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Zweiunddreißigstes Kapitel.

Margrave warf sich unmittelbar unter der großen Anaconda auf einen Sitz; ich schloß die Thüre und drehte den Schlüssel um. Nachdem dies vollbracht war, fiel mein Auge auf das Gesicht des jungen Mannes, und ich bemerkte mit großer Ueberraschung, daß es leichenblaß geworden war und den Ausdruck großer Angst und Unruhe zeigte; auch seine Hände zitterten sichtlich.

»Was ist dies?« sprach er mit schwacher Stimme und richtete sich mit großer Anstrengung halb von seinem Sitz auf. »Helfen Sie mir auf – fort von hier! Ich fühle den Einfluß einer mir feindlichen – einer überwältigenden Macht. Was mag es sein?«

»Die Wahrheit und meine Nähe,« antwortete eine strenge, dumpfe Stimme, und Sir Philipp Derval, dessen schmächtige Gestalt hinter dem riesigen Leib des todten Elephanten verborgen gewesen, trat aus dem Schatten plötzlich in das volle Licht der Lampen hervor, mit denen der Mensch das höhnende Grab der Naturwesen, die er in seinen Dienst zwingt oder in wilder Jagdlust tödtet, zu erhellen sich das Vergnügen gemacht hatte. Während Sir Philipp sprach und näher trat, sank Margrave matt und kraftlos wie gelähmt auf seinen Stuhl zurück, wobei in dem stieren Blick und in den halboffenen Lippen ein Schrecken der gemeinsten Art sich kundgab. Andererseits nahm sich die einfache Würde in Sir Philipps Haltung und der sanfte Ausdruck in seinem von Gewalt zeugenden Antlitz unbeschreiblich erhaben aus. Mit dem ganzen Mann war eine Veränderung vorgegangen, die um so eindrucksvoller wirkte, da sich ihr Wesen nicht in bestimmte Begriffsformen zusammenfassen ließ.

Er machte vor Margrave Halt und sagte, während er die eine Hand über den Kopf des jungen Mannes ausstreckte, einige Worte in einer mir unbekannten Sprache. Darauf wurde Margrave starr und steif, als wäre er in Stein umgewandelt. Sir Philipp sagte sodann zu mir:

»Stellen Sie eine von den Lampen auf den Boden – hieher, zu meinen Füßen.«

Ich nahm eine von den farbigen Laternen von dem mimischen Baum, um welchen die Leibesringe der riesigen Anaconda geschlungen waren, und that, wie mir geheißen worden.

»Nehmen Sie ihm gegenüber Platz und haben Sie Acht.«

Ich gehorchte.

Inzwischen hatte Sir Philipp aus seiner Brusttasche ein stählernes Kästchen hervorgeholt, und beim Oeffnen desselben bemerkte ich, daß das Innere in mehrere, je mit einem besonderen Deckel versehene Fächer abgetheilt war. Aus einem derselben nahm er einige Grane eines farblosen, wie Diamantenstaub funkelnden Pulvers und streute sie in die Flamme der Lampe, worauf ein feiner Wohlgeruch, der meinem Sinnorgan unbekannt war, sich in dem Raum ausbreitete.

»Sie wollten eine Probe mit der Verzückung machen; versuchen Sie es nun und zwar mit der seelischen.«

Und während er so sprach, legte er seine Hand leicht auf meinen Kopf. In meinem Erstaunen, das nicht frei von einer inneren Scheu war, hatte ich bisher einen gewissen Trotz, ein gewisses Mißtrauen bewahrt und war so zu sagen auf der Hut gewesen.

Doch kaum waren jene Worte gesprochen, kaum hatte die Hand mein Haupt berührt und der Dunst von der Lampe aus Einfluß auf meinen Geruchsinn geübt, als mit einemmal alle Kraft des Willens von mir wich. Meine erste Empfindung war die einer passiven Unterwerfung; aber bald bemerkte ich, daß der Dunst, der von der Lampe ausging und um die Flamme her einen blendenden Hof bildete, wie berauschend auf mich wirkte. Das Gemach schwamm vor mir. Wie unter dem Einfluß des Alpdrucks versuchte ich, mich zu bewegen und zu schreien, indem ich auf diese Weise den auf mir lastenden Bann brechen zu können hoffte; aber vergeblich.

