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Lehren an ein Mädchen.

O Mädchen, schaue nicht zu viel
Aus jeder Mode Fratzenspiel!
Ein Mädchen, das nur Blonden mißt,
Und dessen Buch der Spiegel ist,
Dem ob dem Putz der Nachbarin
Vor Aerger beide Backen glüh'n,
Das wird ein Mühlstein für den Mann,
Mit dem er lang nicht schwimmen kann.
Und schüttelt er den Mühlstein dann
Vom Hals, so trägt der arme Tropf
Erst noch viel schwerer auf dem Kopf;
Denn so ein Weiblein putzt sich dann
Aus fremdem Säckel, und dem Mann
Wächst ob des Mädchens Ziererei
Manch zentnerschweres Hirschgeweih,
Wovon man hier in uns'rer Stadt
Gar manches schöne Beispiel hat.
Für's Zweite, Mädchen, liebe den,
Den du zum Mann dir auserseh'n;
Denn wer nur freit um's liebe Brod,
Stirbt an der Liebe Hungersnoth.
Die Frausucht auch zu dieser Frist
Bei Mädchen eine Seuche ist:
Darob sieht manche jeden Mann
Als einen Mädchenheiland an,
Der sie vom Jungfernfluch erlöst,
Und sich an's Ehkreuz nageln läßt,
Drum hüte dich vor dieser Pest,
Und so ein Mann sich finden läßt,
Der dein begehrt, so sehe nicht
Dem Freier bloß nur ins Gesicht;
Denn wiß, daß oft ein böser Mann
In Engelslarve stecken kann.
Auch weile nicht dein Auge nur,
Auf Rock und Weste und Frisur,
Sieh lieber zu, ob dir der Mann
Im Schlafrock auch gefallen kann;
Auch schiele nicht nach seinem Sack,
Wie voll er ihn wohl haben mag,
Noch ob auf seinem Amtsdekret
Ein Vierteldutzend Nullen steht;
Denn ach, kein Krämer in der Welt
Verkauft dir Glück um all' dein Geld.
Doch nimm ihn scharf ins Aug', ob nicht
Dein Reiz ihm so ins Auge sticht,
Als wie, wenn ihn der Hunger drückt,
Er hin auf einen Rostbeef blickt.
Denn wisse, so ein Vielfraß hat
In kurzer Zeit dich übersatt,
Und bald wird deiner Magd Gesicht
Für ihn ein niedliches Gericht.
Die Liebe nur für ihren Mann
Des Weibs Genuß so würzen kann,
Daß dieser ihm, wie's liebe Brod,
Nie ekel wird bis an den Tod.
Nur in der Liebe Feld gedeiht
Das Blümchen – Ehstandsseligkeit:
Wenn die das Ehbett tapeziert,
Dem Mann darin nie ekel wird.
Wo Liebe sich mit Liebe paart,
Da wird das Ehstandsjoch nicht hart.
Wenn Mann und Weib mit gleichem Sinn,
An ihrem Ehewagen ziehn.
So daß die Wage d'ran nicht leicht
Aus ihrem Gleichgewichte weicht;
Wenn Liebe dann der Fuhrmann wird,
Der nachschiebt und die Räder schmiert,
So geht's gar flink und leicht einher,
Und hätten sie auch noch so schwer.
Kein Berg ist rauh, kein Steg ist hart,
Und frisch und munter geht die Fahrt
Durch's Leben, bis des Todes Hand
Das liebe Pärchen ausgespannt –
O möchte doch das Leben dein
So einer Lustfahrt ähnlich sein!

*


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