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Achtundfünfzigstes Kapitel.

Wenn mein Herz je sich Lilian geweiht hatte, so schwor ich es ihr jetzt mit besonderer Innigkeit und Feierlichkeit zu. Als ich sie früher ihrer Verpflichtung entband, geschah es, weil ihre Liebe, gleichviel aus welchem Grunde, mir so entfremdet zu sein schien, daß ich es, wie elend ich mich auch durch den Verlust fühlte, für Pflicht hielt, sie durch die Verbindung mit mir nicht unglücklich zu machen. Auch war sie damals die Perle, der Liebling der kleinen Welt, in welcher sie lebte, und keine Ohrbläserei lief über sie um; jetzt aber wußte ich, daß sie mich liebte. Ihre Entfremdung gegen mich hatte ihre Quelle nicht in ihrem Willen gehabt; ich wußte, daß der Schein ihr Unrecht that und daß eben dieser Umstand nie aufgeklärt werden konnte. Ich befand mich in der richtigen Stellung des Mannes zu dem Weib – mußte ihr ein Schild, ein Bollwerk, ein furchtloser und vertrauensvoller Beschützer sein. Ihr entsagen, weil die Welt klatschte, weil meine Laufbahn gehindert werden oder mein guter Name einen Makel erleiden konnte – ihr entsagen und durch meinen Zurücktritt Alles bestätigen, was über sie gesprochen wurde? Ich hätte ja die kläglichste Memme und der gemeinste in der ganzen Männerwelt sein müssen!

Ich begab mich zu Frau Ashleigh, um sie zu bitten, meine Verbindung mit ihrer Tochter zu beschleunigen und den Hochzeittag festzusetzen.

Die arme Frau war trostlos und niedergeschlagen; sie hatte sich jetzt hinreichend von ihrer nichts Anderes achtenden Angst um Lilian erholt, um die Veränderungen in dem Angesicht der Welt wahrzunehmen, deren Personifikation und Concentration ich eben in Frau Poyntz verlassen. Der Sachverhalt war ihr von der herzlosen Fräulein Brabazon enthüllt worden.

»Mein Kind – mein armes Kind!« jammerte die Mutter. »Sie ist so arglos, so empfindsam. Wenn sie wüßte, was über sie gesprochen wird, so hätte sie den Tod davon. Sie würde Sie nie heirathen – könnte es nicht über sich gewinnen, Schande über Sie zu bringen.«

»Sie braucht nie etwas von jenen rohen Schmähungen zu erfahren. Geben Sie mir unverweilt das Mädchen; Patienten, Vermögen und Ruf sind nicht bloß in L– – zu finden. Geben Sie mir Ihre Tochter sogleich; aber lassen Sie mich eine Bedingung daran knüpfen. Ich bin durch mein väterliches Vermögen unabhängig, habe schon schöne Ersparnisse zurückgelegt und verstehe mich auf einen Beruf, der mir bereits einen Namen gemacht hat. Von ihrem Vermögen will ich daher nichts berühren – kann es nicht und werde es nie thun! Behalten Sie es, so lang Sie leben; wenn Sie nicht mehr sind, so mag es für ihre Kinder (wofern ihr dieser Segen zu Theil wird) anwachsen. Für mich nicht – auch für sie nicht; wenn ich nicht etwa sterbe oder ins Unglück gerathe!«

»Oh, Allen, welch ein Herz – welch ein Herz! Nein, nicht Herz, Allen – das hat auch jener Vogel in seinem Käfig. Seele – welch eine Seele!«


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