Eine Frist, die mir ungemein lang vorkam, doch wie ich später fand, nur einige Sekunden in Anspruch genommen haben konnte, entschwand in diesem Einleitungszustand, der ungeachtet der Widerstandsunfähigkeit doch ein unbestimmtes Wollustgefühl in sich faßte. Und dann trat plötzlich eine peinliche Empfindung ein, eine Empfindung, die in rascher Stufenfolge sich bis zum zerreißenden Schmerz steigerte. Jeder Knochen, jede Sehne, jeder Nerv, jede Muskelfaser des Körpers schien nach der Oberfläche gezerrt zu werden, als ob irgend eine bisher nicht geahnete Wesenheit im lebendigen Organismus unter der ganzen Qual von Geburtswehen sich gegen das Licht dränge. Die Adern strotzten, wie wenn sie bersten wollten, und das Herz arbeitete, als mühe es sich krampfhaft ab, um sich in Thätigkeit zu erhalten. Während ich mich in dieser Beschreibung versuche, fühle ich, daß meiner Zunge die Worte fehlen. Genug, die Pein, die ich damals durchmachte, überbot Alles, was ich je an physischem Schmerz erfahren habe. Doch hörte dieser schreckliche Zustand eben so schnell wieder auf, als er begonnen. Es war mir, als ob etwas Namenloses sich von mir abgelöst und, nachdem dies geschehen, der Kampf ein Ende genommen habe. Ich fühlte jetzt die thunlose Wonne, welche im Geleit der Befreiung von einem Schmerz aufzutreten pflegt, und es folgte nun eine wunderbare Ruhe, in welcher ich mir einer Einsicht bewußt wurde, die unendlich erhaben stand über all dem Erkennen, welches das menschliche Gedächtniß aus bloßem irdischen Wissen schöpft. Noch immer sah ich Margrave's Gestalt starr vor mir liegen, und es kam mir vor, als schaue mein Blick mit Leichtigkeit durch die Fleischhüllen und schließe sich ihm der Mechanismus von ihrem ganzen innern Wesen auf.

»Du sollst jetzt dieses Gehäuse von Thon, das Dir so schön scheint, so sehen, wie ich es zum letztenmal vor drei Jahren im Hause Haruns von Aleppo erblickte!«

Und allmählig, wie Schatten um Schatten auf die Bergwand fällt, wenn die Wolken sich sammeln und die Sonne endlich verschwindet, ging die Gestalt und das Antlitz, auf denen mein Blick ruhte, von der Ueberfülle jugendlicher Kraft in den Verfall des gebrechlichen Greisenalters über. Die Haut wurde mißfarbig, das Auge trüb und triefend, die Muskulatur schlaff und das Knochengerüst spröde und saftlos. Auch betraf die Umänderung nicht das Alter allein. In dem Gesicht zeigte sich der Ausdruck düsterer Unzufriedenheit, in jede Furche desselben hatte eine Leidenschaft oder ein Laster die Saat des Grames ausgestreut.

Und jetzt that sich das Gehirn mit seinem ganzen Labyrinth von Zellen vor mir auf. Es war, als sei mir der Ariadnefaden zu jeder Windung in diesem Irrgarten gegeben.

Ich sah darin eine moralische Welt, verkohlt zwar und in Trümmern, so ungefähr, wie eine Fabel, welche ich gelesen, die des Mondes schildert; aber gleichwohl war es ein Gehirn von großartiger Bildung. Die Vermögen, die zum Bösen verwendet worden, mußten ursprünglich ausgezeichnet gewesen sein – die Einbildungskraft und der Wille, kühne Thatkraft und der Scharfsinn des Entdeckers. Aber die moralische Seite des Gehirns erschien der geistigen gegenüber als mangelhaft. Verkümmerte Verehrung des Guten und Großen, cynische Verachtung des Rechts und der Gerechtigkeit, kurz ein gewaltiger, anfangs irregeleiteter, später verderbter Verstand, der jetzt im Verfall des Körpers nur noch unheimliche, aber immerhin imponirende Trümmer zeigte. So war die Welt dieses Gehirns, wie sie vor drei Jahren gewesen. Und während ich sie zu betrachten fortfuhr, sah ich von ihr drei gesonderte Lichtstrahlen ausgehen, die eine von blaßrother, die andere von bläulichter Färbung, die dritte in der Gestalt eines silbernen Funkens.

