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Zu der Hochzeit meiner Tochter

O du, gebor'n, als über mein armes Haus
Die Hoffnung, einem flüchtigen Vogel gleich,
Dahinflog, und ich an der Zukunft
Tore in bitterem Zorne pochte;

Nun, da ich fest den Fuß an das Ziel gesetzt,
Das ich nach heißem Kampfe eroberte,
Und um mich her sich drängen, heiser
Kreischend, die schmeichelnden Papageien,

Entfliegst du, meine Taube, fliegst zitternd hin,
Zu flechten jenseits der Apenninen dir
Das neue Nestlein, in der süßen
Heimischen Luft der Toskanerhügel.

Zieh' mit der Liebe, zieh' mit der Freude hin
Und mit dem Unschuldsglauben! Den feuchten Blick
Auf den entflieh'nden Schleier heftet
Meine Kamöne und schweigt gedenkend;

Gedenkt der Tage, da du als kleines Kind
Die Blumen pflücktest unter Akazien
Und sie, dich haltend an der Hand, im
Himmel nach Bildern und Formen spähte;

Gedenkt der Tage, als um dein weiches Haar
Die Strophen flammenglühend sich schlängelten,
Den Oligarchen und dem feigen
Pöbel Italiens entgegenzuckend.

Du wuchsest, eine sinnende Jungfrau, auf,
Als sie im Sturme mutig die Höh'n der Kunst
Eroberte, auf ihrem Gipfel
Pflanzend die Garibaldinerfahne.

Sie schaut und denkt. Noch einmal der Jahre Weg
Mit dir zu gehn soll wohl meine Freude sein,
Im milden Lächeln deiner Kinder
Noch einmal träumend die lieben Träume?

Oder ist's besser, weiter zu kämpfen, bis
Die heil'ge Stunde uns zu sich rufe? Dann,
O meine Tochter – mich erwartet
Nicht Beatrice im Himmel droben –

Dann soll dein sanfter Blick und die Stimme dein,
Die wohlbekannte, mir auf dem Übergang
Zur Seite stehen, den Homer der
Grieche und Dante der Christ durchschritten.


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