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Aus Desenzano

An G. R.

Gino, sage, was schaffst du unter Felsinas
Säulengängen? Du denkst wohl, wie das blühende,
Holde Hellas sich hob unter dem Sang Homers
Und der meißelnden Hand Phidias', heiter, im

Völkerlenz? Aus der Höh' der Asinella schrei'n
Eulen, Weihen: sie stör'n neidisch das liebe Werk.
O mein teuerer Freund! Aus jener Dämmerung
Flieh', ach! fliehe und komm zu deinem Dichter her!

Hier, am lydischen See, zittert die weite Flut,
Von den Bergen umrahmt, himmelblau glänzend; komm!
Mit phaläcischer Stimm' ladet dich Sirmio ein,
Das des einstigen Herrn wonniglich noch gedenkt.

Dir will Sagen erzähl'n aus dem Rasenierland
Dorf Manerba, es will melden Muniga dir
Griechenmärchen; im Wind singen barbarische
Geister Waffen und Lieb' auf der bezinnten Burg.

Laßt uns, willig geneigt, unter Anakreons
Laube, oder umhüllt von der Platanen Grün,
Die einst Plato geliebt, hören, aus vollem Kelch
Leerend purpurnen Wein, den die Riviera zollt.

Süß ist's, trinkend den Wein, hören der Ahnenzeit
Sagen, während die Sonn' wunderbar untergeht,
Über unserem Haupt liebreich die Sterne zieh'n,
Zwischen Woge und Laub lispelnde Lüfte weh'n.

Schöne Sonne, an dir freuten sich eines Tags,
Die dies lieblich Gestad' innegehabt gleich uns,
Sei es, daß aus dem See, aus ihrem Pfahlbau, dich
Mit Geheule begrüßt menschliche Tiere, sei's,

Daß in eisige Flut, zitternd im Morgenrot,
Ihre Stuten getaucht schmiegsame Veneter,
Sei es, daß mit dem Stab, südwärts, Tyrrhenier
Ihre steinigen Hochburgen bezeichneten.

Gino! Wo der Soldat – bei der Eroberung
Rätiens und nach dem Sieg über die Dacier –
Einst, in wachsamer Ruh, Cäsar im Ruhmeslied
Preisend, über dem See pflanzte die Adler Roms,

Dort im brausenden Forst trieb Desiderius,
Pürschend, Eber und Dam; unentwegt dachte er
An die Eiserne Kron', die auf Cäsarenweg
Er verfolgte: aus Rom leuchtete hell ihr Schein.

Wo der Jambus Catulls, Gino, die Flügel schnell
Über bläuliche Flut spannte, nach Lesbia
Rufend – klagend erhob sich durch den Lorbeerduft
In die Lüfte der Ruf – ließen lombardische

Nonnen klagend ein Lied schweben zum weißen Mond,
Psalmodierend, und mit Murmelton flehten sie
Auf die bleiche, vom Speer fränkischer Krieger jung
Hingemordete Schar, ewige Ruh' herab.

Wir auch kommen dereinst unter die Geisterschar,
Welche niemals der Strahl purpurner Sonn' umwebt;
Die kein mildes Gestirn über dem Haupte sehn,
Deren Herz nicht erquickt köstlicher Rebe Frucht.

Uns begegnen alsdann Führer und Sänger mit
Sternenähnlicher Stirn, richten an uns die Frag':
»Aus welch trauriger Zeit kommst du zu uns nun her,
Bleiche Nachkommenschaft? Finstere Sorge weilt

Dämmernd zwischen den Brau'n dir, aus der schmalen Brust
Schwelt dein Herz; in dem Licht haben wir unsere Kraft
Muskelspannend geübt und als gewaltige
Schatten stiegen wir dann in des Avernus Grund.«

Ob Anakreons Heim, ob uns das schatt'ge Grün
Der Platanen, die einst Plato geliebt, umfängt,
Die Erwiderung laßt würdig bedenken uns,
Unter Kelchen; es schäumt purpurn der rote Wein.

Graue Nacht sich ergießt über den Silberplan
Und ein sangfroher Geist nahet vom Sirmio,
Schwebt die Woge herab, die am geschweiften Strand
Lieblich murmelnd sich bricht, glitzernd im Widerschein.


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