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Dreizehntes Kapitel.

Wie ist es da im Waldesgrunde so schattig und still, und der kleine Bach plaudert wie ein vor sich hinlallendes junges Kind in der Wiege, das am Mittag einsam aufgewacht ist. Ja, aber du mußt auch bald arbeiten, da ist die Leitung und dort treibst du das Wasserrad an der Papiermühle.

Aloys besah sich das Mühlwerk und fand es gut eingerichtet; sie sind hier doch in allem schon weiter, als der Vater meint.

Als er die Mühle verließ, begegnete ihm Soges der Landbriefbote und sagte, daß er im Adler einen Brief aus Amerika für ihn abgegeben. Aloys schien aber gar nicht neugierig auf Nachrichten von daheim, er sah den Boten an, als ob er nichts gehört hätte, und Soges sagte vertraulich, eben sei noch ein Freier für des Papierers Tochter angekommen, es sei auch ein Papierer, aus dem Hohenzollernschen.

»Wünsche Glück und Segen!« erwiderte Aloys lächelnd, es kam ihm wie ein vergessener Traum vor, daß die Muhme ihn auf die Papiererstochter gewiesen hatte. Der Soges schaute dem Amerikaner verwundert nach; sind doch wunderliche Leute die von drüben, könnte der Mensch unterhaltsame Gesellschaft haben zum Heimweg und geht jetzt allein und jetzt steht er dort bei der großen Weißtanne und schaut auf den Ameisenhaufen, wie wenn er sein Lebtag so was nicht gesehen hätte

» Good evening Sir!« rief eine Stimme zu Aloys; Ohlreit stand vor ihm, an seinen Kleidern, in seinem Haar hing noch Moos, er hatte offenbar im Walde geschlafen und er blinzelte auch wie einer, der eben erwacht ist.

»Nicht wahr, eine schöne Tanne? Edeltanne heißt man's bei uns. Weißt wozu die gut wär'? Sich dran aufzuhängen.«

»Das sind keine Späß', die ich hören mag.«

»Gut. Steck deinen Stock in den Ameisenhaufen, sieh zu – grad so ist es gewesen, wie ich heimkommen bin. Hui! Wie ist da das ganze Dorf hin und her gerannt, wie die Ameisen da. Und jetzt? Pah! Weißt du, was das Dümmste auf der Welt ist?«

»Nein.«

»Das Dümmste ist, daß man gern für reicher gelten will, als man ist. Ich rate dir, mach dich fort, eh du unwert wirst und nimm mich auch mit, nimm mich mit. Teufel hol's!« unterbrach er sich, »ich hab' kein Feuer. Kannst du mir kein Feuer geben?«

Aloys verneinte und Ohlreit rief: »Ja so, du rauchst ja nicht! Möcht' wissen, wie man lebt, ohne zu rauchen. Gut. Ich kann auch kauen.« Er zerbrach die Cigarre und steckte sie in den Mund. »Aber gut ist's,« rief er, ein Knöllchen bildend, »daß ich dich da treffe, hast du es auch schon entdeckt?«

»Was denn?«

Lachend erwiderte Ohlreit: »Da, ja da hab' ich mich setzen wollen, hab' mich auch gesetzt, aber nur von einem Wirtshaus ins andere. Aber schau, da, wo sie den Neckar wegen der Eisenbahn haben abgraben müssen, schau, was das ein Gefäll ist. Mit einem Geringen fangt man hier die beste Wasserkraft, und da ließe sich eine Werkstatt herstellen, eine echt amerikanische. Meiner Schwester Mann ist halt ein grüner Junge, weil er nicht mitthut. Ich könnt' denen hier zeigen, was ein Amerikaner ist. Die Kerle hier wissen noch nicht einmal, daß beim Sägen die halbe Mühe vergebens ist, das Anziehen der Säge.«

Aloys freute sich, den Verwahrlosten doch einigermaßen bedachtsam zu finden, und er lobte sein Vorhaben.

Frohlockend rief Ohlreit:

»Du wärst mein Mann. Weißt du, was ich brauch'?«

»Geld.«

»Das auch, aber ein Co, das ist die Hauptsache. Ich bin ein ganzer Kerl, wenn ich zu zweit bin: Schorer und Compagnie soll es heißen. Ich will der Co sein.«

»Ich bleibe nicht hier und du wirst hier schon einen Gesellschafter mit Geld finden.«

»Nein. Eine Werkstatt hierher bauen, das käme ihnen vor, wie aus der Welt draußen. Wenn der Amerikaner ein Haus buildet, will er auch eine gute view haben, davon versteht das people hier nichts. Wenn sie nicht die Base drüben im Nachbarhaus ihre Kinder prügeln hören, dann meinen sie gleich, sie wären aus der Welt. O! Wenn ich sie nur alle einmal beim Kopf nehmen und eine Stunde ins Meerwasser halten könnte.«

Ohlreit kam so in Wut, daß ihm der Mund schäumte, der halbverschlafene Rausch schien wieder aufzuwachen.

Er geleitete Aloys und sagte, nun käme man noch zu rechter Zeit auf den Bahnhof, zwanzig Minuten nach sieben bringe der Soges die Briefe und warte auf den nächsten Zug, Soges sei der beste Trinkgenosse. »Und weißt was!« rief Ohlreit, »ich hab' dir den besten Rat. Du willst die Leute hier kennen lernen? Mach's wie ich, geh mit dem Soges Briefe bestellen, da lernst du die Menschen kennen, von innen und von außen; sind aber von keiner Seite schön.«

Aloys dankte.

Als sie in der Au an dem Kreuzweg, da, wo dem Thal entlang der Weg nach Horb und bergauf nach dem Dorfe geht, trennte sich Aloys rasch von Ohlreit.

Wußte er, daß da oben die Gemarkung Schießmauernfeld ist? Er stand, aus dem Walde heraustretend, still und sah den roten Rock sich zwischen den Hopfenranken bewegen. Er hielt an, und jetzt setzte sich Marannele an den Feldrain unter den Ebereschenbaum und aß Brot und gab dem Hunde von Zeit zu Zeit ein Stück. Auch Aloys verspürte Hunger, er trat näher und rief: »Willst du mir auch ein Stück Brot geben?«

»Was ich noch hab'. Es ist leider Gottes wenig.«

Er setzte sich zu ihr; über ihnen, im Wipfel des Ebereschenbaumes, sang eine Goldammer ihre kurzen und langgezogenen Töne, die nach der Landessprache bedeuten: I wie ist's so schön! I wie ist's so schön.


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