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Vor dem Castel Vecchio von Verona

So sangst du rauschend, grünlicher Adige,
Unter den Römerbrücken gewaltig, schnell,
Im klaren Glanze deines Wirbels
Schimmernd, der Sonne die Wellenlieder,

Als Odoaker einst vor Theodorich
Zurückwich und die Frauen der Amaler,
Gerad und blond auf ihren Wagen
Zwischen den Herulertoten in das

Schöne Verona zogen, zu Odins Ehr'
Preislieder singend: um seinen Bischof rings
Gescharet hielt das Volk Italiens
Flehend den Goten das Kreuz entgegen.

So ziehst du murmelnd, rastloser Fliehender,
Aus Bergeshöhen, starrend von Schnee, herab
Im silberhellen Wonneglanz des
Friedlichen Winters und fließest unter

Die zinnenreiche Brücke der Scaliger
An schwarzen Bauten, düsteren Bäumen hin
Zu heit'ren Hügeln, zu den Türmen,
An denen trauernd die Fahnen klagen

Über den wiederkehrenden Todestag
Des ersten Königs, welchen Italien,
Befreit, erwählte – Adige, du
Singest der Sonne die Wellenlieder.

Ich singe auch, o lieblicher Fluß, mein Sang
Umfaßt im kleinen Vers die Jahrhunderte,
Es pocht das Herz bei dem Gedanken,
Folgend der Strophe, die bebend ansteigt.

Doch meine Strophe wird mit den Jahren trüb
Verschwinden: ew'ger Dichter, o Adige,
Du wirst auf den zerstreuten Trümmern
Dieser mit Türmen besäten Hügel,

Während die Schlange auf den Ruinen der
Kirche des Zeno sonnenbeschienen zischt,
Besingen in der Wüstenei die
Schlaflose Ödigkeit ew'ger Zeiten.


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