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Eingang des fünften Gesangs des Mädchens von Orleans.

O Freunde! fangen wir ein christlich Leben an!
Wir können zu nichts Klüger'm uns entschließen;
Früh oder spät wird's doch geschehen müssen.
Ich selbst hing einst den lockern Burschen an,
Die kein Gesetz als ihre Lüste kannten,
Oft auf den Ball und nie zur Messe rannten,
Die, ach! getäuscht vom jugendlichen Wahn,
Nur Gasterei'n und Freudenmädchen liebten,
Und ihren Witz an Gottesdienern übten.
Doch was geschieht? Der böse Knochenmann
Mit hohler Nas und fürchterlicher Hippe
Schließt unsern Witzlingen die Lippe:
Ein hitzig Fieber, an dem Styx erzeugt,
Von Atropos zum Schweizer groß gesäugt,
Verrücket nur ihr Hirnchen. Gegenwärtig
Sind Priester und Notar; die Wärterin
Fragt ungescheut: »Herr, sind Sie reisefertig?
Wo wollen Sie mit ihrem Leichnam hin?« –
Nun kommt den Herr'n die Reue ungebeten,
Obgleich zu spät; der in den Todesnöthen
Frißt Lukaszettel, trinkt Walburgis-Oel,
Und der verlobt sich nach Maria-Zell.
Man betet, badet in geweihtem Thaue
Den Kranken, psalmodirt und plärrt Latein!
Allein umsonst: schon harrt mit offner Klaue
Am Fuß des Betts der böse Satan sein.
Und wie das Seelchen dann des Leibes Schwelle
Verläßt, so hascht er es im Flug, und führt
Es fort mit sich zum tiefsten Schlund der Hölle,
Dem Ort, der Seelen dieser Art gebührt.

*


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