Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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IV. Kapitel.

Die beiden Freunde.

Wonström war von Natur leichtlebig angelegt und wie wir sahen, ist er, obwohl er eben in Todesgefahr gestanden und sich noch immer in mißlichster Lage befindet, doch voller Humor. Es ist auch das beste unter solchen Umständen, und ein solcher Charakter übersieht manches Leid und reißt unwillkürlich auch seine Leidensgefährten mit sich fort.

Wonström, ein geborener Schwede, war früher viel auf deutchen Kauffahrern bedienstet gewesen und hatte sich dadurch die deutche Sprache angeeignet. Als Sohn eines Ostseefischers hatte er den Seemansberuf als Schiffsjunge begonnen.

Durch seinen Fleiß und klaren Verstand hatte er es vom Matrosen zum Untersteuermann gebracht und war schließlich, nachden er fast alle Weltmeere befahren hatte, von dem Kapitän des Isbjörn als Steuermann gemietet worden. Mit diesem Fahrzeug hatte er schon zwei Reisen in das Polarmeer gemacht und bei dem Walfischfang großen Mut und viel Umsicht gezeigt.

Dies war seine dritte Polarreise, welche so unglücklich ausfiel, während er von den zwei ersten auf dem reich mit Speck beladenen Schiffe ohne Unfall wieder heimgekehrt war.

Der Kapitän des Isbjörn war sonst ein sehr vorsichtiger Mann, doch das Mißgeschick, gar keine Wale fangen zu können, hatte ihn seine gewohnte Vorsicht vergessen lassen, und so war es gekommen, daß er trotz der Vorstellungen Wonströms darauf bestanden hatte, in so später Jahreszeit noch in solch' hohen Breiten zu kreuzen.

Wonström war groß und stark gebaut und dadurch, daß er nach Seemansart ziemlich breit ging, hatte seine Gestalt etwas Vierschrötiges an sich. Aus seinem klugen Gesichte blitzten ein paar muntere blaue Augen, die sein humoristisches Wesen verrieten.

Seine flachsblonden Haare waren mit einer Pelzmütze aus Seeotter bedeckt, und sein Oberkörper steckte in einer dicken, wollenen, von Thran durchdrungenen Teerjacke. An den Füßen hatte er mächtige Pelzstiefeln, in welchen die dicken, wollenen Beinkleider, die ebenso schmierig waren wie die Teerjacke, steckten.

Eduard Spiller war, wie wir schon vernommen haben, seinen Eltern durchgebrannt. Sein Vater hatte es nicht so ernst gemeint, seinen Sohn im Stich zu lassen, weil er durch jugendlichen Leichtsinn das Zeugnis zum Aufsteigen sich verscherzt hatte. Aber den Zorn seines Vaters hatte er sich zu Nutze gemacht und war unter dem Schein des Rechts von Hause fortgegangen.

Eduard was für sein Alter groß und stark. Er hatte einen mehr ruhigen und schwärmerischen Character als einen lustigen und glaubte fest, ein berühmter Mann zu werden. In seinen blauen Augen leuchtete Stolz und ein Selbstbewußtsein, was ihm von Zeit zu Zeit einen sehr geistreichen Ausdruck verlieh.

Die Welt vergleicht den Character der Menschen mit den Magnetpolen. Nord und Süd zieht sich an, während zwei Nordpole sich abstoßen, desgleichen zwei Südpole.

Wonström und Eduard hatten zwei ganz verschiedene Charactere, und dieses mag wohl der Grund gewesen sein, daß sie so feste Freundschaft auf dem Schiff geschlossen hatten.

Nun hatte sie noch das Schicksal aneinander gekettet und es ist ja bekannt, daß gemeinsames Leid die Menschen eng verbindet. Also die beiden Leidensgefährten paßten so gut zusammen, wie kaum zwei andere. Der Unterschied der Jahre und die reiche Erfahrung Wonströms gegenüber den jungen phantastischen Spiller tat der Freundschaft keinen Eintrag, zumal jetzt, da ihnen jeder andere Umgang abgeschnitten war.

Eduard war so ähnlich wie Wonström gekleided und durch seine Beschäftigung auf dem Schiffe, Scheuern und Teeren, war seine Kleidung mindestens ebenso schmierig und schwarz als die seines Freundes. Uebrigens sind die Walfischjäger alle, vom Kapitän bis auf den Schiffsjungen herab, gleich schmutzig. Das Speckschneiden und -verpacken ist ein gar fettiges Geschäft.

»Eduard, komm' her, meiner ausgezeichneten Kochkunst ist es gelungen, ein Getränk zu brauen, das würdig wäre, die Tafel eines Königs zu zieren,« mit diesen Worten schöpfte Wonström aus einem rußigen, kupfernen Kessel mit einem blechernen Topfe eine braune, dampfende Flüssigkeit und stieß ein behagliches »Ah« aus. »Der feinste Geruch von der Welt; komm laß deine Metzelei unter den Eisstücken sein und labe dich an dieser feurigen Himmelsgabe.«

Eduard ließ sich dies nicht zweimal sagen, er legte seinen Säbel hin, den er tapfer geschwungen hatte, um den Eisstücken die rechte Form zu geben, und holte sich mit einem Blechtopfe ebenfalls Thee aus dem Kessel. Er fuhr damit zum Munde, doch sofort setzte er wieder ab, indem er brummte: »Dein Königstrank ist verteufelt heiß, aber ich will mir erst die Hände daran wärmen,« und er umklammerte den Topf mit seinen erstarrten Fingern.

»Ist er dir zu heiß, mein Sohn, so lege einen kleinen Eisberg hinein, der wird schon für die nötige Kälte sorgen, Auswahl hast du ja genug.«


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