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In dem Riesensaale zu Luxor stieg die
      
 Heil'ge Schlange zischend empor auf Ramses'
      
 Rotem Haupte und es entflog zur Linken
      
 Kreischend der Geier.
Und im ungeheueren Serapeum zu
      
 Memphis, wo sechshundert granit'ne Sphinxe
      
 Lauernd unter blendender Sonne wachen,
      
 Brüllte der Apis,
Als zur blauen Wüste hin, von den grünen
      
 Starren Papyrstauden von Mareotis
      
 Dieser Griechenpäan ertönte (ringsum
      
 Schwiegen die Lüfte):
»Dich zu grüßen kamen wir, Hellas' Söhne,
      
 Mit der Zither und mit dem Speer, Ägypten!
      
 Deine hundert Pforten, o Theben, öffne
      
 Du, Alexander!
Dem Zeus Ammon bringen wir einen Sohn, daß
      
 Er ihn anerkenne, den teuren Zögling
      
 Aus Thessalien, diesen so schönen, stolzen
      
 Sprößling Achilles'!
Seine Haare wallen wie düftereicher
      
 Lorbeerhain; dem blumigen Tempe gleicht die
      
 Rosenwange, in seinen großen Augen
      
 Lächelt Olympias
 Sonne; der ägäische, lichte Friede
      
 Weilt in seinem Antlitz; wie weiße Wolken
      
 Zieh'n an ihm nur Träume der Dichtung und des
      
 Ruhmes vorüber.
Aus der rauhen Thessalerphalanx springt der
      
 Leu zu Hellas' Rache, erjagt in wirre
      
 Flucht die Wagen und Elefanten, stürzet
      
 Kön'ge, Satrapen.
Heil dir, Alexander, in Krieg und Frieden
      
 Gott! In deine Elfenbeinfinger nimm die
      
 Zither, faß den leuchtenden Silberbogen,
      
 Gleichwie Apollo!
Deiner harr'n Stagyras Gespräche und der
      
 Jonierfrauen Küsse und Kränze, deiner
      
 Des Lyäos Becher, von Weine schäumend,
      
 Und der Olympos!
Für die Ewigkeit soll Lysipp im Erz dich
      
 Bilden, und in Farben Apell, Athen soll –
      
 Düstrer Demagogen Wut schweigt nun – dich zum
      
 Parthenon heben.
Wir begleiten dich: seine Quellen, seine
      
 Dogmen birgt der Nil uns'rer Macht umsonst, wir
      
 Stiften Frieden hier in dem Götterkreise,
      
 Stiften ein einzig
Licht der Welt und, willst du, ein neuer Bacchus,
      
 Tiger, Luchse zäumen, so ziehen wir mit
      
 Dir zum heil'gen Ganges, Homeros' heil'ge
      
 Lieder verkündend.« –
 So erklang der griechische Päan und vom
      
 Blonden Haupte löste der junge Führer
      
 Seinen Helm, er blickte vor seiner Phalanx,
      
 Über das Meer hin;
Gradaus übers Meer und zur Pharusinsel,
      
 Ringsumher zur libyschen, unbegrenzten
      
 Wüste; von der schweißüberdeckten Brust den
      
 Goldenen Panzer
Löst' er, warf den blitzenden in die Eb'ne:
      
 »Wie mein mazedonischer Panzer, stehe
      
 Alexandrien, Zeiten, Barbaren trotzend,
      
 Hier in der Wüste.«
Also sprechend zog er der Zukunftsmauern
      
 Furchen achtzig Stadien in die Weite,
      
 Auf den gelben Flugsand des Mehles weiße
      
 Blüte verstreuend.
So erhob der Nachkomme des Peliden
      
 Seine Stadt, und Pharos (der Welt ein hohes
      
 Wort des Lichts) beleuchtete hell die Wege
      
 Afrikas, Asiens.
Nicht vermochten stürmende Wüstenwogen,
      
 Nicht die Flucht barbarischer Zeiten, jene
      
 Lebenskühne Tochter des Griechenhelden
      
 Zu überwinden.
Munter und betriebsam zum dritten Leben
      
 Hob sie sich empor, die Geschicke stürmend,
      
 Wie du sie, o wandernder Dichter, sahest,
      
 Staunenden Blickes,
 Als, die schwere Nacht der Bedrückung fliehend,
      
 Von Gesängen voll die entflammte Seele,
      
 Du, zum Morgenlande gewandt, das Licht, die
      
 Freiheit erflehtest.
Die Pompejussäule, du sahst sie ragen
      
 Über den mit Turban geschmückten Gräbern,
      
 Wie die Kraft lateinischen Geistes über
      
 Finsteren Zeiten.
Ach, Ägyptens Hoffnung und Ruhmeszeichen
      
 Mögen, Dichter, in deinem Buche leben!
      
 Typhon facht den Wüstenzorn heute an, mit
      
 Grimmigem Fauchen;
In Europas fliehende Fersen beißet
      
 Bellend jetzt Anubis – begraben hat er
      
 Den Osiris – Rache zu üben ruft er
      
 Tierische Götter.
Auf die Welt, o altes Europa, deine
      
 Unruhvolle Schwäche verstreust du! Ach, wie
      
 Lächelt nun die traurige Sphinx, nach Osten
      
 Unverwandt blickend!