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Zweiunddreißigstes Kapitel.

Als es zu dämmern begann, gingen die beiden Hand in Hand durch das Dorf. Eine Weile standen sie vor dem kleinen Häuschen still, und was Aloys denkt, weiß Marannele zu sagen:

»Da hat dein Vater gewohnt. Ja, der Anfang ist klein gewesen.«

Von Haus zu Haus saßen die Menschen in der Abendkühle auf der Bank und überall wurden die beiden angehalten.

»Ja, ich hab's immer gesagt, das Marannele verdient's, das macht noch ein besonderes Glück. Und du, Aloys, kannst auch froh sein, du hast die Lustigste und Bravste.«

»Ich wollt', ich könnt' mit euch.«

»Und es thut wohl, auch wieder einmal eine rechte Liebe zu sehen und eine lustige Hochzeit zu erleben.«

So hieß es da und dort, und wie zur Verstärkung der freudigen Empfindung wurde dann von Elend und Verbrechen erzählt. Man war froh, die Erinnerung an Ohlreit durch dieses freudige Ereignis zuzudecken. Einige sagten sogar, und es schien, sie glaubten es selber:

»Ich kann drauf schwören, am ersten Abend, wie der Aloys ankommen ist, hab' ich zu meinem Mann, zu meiner Frau, zu meiner Tochter gesagt, oder doch sagen wollen: Das ist ein Mann für des Jörglis Marannele, die wären einander zu gönnen.«

Als sie wieder allein waren, rief Marannele:

»O Ihr tausend Millionen Sterne am Himmel und so viel herzgute Menschen auf der Erde. Unser Glück macht alle Menschen glücklich. Man weiß gar nicht, wie viel Menschen man hat, die einem im Herzen gut sind. O wie wohl thut das, aber auch weh, daß man sie verlassen muß.«

»Du kriegst andere dafür in der Neuen Welt,« entgegnete Aloys. »Uebermorgen schwimmt unser Brief an die Eltern auf dem Meer. Jetzt essen sie bei uns daheim zu Mittag. Schau, ich habe hier auf der Innenseite meines Uhrendeckels den Zeitstand. Wenn es hier mittags um zwölfe ist, ist's daheim bei uns morgens um sechse.«

»Du hast von deinen Eltern sagen wollen.«

»Ja, ich sehe vor mir, wie der Brief geholt wird, und der Vater macht ihn ruhig auf, er zerreißt keinen Umschlag. Und was für ein Jubel wird sein!«

Es dauerte lange, bis die beiden Abschied voneinander nahmen. Als Aloys in das Wirtshaus kam, traf er Waldfried noch bei den Wirtsleuten, bei denen er sich als Freund Ivos heimisch fühlte.

»Glück und Segen,« rief die Adlerwirtin Aloys entgegen. »Und weißt auch schon, daß meine Schwester Ignazia Braut geworden ist?«

»Mit wem?«

»Mit dem Bezirksförster, er ist Forstrat geworden.«

»Das freut mich, das paßt.«

»Und sie schreibt Gutes von dir und wünscht dir alles Gute. Ich glaub', ihr beide habt einander aufgeweckt, daß jedes seine rechte Liebe erkennt.«

»Ich glaub's auch.«

Waldfried nahm schon jetzt Abschied von Aloys, in der ersten Nacht als Verlobter schlafe er gewiß spät ein und wache spät auf, und er habe beschlossen, am Mittag wieder zu Hause zu sein; Aloys aber müsse jedenfalls vor der Heimkehr mit seiner Frau nochmals ins Murgthal kommen.

Aloys drückte dem Freunde, der sich so treu seiner angenommen, still die Hand; man sah ihm an, wie dankbar er war, aber sagen konnte er's nicht. –

Der erste Besuch, den das Brautpaar andern Tages machte, war beim jungen Buchmaier.

