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Kantate.

Am vierten Constitutionsfeste der Loge zu W. E. 1784.

Chor.

Wir feiern den Festtag, ihr Brüder,
Der heute zum vierten Mal wieder
An unserem Osten erscheint:
Froh sah'n wir drei Jahre schon scheiden,
Und bieten dem vierten mit Freuden
Die Hände – als unserem Freund.

Eine Stimme.

Wo ein Wand'rer, der auf rauhem Stege
Mühsam hin nach seiner Heimath zieht,
Rückwärts blickend, die gemachten Wege
Prüfend mißt, und ahnend vorwärts sieht;

Drei Stimmen.

Brüder, seht, so seh'n auch wir nun heut'
In die Zukunft und Vergangenheit.

Eine Stimme.

Wie er dann nach dem so fernen Ziele
Heiter hinblickt, keine Klippen scheut,
Und mit selbstbelohnendem Gefühle
Des zurückgelegten Wegs sich freut;

Drei Stimmen.

Brüder, seht, so freu'n auch wir anheut
Uns der Zukunft und Vergangenheit.

Eine Stimme.

O seht! es ward mit jedem Jahr
Der Eintracht Kette länger,
Und schloß, so weit ihr Umkreis war,
Die Herzen doch nur enger:

Chor.

Drum, Brüder, seht zurück und freut
Euch heute der Vergangenheit!

Eine Stimme.

Seht, manche Seufzer wandelten
Sich um in Freudentöne,
Gestillt ward manches heiße Fleh'n,
Und trocken manche Thräne;

Chor.

Drum, Brüder, seht zurück und freut
Euch heute der Vergangenheit!

Eine Stimme.

O seht! es war manch' harter Krieg
Gekämpft für Menschenwürde:
Schwer ward dem Laster mancher Sieg,
Und leicht der Tugend Bürde;

Chor.

Drum Brüder, seht zurück und freut
Euch heute der Vergangenheit!

Zwei Stimmen.

Doch kehret nicht immer die Blicke
Nach allen den Schritten zurücke,
Die ihr schon im Westen gethan:
Laßt immer den Westen im Rücken,
Und sehet mit fröhlichen Blicken
Zum Osten der Zukunft hinan.

Eine Stimme.

Gleich der Sonne, die den Wand'rer leitet,
Ueber seine Pfade Licht verbreitet,
Und ihn stärkt in seinem Pilgerlauf:
Seht, so geht in unbewölkter Klarheit
Uns der ewighelle Leitstern Wahrheit
An der Zukunft heiter'm Osten auf.

Chor.

Brüder, sonnet euer Angesicht,
Sonnet euern Geist an diesem Licht!

Eine Stimme.

Gleich der Sonne, die mit ihren warmen,
Weiten, segenvollen Liebesarmen
Allbefruchtend eine Welt umfängt:
Seht, so strahlet segenvoll, ihr Brüder,
Das Gestirn der Liebe auf uns nieder,
Das jetzt über unsern Häuptern hängt.

Chor.

Brüder, wärmet euch an diesem Strahl,
Und befruchtet eure Herzen all'!

Eine Stimme.

Gibt uns die Wahrheit Licht und gießt
Die Liebe Segen d'rauf,
So blühet Menschenglück und schießt
In reiche Ernten auf.

Drei Stimmen.

Drum sehet in die Zukunft heut,
Und freuet euch der Erntezeit!

Eine Stimme.

Und bau'n wir ohne Zwang dies Land,
Und nicht um Sklavensold,
Dann wird in uns'rer freien Hand
Jedwede Frucht zu Gold.

Drei Stimmen.

Drum sehet in die Zukunft heut,
Und freuet euch der gold'nen Zeit!

Eine Stimme.

Und, Brüder, ist hier unter'm Mond
Nun unser Tagwerk aus,
O dann entläßt nicht unbelohnt
Die Menschheit uns nach Haus.

Drei Stimmen.

Drum sehet in die Zukunft heut,
Und freut euch der Belohnungszeit!

Chor.

O feiert den Festtag, ihr Brüder,
Der heute zum vierten Mal wieder
An unserem Osten erscheint!
Froh sah'n wir drei Jahre schon scheiden,
Und bieten dem vierten mit Freuden
Die Hände – als unserem Freund.

*


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