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An Herrn Blumauer,

von J. F. Ratschky.
Johannstein am Sparbach im Mai 1781.

Als, rings umpflanzt mit wolkenhohen Thürmen,
Das stolze Wien mir aus den Augen kam,
Und, vor der Glut der Sonne mich zu schirmen,
Der Brühl mich drauf in seine Schatten nahm,
Verschwur ich mich bei mehr als zwanzig Göttern
Mit einem Eid: die Sonne sollte nicht
Zum zweitenmal den Berg herüberklettern,
Es läge denn das stattlichste Gedicht,
So elegant, wie meines Wissens keiner
Im deutschen Reich, als etwa Unsereiner
Zu schreiben pflegt, an dich, o Freund! bereit.
Doch da nun schon wir Dichter jederzeit
Beim Laienvolk für Lügenschmiede galten,
So ließ es denn auch meine Wenigkeit,
So sehr ich sonst der Mann bin, Wort zu halten,
Dem Handwerksbrauch zu Liebe, hübsch beim Alten:
Denn wirklich hat bereits zum viertenmal
Die kühle Nacht nun Flächen, Berg und Thal
Und Feld und Wald mit Dunkel rings umhüllet,
Und dennoch ist mein Eidschwur unerfüllet,
Und blieb' es auch, hätt' ein Gewitter hier
In's Gartenhaus mich nicht hereingeschrecket,
Und hätte nicht der Donner über mir
Mein schlafendes Gewissen aufgewecket.
So höre denn, was meine Neubegier
Bon Ort zu Ort aus meiner Fahrt entdecket.

So wie ich mich durch einen breiten Strom
Von wallendem Getreide durchgewunden,
Stand Medling da, wo Gänse, wie zu Rom
Im Kapitol, am Thore Wache stunden.
Von dannen ging's ganz sachte durch den Brühl,
Wo plötzlich jüngst der Rest von alten Mauern
Auf einem Fels, zu dem man ohne Schauern
Nicht aufsehn kann, mir in's Gesichte fiel.
Hier hatten einst in jenen Ritterzeiten,
Als man Hierlands Begier und Muth zu streiten
Noch höher hielt, als Wissenschaft und Witz,
Viel Herzoge von Oestreich ihren Sitz.

Nun schlängelte die schmale Bahn sich mitten
Durch Klippen fort und durch das frische Grün
Des Wienerwalds, an Bächen, die mit Hütten
Umzingelt sind, bis zu dem Ziele hin.
Hier leb' ich nun so ziemlich abgeschieden
Von eurer Welt und ihren Plackerei'n,
Daß ich nicht weiß, wie's außer meinem Hain
Indessen geht, ob Krieg ist oder Frieden.

Heut morgens, Freund! als kaum die Sonne sich
Den Berg empor an meine Fenster schlich,
Ging alsogleich die Reise nach der Klause
Zum heil'gen Kreuz. Hier prangt vor der Karthause,
Schön angelegt, ein Kreuzgang, der vielleicht
Wohl nicht so viel dem Weg zur Schädelstätte,
Als einer Bahn zum Paradiese, gleicht;
Denn links erhebt sich eine kleine nette
Einsiedelei, mit Bäumen rings besetzt,
Zur rechten winkt die niedlichste Kapelle
Zur Andacht hin, wobei die schönste Quelle,
Rein wie Krystall, ein Rasenplätzchen netzt.

Im Stifte selbst fand ich mit Mißvergnügen
In einem Saal so manche Seltenheit
Bei Spielwerk oft, das höchstens Kinder freut,
Unordentlich wie Kraut und Rüben liegen.
Nebst andern ragt ein schöngeschnitztes Chor
Im Mittelpunkt des Tempels hoch empor,
Das einst ein Mönch, den, wie's so manchen gehet,
Kein guter Geist zur Reimerei entzückt,
Mit einer Art von Versen ausgeschmückt,
Wovon mir noch das Haar zu Berge stehet.
Lies sie nur selbst, kein Sylbchen ist verrückt:
Psale Deo soli, sed voci parcere noli.
Hic locus est flendi, locus est peccata luendi,
Hic sta, nec cesses, venient post tempora messes
Post fletum risus, mera gaudia, plus paradisus.
Psalle, sed attento resonet nisi corde, memento
Quod, licet os oret, frustra tua lingua laboret.
Hic memor hujus eris, ne orando mente vageris
Et ne quo fraudes, domini pia cantica laudes.

Noch hätt' ich dir, mein Bester! vielerlei
Von Bonzenstolz, Verstellung, Gleißnerei,
Unwissenheit und feisten Ordensbäuchen,
Von kupfrigen Gesichtern und dergleichen
Artikeln mehr sub rosa zu vertrau'n;
Allein ich mag mir keinen Scheiterhaufen
Im Höllenpfuhl durch meine Zunge bau'n;
Was hat denn auch ein Laie drauf zu schau'n,
Ob Mönche sich kasteien oder saufen?
Auch galoppirt bereits in vollem Lauf
Die düstre Nacht in ihrem Trauerwagen,
O Theuerster! den Horizont herauf,
Und zwinget mich, dir Lebewohl zu sagen.

*


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