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Landschaft und Reisen

Johann Jacob Bachofen, Griechische Reise. Hrsg. von Georg Schmidt. Heidelberg: Richard Weißbach 1927, 238 S.

Acht Jahre vor dem Erscheinen seines ersten Hauptwerks, der »Gräbersymbolik der Alten«, im Jahre 1851 hat Bachofen seine große, klassische Reise nach Griechenland, durch Attika, den Peloponnes, Argolis und Arkadien gemacht. Klassisch ist diese Reise in dreifachem Sinne. Der Stätte nach, durch ihre kanonische Bedeutung für ihn selber (seine übrigen griechischen Reisen treten gegen diese zurück), endlich durch ihre goethische Haltung. Mit Recht hat Ludwig Klages, dem als einem der ersten das Manuskript von Bachofens Reisejournal vorlag, es in die Nähe der »Italienischen Reise« gerückt. Wenn damit ausgesprochen wird, daß hier das Deutsche um einige große Stücke beschreibender Prosa, das deutsche Sehnen nach Hellas um eine seiner süßesten Erfüllungen bereichert ist, so heißt das doch auf der andern Seite, daß zu Gestaltung und Verständnis von Bachofens Lehre diese Blätter nichts Neues oder Entscheidendes beitragen. Sie stellen damit den Forscher vor eine interessante Alternative: Waren dem Reisenden selber um diese Zeit die Grundgedanken seines späteren Wirkens noch unbewußt? Oder wirkt auch hier die seltsame Zwiespältigkeit, die für Bachofens Wesen bezeichnend ist? Wie bei Wilhelm von Humboldt, dem schweizerischsten unter den großen deutschen Denkern, das eindringlichste Wissen um das Unvergleichliche und Unreduzierbare jedweder Sprache mit dem Dogma der unbedingten Überlegenheit der altgriechischen dauernd im Streite gelegen hat, ähnlich ringen bei dem Mythologen Bachofen eindringlichstes Wissen um die ethnologischen Urphänomene des Mythischen mit rücksichtsloser Bejahung des Apollinischen bis hinein in das Christliche, das ihm wahrscheinlich nichts anderes gewesen ist als der letzte weltgeschichtliche Sieg des Apollon.

Äußerlich gesehen zerfällt dieses Tagebuch in zwei Teile. Der mittlere Abschnitt der Reise, der von Patras über Korinth bis Epidauros führt, liegt in einer literarisch gestalteten Bearbeitung vor, der Rest, Beginn und Ende, in Notizen. Von diesen hat der Herausgeber nur die ersten, den Reiseweg von Basel bis Patras markierenden, aufgenommen. Da ist es denn sehr bezeichnend, wie auf den ersten zwanzig Seiten des Buches aus dem Innern des Reisenden selbst etwas wie ein unterirdisches Stöhnen in die Seligkeit des südlichen Himmels hineinklingt; störende Laute, wenn man so will, die aber Bachofens besten Lesern teuer sein werden, weil sie dies junge Reiseepos an sein späteres didaktisches »Gräbersymbolik«, »Mutterrecht«, »Tanaquil« binden. Aber solche Reflexionen, so zwingend sie sich auch einstellen, wären am unrechten Ort, wenn sie diesem Buche sein Recht schmälern wollten, genommen zu werden als das was es ist: Die Reise durch ein archäologisch noch wenig erschlossenes Griechenland, Pferderitt durch vereinsamte Hochtäler an der Seite eines schönen, griechischen Bauernknaben, Quartier in abgelegenen Dörfern, wo unter feierlichem Nachthimmel Mädchenlachen an das Ohr des einsamen Reisenden schlägt.


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