Dieser kam ihnen strahlenden Angesichtes entgegen und rief:

»Aloys, vor Wochen bist du zu einer Sterbestunde gekommen, und jetzt in dieser Stunde ist mir mein erster Sohn geboren worden. Wenn ihr einmal die Freude habt, werdet ihr dran denken, wie es mir jetzt ist. Wartet ein wenig, ich muß es meiner Frau sagen.«

Er ging davon, kam aber bald wieder und sagte:

»Es ist der Bäuerin auch lieb. Also, wir bitten euch, bei unserem Sohn Gevatter zu stehen.«

Aloys schien keine Antwort zu wissen, aber Marannele sagte:

»Ist uns eine große Ehre.«

Und das war's auch.

Der Enkel des Buchmaier erhielt den Namen seines Großvaters Pius und dazu den Namen Aloys.

Am Sonntag, an dem das erste Aufgebot verkündet wurde, machte Aloys mit der ganzen Sippschaft – auch Hirtz und seine Tochter und die Muhme Rufina waren dabei – in dem vierspännigen, großen Stellwagen des Schwiegervaters, der wieder hergerichtet worden war, eine Ausfahrt, und das Ziel war ein hohes. Denn Aloys, der noch nie eine Burg gesehen hatte, wollte daheim dem Vater besonders von der Burg Hohenzollern erzählen, die er am ersten Abend im Mondenschein gesehen hatte.

Man hielt auf dem Rückweg in dem lieblichen Imnau an, wo getanzt wurde. Aloys konnte aber leider nicht tanzen, das hat er auch noch vom Vater, und Marannele tanzte nun auch nicht.

Knechte und Mägde, alte und junge, kinderreiche Familien und junge Liebesleute kamen zu Marannele und erboten sich, mit ihnen auszuwandern und einstweilen bei ihnen in Dienst zu treten. Marannele war klug genug zu entgegnen, sie kenne die Verhältnisse nicht und mische sich da auch nicht ein; um aber auch Aloys nicht zu belasten, fügte sie hinzu: wenn Aloys jemand brauche, werde er schon selber Umfrage halten, man solle ihn daher nicht überlaufen.

Das geschah aber doch, und im Dorfe hieß es, der junge Tolpatsch sei gar nicht so gutmütig, im Gegenteil, er sei hartherzig.

Aloys ordnete mit Hirtz alles, so daß Alt Marannele gut versorgt war. Die Gespielen Maranneles hielten geheime Versammlung und berieten, was sie der Scheidenden mitgeben sollten. Sie lachten beim Entschlusse, aber – und das will viel heißen – sie verrieten doch nichts.

In der letzten Woche fuhr das Brautpaar, von Hirtz geleitet, nach dem Murgthal, und Hirtz brachte das Schuhmaß von Ludwig, Conny und Wolfgang mit heim. Die Leisten für Aloys und Marannele hatte er schon fertigen lassen, denn solang Hirtz lebte, wollten sie in seinen Schuhen gehen.

Am Sonntag wurde die Hochzeit gehalten mit Musik und Tanz, wie lange nicht im Dorfe gewesen. Hirtz war Brautvater und alles stimmte bei, als er bei der Hochzeitstafel mit klugem Bedacht ein Wort aus einem alten Briefe des alten Aloys auslegte: das Nordstetten in Amerika sei nur ein in die Fremde verheiratetes Kind, und hierauf ließ er Neu-Nordstetten in Amerika hoch leben.

Leise sagte er dann zu Aloys, er möge in der Nacht abreisen, denn am Tage werde die junge Frau viel Herzbrechen haben; da ist der eine Acker und da ist der andere Acker, und auf allen wachsen schwere Erinnerungen.

Die Gespielen brachten Windeln aus selbstgesponnenem Linnen als Hochzeitsgeschenk; es war ein volles Dutzend, genau numeriert für zwölf Kinder.

Und was noch das beste ist, ein neuer Liederquell that sich nach langer Vertrocknung an diesem Tage wieder auf. Es wollte gar nicht abbrechen, wie ein Bursch nach dem anderen eine Vierzeile nach der alten Melodie hergab.

Die vielen, nicht immer wählerischen »G'sätzle« waren schnell wieder vergessen, nur eines sangen die Neuvermählten noch, als sie in der Nacht das Neckarthal hinabfuhren:

        »Und 's Marannele und der Aloys,
Han's doch noch verzwungen,
Was den Alten entgange ist,
Das han jetzt die Jungen.«


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