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Zwanzigstes Kapitel.

Nach der herzlichen Begrüßung sagte Ivo, die Hand des Aloys lange festhaltend:

»So ist's recht, die Amerikaner schicken jetzt ihre Kinder ins Vaterhaus zurück, wo jetzt Friede und Freude und Einigkeit ist.«

Die Stimme Ivos und jedes seiner Worte kam so aus dem Herzensgrund, und eine wahre Wohlthat war's, wie er dreinblickte, er sah so ehrgebietend und doch so zutraulich aus.

Ivo war, was man einen wohl ausgearbeiteten Mann nennen kann, und wie er in seinen hohen Stiefeln dastand, konnte man sagen, das ist ein fester Mann auf festem Grund. In seinem faltenlosen, freundlich glänzenden Gesicht lag der Ausdruck der Geradheit und Bestimmtheit, sein Auge hatte den stillen, beruhigenden Blick der Menschenfreundlichkeit; die Gestalt, gedrungen und untersetzt – so was man pfostig nennt – war von behaglicher Fülle, die aber noch Behendigkeit zuläßt.

Da Ivo noch immer seine Hand hielt, sagte Aloys:

»Mir ist's, wie wenn der Herr Ivo mich von Kindheit an so an der Hand geführt hätte.«

»Soll dir auch wohl bei uns sein.«

Und Aloys wurde schöner bei diesen Worten; denn das beste, was er aus Amerika mitgebracht hatte, war die Achtung vor der höheren Bildung, und hier hatte sich noch inniges Wohlwollen dazu gesellt. Ivo fuhr fort:

»Wir haben dich schon lang erwartet. Meine Schwester in Amerika hat geschrieben, daß du kommst. Wo ist denn die Ignazia? Ignazia!« rief er, »komm herein in die Stube, ich muß dir was Wichtiges sagen.«

Ignazia kam zögernd und Ivo sagte:

»Ich habe die Stelle als Vorsteher der Ackerbauschule angenommen und der Schwager Rupfer wird Hauptlehrer. Schon zum Herbst ziehen wir auf die Burg.«

Zu Aloys gewendet, erklärte er diesem, daß die Regierung schon lange in ihn dringe, die Leitung einer Ackerbauschule zu übernehmen, worin Bauernsöhne und Knechte in den Fortschritten der Landwirtschaft unterrichtet werden, aber die Haltung doch so bleibe, daß sie bei höherem Wissen sich nicht für zu gut halten, einen Wagen voll Dung zu laden.

»Ich habe der Regierung als eine Hauptbedingung gestellt,« fuhr er fort und zu Aloys gewendet: »nicht als Gunst für mich, das verlange ich nicht, und das ist bei uns in Deutschland auch nicht, nein, weil er's verdient, hab' ich's verlangt, man soll mir meinen Schwiegersohn, der Reallehrer in Offenburg ist, als Hauptlehrer beigeben. Und das ist bewilligt worden. Du gehst doch auch gern mit?« wendete er sich zu Ignazia.

»Von Herzen gern, Vater. Ich hab' gewußt, daß Ihr annehmet, und es ist das Rechte. Ich hoffe, auch nicht unnütz zu sein.«

Sie verließ das Zimmer und Ivo sagte hinter ihr drein:

»Es gibt doch keine größere Freude auf der Welt, als wenn ein Kind eben bei allem Verstand das rechte Kinderherz behalten hat. Wie mir meine Schwester schreibt, bist du auch ein guter Sohn an deinen Eltern. Das soll ja bei der frühen Selbständigkeit der Knaben in Amerika nicht gar so häufig sein.«

Er fragte nach seiner Tochter in Nordstetten und dann nach den Angehörigen in Amerika.

Aloys erzählte genau und legte ein Bild seines Vaters vor.

»So sieht er aus? Ich sehe noch sein gutes, junges Gesicht aus dem alten heraus. Ich vergesse es nie, wie ich seinen langen Brief deiner Großmutter vorgelesen habe. Dein Vater war ein Herzmensch, ein wenig weichmütig, aber Amerika hat ihm die nötige Straffheit gegeben. Ludwig Waldfried hat viel von seiner Bewährung im Kriege erzählt. In dem damaligen Briefe deines Vaters war eine Kinderhand abgezeichnet, als Gruß herüber gereicht zu uns; das kann nicht deine Hand gewesen sein.«

»Nein, die von meinem ältern Bruder Basche, er hat schon selber fünf Kinder und seine Frau ist eine Lady.«

Ivo schien die letzte Bemerkung nicht zu verstehen oder nicht zu beachten, denn er fuhr fort:

»Ja dein Vater! In unserem Dorf haben sie nicht verstanden, was in ihm steckt, und wer weiß, ob's daheim je an den Tag gekommen wäre. Viele werden erst in Amerika zu dem, was sie sein sollen. Jetzt gottlob nicht mehr. Wir schicken euch keinen Zuzug mehr. Wir behalten unsere tüchtigen Menschen daheim.«

»Herr Ivo,« begann Aloys.

»Heiß mich nur Vetter. Und sei nicht zaghaft. Soweit die Tannen grünen, findest du keinen Menschen, der es besser mit dir meint und sich mehr mit dir freut, als ich.«

Ivo erzählte, wie es ihn gefreut habe, daß Aloys in Nordstetten ein Haus habe zimmern und richten helfen und Aloys fügte so bedachtsam als bescheiden hinzu, daß man in Deutschland nicht so zu arbeiten verstehe wie in Amerika, wo man die Zeitverschwendung für einen der schlimmsten Fehler halte. Ivo sah wohlgefällig auf den jungen Mann, da ist etwas, was man doch nur in der Neuen Welt bekommt, ein entschlossenes und behendes Zugreifen, wie es auch Ludwig Waldfried mit heimgebracht hat. Aloys steht ihm an Bildung nach, aber gewiß nicht an mannhafter Selbstheit und solche könnten wir aus Amerika importieren. Ein flüchtiges Lächeln ging über die Mienen Ivos und Aloys, der darin die Wohlgesinntheit erklärte, platzte mit dem Gedanken heraus, warum er gekommen sei. Kopfschüttelnd entgegnete Ivo:

»Du gehst schnell, aber da mußt du sachte thun. Wie lang kannst du denn bei uns bleiben?«

»Ich hab' noch gute Zeit. Ich möcht' nur vor den Herbststürmen zu Schiff sein. Ich habe also fragen wollen.«

»Sei ohne Scheu. Sprich offen.«

»Ich habe fragen wollen, ob der Herr Vater nichts dagegen hat.«

»Ich geb' kein Kind gern nach Amerika. Aber vielleicht läßt sich's umdrehen. Wenn sie dich will, habe ich nichts dagegen. Ich bleib' nicht allein, ich hab' meine Tochter und ihren Mann und ihre Kinder auf der Burg. Aber da kommt das Essen. Laß dir's bei uns schmecken.«

Man hatte kein Tellerrasseln und kein Messerklappern gehört. Der Tisch war mit feinem, glänzenden Linnen bedeckt. Ignazia sagte, sie müsse eigentlich ins Feld, aber sie wolle dem Gastfreunde zulieb mit zu Tisch gehen, nur solle er's nicht verübeln, wenn sie bald aufstehe.


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