Das rothe Licht, das zusehends blasser und blasser wurde, folgte von dem Gehirn aus in Wellenlinien den Arterien, den Venen, den Nerven. Und ich murmelte vor mich hin: »Ist dies das Prinzip des thierischen Lebens?«

Das bläulichte Licht durchströmte gleichfalls die Gestalt, bald das rothe kreuzend, bald sich mit ihm vereinigend, aber stets als deutlich gesonderter Strahl, eben so wie in der äußeren Welt ein Lichtstrahl einen Wärmestrahl kreuzen oder sich mit ihm vereinigen kann, ohne daß ihre verschiedene Thätigkeit einen Abtrag erlitte. Und wieder flüsterte ich vor mich hin: »Ist dies das Prinzip des geistigen Seins, welches das des thierischen Lebens leitet und beeinflußt, mit ihm vorhanden, aber doch keinen Theil desselben bildend?«

Aber der silberne Funken – was war dieses? Er schien im Gehirn seinen Mittelpunkt zu haben, obschon ich in keinem einzelnen Organ desselben ihn fixiren konnte. Wie immer ich die Gestalt betrachten mochte, so reflektirte er sich mir wie ein Stern auf den verschiedenen Punkten einer Wasserfläche. Und während das rothe Licht immer schwächer und schwächer, das bläulichte aber verwirrt und unregelmäßig wurde und bald stockte, bald wieder rascher floß oder stellenweise zu erlöschen schien, bemerkte ich, daß der Silberfunken ungestört und unverändert blieb. Er verhielt sich völlig unabhängig von Allem, was aufregend oder beeinträchtigend auf die Gestalt wirkte, und es befremdete mich in hohem Grade, daß er, was auch die Hülle erschüttern mochte, in wandelloser Klarheit fortleuchten mußte, selbst wenn das Herz seine Thätigkeit einstellte und das rothe Licht erlosch – wenn das Hirn gelähmt war, dieser energische Geist in Blödsinn verfiel und das blaue Licht ohne Ziel umherzuckte, wie der Irrwisch über den Sumpf hinhuscht. Und ich flüsterte wieder vor mich hin: »Deutet dieser Sternfunken mir die Anwesenheit der Seele an? Scheint das silberne Licht wohl auch in den Geschöpfen, welchen durch die göttliche Offenbarung keine Unsterblichkeit verheißen ist?«

Unwillkürlich wandte ich mich um gegen die todten Formen in der gemischten Sammlung, und sieh, in meiner Verzückung oder in meinem Gesicht war in alle Leben zurückgekehrt! In den Elephanten und die Schlange; in den Tiger, den Geier und die Motte, in den Fisch, in den Polypen und in jenes Spottbild des Menschen, den riesigen Affen.

Es kam mir vor, als lebe jedes dieser Thiere in seinem heimischen Element, auf der Erde, in der Luft oder im Wasser; und das rothe Licht spielte mehr oder weniger warm in den verschiedenen Gestalten; und das blaue Licht, obgleich dunkler von Farbe, schien durch das rothe hindurchzuschießen und den Geschöpfen einen Verstand mitzutheilen, der allerdings weit unter dem des Menschen stand, aber doch ausreichte, den Strom ihres Willens zu leiten und auf die Feinheit ihres Instinkts Einfluß zu üben. In keinem übrigens, vom Elephanten an bis zur Motte, vom Vogel mit seinem großen Gehirn bis zum Zoophyten, in dem nur ein Pflanzenleben thätig zu sein schien, war der sternähnliche Silberfunken wahrzunehmen. Ich blickte von der Thierwelt weg wieder auf die unter der Abgottschlange liegende Gestalt, voll Schrecken über das Leben, das in dem schauerlichen Blendwerk dieser wunderbaren Ekstase die Leichen erfüllte; denn der Tiger bewegte sich, als wittere er Blut, und in die Augen der Schlange schien langsam der bannende Zauber zurückzukehren.

