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Loblied auf den Hauptpatron der männlichen und weiblichen Schönheit.

Schöpfer aller reizenden Gewänder,
Ew'ger Forscher aus der Schönheit Spur,
Unerschöpflich neuer Reizespender,
Bändiger der häßlichen Natur!

Du nur bist's, in dessen Schöpferhänden
All' der Reiz und Zauber residirt,
Der, wohin wir nur das Auge wenden,
Unsern Blick so mächtig fascinirt.

Du bist's, der selbst mit Pygmalions Stärke
Rohen Formen Reiz und Anmuth gibt,
Aber sich in seiner Hände Werke
Nicht, wie jener, auch zugleich – verliebt.

Der die schönsten Manns- und Weibsgestalten,
Ja den ganzen Reiz der schönen Welt
Oft in wenig neuen Modefalten
Zwischen zwei allmächtigen Fingern hält.

Der dann bald die magersten Skelette
Mit der Schönheit vollem Reiz umhängt,
Bald den Wuchs der plumpsten Dindonnette
In die reizendsten Contouren zwängt.

Der des schiefsten Afterwuchses Schande
Deckt mit einem schön taillirten Rock,
Und daher im wörtlichen Verstande
Sich Merkure schnitzt aus einem Stock.

Ja, auf dessen schöpferisches Werde
Hier sich eine volle Hüfte bläht,
Sich ein Bauch da willig senkt zur Erde,
Dort ein nie gesehner Steiß entsteht.

Unter dessen Hand hier eine Wade
Aufschwillt, dort ein Höcker sich verliert,
Hier ein säbelkrummes Bein gerade,
Und dort voll ein leerer Busen wird.

Der bald kleiner macht, und bald vergrößert,
Und dadurch oft mit dem kleinsten Schnitt
Die Errata der Natur verbessert,
Die er an den Menschenkindern sieht.

Sag', o Lied! Wer ist der Wunderthäter,
Der mit seinem mächtigen Talisman,
Als des hohen Schöpfers Stellvertreter,
Alle diese Wunder wirken kann?

O wer glaubte wohl, daß eine Scheere
All' die Wunderkraft in sich verschließt,
Und der Meister, dem hievon die Ehre
Einzig zugehört – ein Schneider ist!

*


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