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Die Wahl.

An Frau Josepha von ** zum Geburtstage.

Einst stritten Cybele und Zeus sich in die Wette.
Wer an der Menschen Glück mehr Antheil hätte,
Die Gattin, oder Mutter? Jupiter
War für die gute Gattin mehr,
Und Cybele ereiferte sich sehr,
Daß für der Menschheit Glück und Ehre
Die gute Mutter wichtiger,
Als eine gute Gattin wäre.
Nun gut, sprach Jupiter, wir wollen seh'n.
Wer Recht behält! So laß uns denn
Von neugebor'nen Mädchenseelen
Ein Paar der Besten zum Versuche wählen;
Ich suche mir das beste Mädchen aus,
Und mache dir die beste Frau daraus;
Und meines soll, rief Cybele, die Gaben
Der besten Mutter alle haben. –
Sie wählten beide aus der Mädchen Zahl,
Doch wußte keines von des andern Wahl;
Und jedes sah mit innigem Vergnügen
Den Keim des Siegs in der Gewählten liegen.
Zur besten Frau für einen edlen Mann
Wuchs Zeus' Gewählte nun heran,
Und die der Cybele versprach nicht minder,
Die beste Mutter ihrer Kinder.
Ob dem Erfolg, den beider Wahl verhieß,
War jedes seines Siegs gewiß.
Kaum war nun Zeus' Gewählte Frau,
So führt' er Cybelen, von stolzem Selbstvertrauen,
Zu seinem Meisterstücke hin zur Schau,
Und wies ihr da das Muster aller Frauen.
Die Göttin fuhr zurück mit schüchternen Geberden,
Doch faßte sie sich bald, und sprach:
Laß erst die Meine Mutter werden,
Eh' geb' ich, Stolzer, dir nicht nach!
Sie ward's; da führte, voll Entzücken,
Die Göttin Jupitern dahin,
Und zeigte lächelnd seinen Blicken
Die holde Kinderpflegerin.
Wer, sprach sie, hat nun hier verloren,
Du siehst in Einer Beides hier;
Die du zur Gattin dir erkoren,
Wählt' ich zur besten Mutter mir! –
Und beide sah'n im schönsten Bunde
Die Mutter mit der Frau vereint,
Und beide segneten die Stunde,
Die ihre Wahl in dir vereint.

*

Gedichte. Zweiter Theil


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