Aufs Neue trat mir der Sternfunken aus der Gestalt des Menschen entgegen. Und ich murmelte vor mich hin: »Aber wenn dies die Seele sein soll, warum ist sie so gar nicht getrübt und verdunkelt von den Sünden, welche so traurige Spuren und Verheerungen in der Welt des Gehirns zurückgelassen haben?« Und wie ich mir den Funken aufmerksamer betrachtete, kam es mir vor, als sei dies nicht die Seele, sondern nur ein Hof um dieselbe her, wie wir in dem Stern am Himmel nicht den Stern selbst, sondern nur seinen Strahlenbüschel sehen. Und wenn das Licht selbst ungestört und unverdunkelt erschien, so hatte dies seinen Grund in dem Umstand, daß keine im Fleisch begangene Sünde sein Wesen zu vernichten und die Ewigkeit seiner Dauer zu beeinträchtigen vermochte. Es glänzte so klar in seiner Behausung, weil es wohl aus derselben scheiden, aber nicht ausgelöscht werden konnte.

Doch die Seele selbst im Mittelpunkt des Lichtes spiegelte in meiner eigenen ihre unaussprechliche Noth, ihre Demüthigung und ihren Schmerz wieder; sie war verantwortlich für die unheimlichen Trümmer der Vermögen, die unbedingt ihrer Botmäßigkeit anheimgegeben gewesen, und stand im Begriff, entsetzt von ihrer erhabenen Bestimmung der Fortdauer, die Rechenschaft für ihre Aufgaben in der Zeit mit in die Ewigkeit hinüber zu nehmen. Gleichwohl schienen, so lang sie da war, auch bei ihrem schuldigen und trostlosen Zustand die Trümmer um sie her majestätisch zu sein. Und die Seele, welch ein Urtheil sie auch verdienen mochte, gehörte nicht unter die hoffnungslos verlorenen. Denn mit der Scham, mit der Reue war etwas in ihr zurückgeblieben, was zu ihrer Rettung dienen konnte. Und ich sah, daß der Geist mit einem furchtbaren rebellischen Krieg die Seele bestürmte – alle Gedanken, Leidenschaften und Begierden, durch welche das blaue Licht seinen rastlosen Strom ergoß, brandeten wogend wie zu einer Belagerung gegen den Sternfunken aus. Und ich konnte den Krieg nicht begreifen und mir nicht denken, zu was der Geist die Seele zwingen wollte, obschon mir der Unterschied zwischen beiden durch ihre« Streit recht deutlich wurde. Und ich sah, daß die schwer versuchte Seele sich in der Ferne umschaute, ob sie nicht den Unterthanen entrinnen könne, die sie immer so schlecht beherrscht hatte und die jetzt ihre aller Autorität beraubte Königin zum Knechtsdienst erniedrigen wollten. Ich konnte ihren Schrecken mitempfinden in der Sympathie meines eigenen Schreckens, in der Tiefe meines fürbittenden Mitleids. Ich wußte, daß sie um Befreiung flehte von den Gefahren, die zu bestehen sie sich als machtlos bekannte. Und plötzlich erhob sich der Sternfunke aus den Ruinen und dem Aufruhr um sie her, stieg in den Raum auf und verschwand. Und wo meine Seele die Anwesenheit einer Seele erkannt hatte, sah sie jetzt eine Leere. Doch das rothe Licht brannte noch und wurde immer lebhafter; und wie es sich so auffrischte und seinen Glanz erneute, erholte sich die ganze hingewelkte Gestalt wieder aus ihrem Verfall, indem Kraft und Jugend in sie zurückkehrte. Und ich sah Margrave, wie er mir in der wachen Welt begegnet war, ein strahlendes Bild des animalischen Lebens in der frischesten Blüthe der Schönheit.

