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Lob des Ochsen.

Du edles Thier, von dessen Fleisch wir essen,
Auf dessen Haut wir geh'n,
Du, den die Dichter, ach, so ganz vergessen!
Dich soll mein Lied erhöh'n.

Man kann Orest und Pilades nicht trennen,
Wenn man von Einem spricht.
Den Esel pflegt man hundertmal zu nennen,
Und dein gedenkt man nicht.

Das träge Thier bekömmt die fettsten Pfründen,
Dich spannt man an den Pflug!
Du bist, um unter uns dein Glück zu finden,
Nicht unbrauchbar genug.

Arbeitsamkeit ist immer zu bedauern,
Damit bringt's keiner hoch.
Wärst du nicht stark, man spannte mit den Bauern
Dich niemals an ein Joch.

Du bist, sowohl gesotten als gebraten,
Bei Jedermann beliebt,
Du bist das Magazin, das ganzen Staaten
Zur Hälfte Nahrung gibt.

Was für ein Thier hat sich im Nahrungsstande
Wie du signalisirt?
Und dennoch hat man dich in keinem Lande
Dafür nobilitirt.

Du gibst mit deinem Fett bei schlechtem Futter
Der halben Erde Licht:
Ein Domherrnbauch, gefüllt mit eitel Butter,
Stinkt nur und leuchtet nicht.

Der Esel ward berühmt, weil er vor Zeiten
Sein Ohr dem Midas lieh:
Du leihst dein Horn so vielen großen Leuten,
Und davon spricht man nie.

So viel durch dich auch große Häupter prangen,
So schön dein Horn sie ziert,
So werden doch daraus zum Läusefangen
Nur Kämme fabrizirt.

Doch besser denkt von deiner Hörner Stärke
Der Dialektiker;
Die höchste Kraft zum Ueberzeugungswerke
Nimmt er von ihnen her.

Dein Doppelhorn hat eine übergroße
Gewalt in seiner Hand,
Es stößt dem Gegenpart bei jedem Stoße
Ein Loch in den Verstand.

Ja, Freund, so lang die Welt Juristen, Pfaffen
Und Theologen hat,
Beschützest du allein mit diesen Waffen
Religion und Staat.

Drum haben auch die guten Götter immer
Dein Doppelhorn geschätzt,
Und es verklärt mit hellem Silberschimmer
In unsern Mond versetzt.

*


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