Er stürzte mit dem schweren Säbel in der Faust auf den Plesiosaurus, der sich in den Mast festgebissen hatte, los und und schlug ihm mit einem mächtigen Hiebe den Hals durch.

Der Hieb war so glücklich geführt worden und mit einer solchen Kraft, die nur die Verzweiflung verleiht, daß der Kopf vollständig vom Rumpf getrennt wurde.

Der schwere Körper fiel zurück in's Wasser, welches er in krampfhaften Zuckungen und Schlägen bis tief hinein aufwühlte, während der abgeschlagene Kopf mit dem Halsstumpf auf dem Floß hin- und herschnellte und die greulichen Kiefern auf- und zuklappten.

Nach einiger Zeit hörte die Bewegung des Kopfes auf, noch ein letztes, weites Gähnen und der Tod war eingetreten.

»O Eduard, diesmal hast du alles wieder gut gemacht; deine Entschlossenheit hat uns das Leben gerettet. Aber ich glaube, wir verzichten auf die Weiterreise; denn solchen Gefahren sind wir nicht gewachsen.«

»Umkehren? Jetzt so nahe am Ziele?« rief Eduard. »Ach Wonström, es würde mir das Herz brechen, wenn ich das Ziel, wonach mein ganzes Sinnen und Trachten steht, nicht erreichen würde.«

»Aber in anbetracht solcher Schrecknisse können wir ja nichts anderes thun. Weiter nach Norden vorzudringen, hieße dem sicheren Tode entgegengehen. Übrigens hat sich auch der Wind gedreht; wir haben Nordwind, müßten also, um nordwärts zu kommen, uns der Ruder bedienen und das Geräusch, das nicht zu umgehen ist, würde uns bald mehr solche Scheusale auf den Hals locken.«


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