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An den Quellen des Clitumnus

Von dem Berg, der rauschend im Winde seine
Dunklen Eschen wogend bewegt und frisch ins
Weite, durch die Lüfte von Waldessalbei
Duftet und Thymian,

Steigen noch die Herden am feuchten Abend,
O Clitumnus, nieder zu dir; in deine
Wellen taucht ein umbrischer Knabe das sich
Sträubende Schäflein,

Während von dem Busen der braunen Mutter,
Welche barfuß sitzt vor der Hütte, singend,
Sich nach ihm die saugende Kleine umblickt,
Und aus dem runden

Antlitz lächelt. Nachdenklich führt der Vater –
Seine Hüften deckt, wie den alten Faunen,
Ziegenfell – die Stärke der schönen Stiere
Vor dem bemalten

Karr'n; der schönen Stiere mit der quadratisch
Breiten Brust, den ragenden Sichelhörnern,
Schneeweiß, sanft im Blicke, die einst Virgil der
Milde geliebt hat.

Dunkel dampfen Wolken indessen auf dem
Apennin: es blickt von den Bergen, die sich
Rings im Kreise senken, das grüne Umbrien
Groß und erhaben.

Heil dir, grünes Umbrien! Heil Clitumnus,
Gott des reinen Quells! Meines Landes Vorzeit
Spricht zu mir, ich fühl' um die heiße Stirn die
Götter Italiens

Wehn. Wer warf die Schatten der Tränenweide
Auf die heil'gen Ufer? Der Apenninen
Wind entreiß' dich, weichliche, Demutszeiten
Teuere Pflanze!

Kämpfe führe hier mit den Winterstürmen,
Tiefe Sagen flüstre bei Maienhauch, die
Schwarze Eiche: jugendfroh rankt um ihren
Stamm sich das Efeu;

Dicht im Kreise sollen Zypressen hier, wie
Riesenwächter steh'n um den Gott, der auftaucht;
Unter Schatten singe die schicksalsschweren
Lieder Clitumnus!

Dreier Reiche Zeuge, o melde, wie der
Schwere Umbrer, furchtbar im Kampfe, vor dem
Lanzenführ'nden Plänkler zurückwich und das
Starke Etrurien

Wuchs; wie dann Gradivus auf die vereinten
Städte, vom Ciminus, mit großen Schritten
Niederstieg, die römischen siegesstolzen
Feldzeichen pflanzend.

Sieger und Besiegte jedoch versöhntest
Du: ein Heimgott beider, Italiens Gott und,
Als vom trasimenischen See die Wut der
Punier ertönte,

Scholl durch deine Grotten ein Ruf, und auf den
Bergen wiederholte das krumme Horn ihn:
»Der du bei Mevanias Nebelflur die
Rinderschar weidest.

Der du pflügst die Hänge der Hügel an dem
Linken Rand des Nar, der du niederreißt die
Grünen Wälder über Spoleto, oder
Feierst die Hochzeit

In der Marsstadt Todi: o laß das fette
Rind im Röhricht, lasse den jungen, roten
Stier auf halber Furch' und in der geneigten
Eiche den Keil,

Am Altar verlasse die Braut und eile,
Eile, eile mit deiner Axt, mit Pfeilen,
Keul' und Lanze! Hannibal droht Italiens
Schutzgöttern furchtbar.«

Oh, wie lachte traulich die Sonne, hier in
Dieser schönen Klause von Bergen, als, von
Seiner Höh', Spoleto die ries'gen Mauren
Unter Geheule

Fliehen sah, geballt mit Numidierpferden
Grauenhaft, umschauert vom Eisenhagel,
Von den Fluten lodernden Öles und den
Siegesgesängen.

Alles schweiget nun. In dem heitren Wirbel
Sehe ich die steigende, zarte Ader,
Zitternd zeichnet sie der Gewässer Spiegel
Mit einem leisen

Sprudel. In der Tiefe, mit unbewegten
Zweigen, lacht ein niedriger Wald: es scheint der
Jaspis sich zu paar'n mit dem Amethyst, in
Schmiegsamer Liebe.

Und die Blumen gleichen dem Saphir, von dem
Widerschein des starren Demants umspielt, sie
Leuchten kalt und rufen herab zum grünen
Schweigenden Grunde.

An der Berge Fuß und im Eichenschatten
Quillt dein Lied, Italien, mit den Flüssen.
Ja! Es lebten Nymphen und dies hier ist ein
Göttliches Brautbett.

Aus den Fluten tauchten, umwallt von Schleiern,
Bläulich, lang, Najaden; sie riefen in des
Abends Stille laut ihre braunen Schwestern
Von den Gebirgen,

Tanzten unterm Scheine des hohen Mondes,
Froh im Chore singend vom ew'gen Janus
Und wie ihn besiegte die große Liebe
Zu Camesena.

Er vom Himmel, sie eine eingebor'ne
Jungfrau. Bett der rauchende Apennin war;
Wolken legten sich um das Liebespaar: das
Italervolk – ward.

Alles schweigt nun; einsam, Clitumnus, bist du.
Von den schönen Tempeln, nur einer bleibt dir
Und mit der Prätexta, o Gottheit, weilst du
Nicht mehr im Innern.

Nicht mehr bringen, von deinen heil'gen Fluten
Naß, die stolzen Opfer, die Stiere, zu den
Ahnentempeln Römertrophäen: nicht mehr
Feiert Triumphe

Roma, seit ein Mann Galiläas, roten
Haares, aufstieg zum Kapitole und sein
Kreuz ihr in die Arme warf, mit den Worten:
»Trag' es und diene!«

Es entfloh'n die Nymphen, um in den Flüssen,
In den Mutterrinden versteckt zu weinen,
Oder sie entschwebten auf Berge klagend,
Ähnlich den Wolken,

Als gar seltsam unter den weißen, leeren
Tempeln, den zertrümmerten Säulengängen,
Langsam, litaneiend, ein Zug in schwarzen
Kutten heranzog;

Und die Felder, tönend von Menschenarbeit,
Und die Hügel, Zeugen des Herrschertumes,
Schuf er um zur Wüste und nannte: »Gottes
Reich« nun die Wüste;

Riß hinweg die Männer vom heil'gen Pfluge,
Von den alten, harrenden Vätern, von den
Blüh'nden Frauen, überall wo die Sonne
Segnete – fluchend.

Er verfluchte Lebens- und Liebeswerke,
Sehnte schwärmend, fürchterlich unter Leiden,
Auf den Felsen und in den Höhlen sich mit
Gott zu verbinden.

Auf die Städte wälzte er sich herunter,
Jäh berauscht vom Auflösungstaumel und in
Schauertänzen flehte er ruchlos zu dem
Kreuz um Verachtung.

Menschenseele, heiter an des Ilissos
Strand, gerad und ganz an des Tibers hehren
Ufern, heil! Die finstere Zeit verging; nun
Blühe und herrsche!

Heil dir, fromme Mutter von Stieren, die im
Schollenbrechen, Brachfelder-Neubebauen
Unermüdlich sind, und von kampfeskühnen
Wiehernden Fohlen,

Heil Italien, Mutter von Korn und Reben,
Ew'gem Recht, erhabenen Künsten, die das
Leben süß gestalten! Das alte Loblied
Sing' ich dir wieder.

Beifall hallt dem Sang von des grünen Umbriens
Bergen, Wäldern, Flüssen; das Dampfroß hastet
Rauchend, pfeifend, vor unsern Augen hin, nach
Neuen Gewerben.


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