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An die Königin von Italien

20. November 1878.

Von woher kamst du? Welche Jahrhunderte
Haben so mild und schön dich zu uns gesandt ?
Wo sah ich, Königin, dich einmal
In den Gesängen der heil'gen Dichter?

Auf schroffen Burgen, als an lateinischer
Sonne Germanen, rotblond und blaugeäugt,
Sich bräunten; unter Liebesblitzen
Waffen erklirrten im neuen Liede?

Die blonden Jungfrau'n folgten dem düsteren
Gleichklang erblassend und sie erflehten mit
Den schwarzen, feuchten Augen von dem
Himmel Vergebung für den Bedrücker.

Oder in jenen spärlichen Tagen, als
Italien ganz ein Mai war, das ganze Volk
Ein Ritter? Der Triumphzug Amors
Strebte durch zinnengekrönte Häuser

Den Plätzen zu, die fröhlich von schneeigem
Marmorglanz, Blumen, Sonne erschimmerten;
Und Dante sang: »O Wolke, die du
Schwebst in dem Schatten der Liebe, lächle!«

Wie auf der Alpen Gipfel der weiße Stern
Der Venus sich im jungen Aprile hebt
Und, seine friedevollen Strahlen
Auf den vergoldeten Firnen brechend,

Lächelnd die arme, einsame Hütte grüßt,
Lächelnd die fruchtbar blühenden Täler grüßt
Und Nachtigall'n und Liebesworte
Wachruft unter der Pappeln Schatten,

So ziehst im Demantschein deiner Krone du
Strahlend und blond vorbei und es findet stolz
Das Volk an dir sein Wohlgefallen,
Wie an der Tochter, die zum Altar geht.

Mit Lächeln unter Tränen betrachtet dich
Das Mägdlein, schüchtern streckt es die Arme aus
Nach dir und redet dich wie eine
Ältere Schwester an: »Margherita!«

Und, die im wilden Kampfesgetümmel frei
Geborene, alcäische Strophe fliegt
Zu dir und kreiset dreimal um dein
Haar mit dem Fittich, dem sturmerprobten;

Und – »Heil dir«, ruft sie singend, »Erhabene,
Die mit der Krone kränzten die Grazien,
Aus der das Mitgefühl so lieblich
Redet im Wohllaut der sanften Stimme!

Heil, Gute, dir, so lange bis Raffaels
Gebilde durch das heitere Abendrot
Italiens schweben und Petrarcas
Sang unter Lorbeeren seufzend tönet.« –


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