Und über diese reiche Vitalität, über diesen symmetrischen Mechanismus herrschte jetzt in Verbindung mit dem animalischen Leben nur noch der Geist. Nachdem der Sternfunke entwichen und die Seel verschwunden, blieb der Geist noch sichtbar – der Geist, welcher aus den ihm zugeführten Empfindungen Gedanken bildet und durch seinen Willen die Muskel in Thätigkeit setzt; der Geist, wie er in Thieren waltet, welche nicht bloß auf die elementaren Instinkte beschränkt sind; der Geist, wie er in den Menschen erscheinen würde, wenn sie nicht unsterblich wären. Während in dem Gesicht meine Augen dem blauen Licht folgten, das wie zuvor wellenförmig durch die Gehirnzellen strömte und unmitten des Nervenlybarinths den rothen Strom durchsetzte, bemerkte ich, daß es eine wesentliche Veränderung erlitten hatte; es fehlte ihm nämlich das Vermögen zu jener anhaltenden und concentrirten Kraft, vermittelst welcher der Mensch die Werke der Vergangenheit zu verbessern bemüht ist und Entwürfe macht, die vielleicht erst durch späte Generationen zur Vollendung kommen; Sympathie für die Vergangenheit ließ sich nicht mehr in dem blauen Licht wahrnehmen, weil ihm jede Vorstellung von einer Zukunft jenseits des Grabes abhanden gekommen war, und mit dem Gewissen hatte es auch die Reue verloren. Daraus erkannte ich, daß dieses Wesen nicht mehr in der Ewigkeit für die Verwendung seiner Zeit verantwortlich war. Das blaue Licht leuchtete sogar lebhafter in gewissen für die Erhaltung des Daseins nützlichen Organen, wie ich es auch lebhafter als beim Menschen in einigen untergeordneten Thieren wahrgenommen hatte, zum Beispiel im Organ der Verheimlichung, des Zerstörungstriebs und der schnellen Auffassung von Dingen, die unmittelbar mit den Bedürfnissen des Tags zusammenhingen. Auch erschien es strahlend in Hirnzellen, in denen es früher trübe gewesen, in denjenigen nämlich, welche der Sitz der Heiterkeit und der Hoffnung waren, denn da hatte die überströmende Gesundheit des fröhlichen animalischen Lebens es wieder ausgefrischt; bleifarbig oder trüb dagegen war der Strom in den wichtigen socialen Organen, durch welche der Mensch seine eigenen Interessen denen seiner Gattung untergeordnet, während es gänzlich erloschen schien in denen, durch welche der Mensch an die Pflichten gegen seinen Schöpfer erinnert wird.

In der wunderbaren Auffassungsgabe, welche ich der Ekstase verdankte, bemerkte ich, daß dieser an Thatkraft vielen überlegene Geist aus der Erinnerung an ein früheres Sein die Reste einer umfangreichen und in manchen Stücken gründlichen Bildung bewahrt hatte und, obgleich nur in unsteter Weise, eine furchtbare Schärfe und Fertigkeit besaß, wo immer seine Entwürfe und Bestrebungen der animalischen Selbsterhaltung galten, die jetzt seinen Hauptimpuls oder Instinkt ausmachte. Unter den Reminiscenzen an den Zustand vor dem Wechsel befanden sich Künste, die mir unbegreiflich, meinem Gefühl nach aber finster und schrecklich waren, indem sie einem Willen, welcher sich durch keine Gewissensbisse fesseln ließ, Waffen liehen, wie sie keine gesunde Philosophie in der Rüstkammer eines geordneten Genius niederlegt. Dazu hatte dieser Geist einen Verbündeten in einem Körper von so vollkommener Kraft und Elasticität, wie sie die Natur nur ihren besonderen Lieblingen zu Theil werden läßt. Gleichwohl fühlte ich, daß hier jenes Etwas fehlte, ohne das die Menschen nie im Stande gewesen wären, Städte zu gründen, Gesetze zu schaffen und durch Religionen, welche die Wechselbeziehungen der Menschen regeln, die Elemente dieser Welt miteinander zu verbinden, zu verschönern und erhaben zu machen. Die Ameise, die Biene und der Biber – sie vereinigen sich und bauen, schreiten aber nicht fort. Der Mensch ringt nach Verbesserung, weil die Zukunft als Anziehungspunkt auf das wirkt, was in der Ameise, in der Biene, in dem Biber nicht zu finden ist und auch aus dem Wesen vor mir entwichen war.

Entsetzt schauderte ich zusammen, bedeckte mein Gesicht mit den Händen und stöhnte laut: »Habe ich denn je gezweifelt, daß die Seele verschieden sei von dem Geist?«

Eine Hand berührte jetzt wieder meine Stirne. Das Licht in der Lampe war erloschen; ich wurde besinnungslos, und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in dem Gemach, in welchem ich mich anfangs mit Sir Derval unterhalten, der wie zuvor auf dem Sopha an meiner Seite saß.


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