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Neunundzwanzigstes Kapitel. Sei stolz.

Der Sänger kam zu Reinhard im Auftrage des Hohlmüllers, der sich sehr darüber gräme, daß ihn Reinhard gar nicht mehr besuche. Der Sänger setzte indes sofort hinzu, daß man Reinhard nicht zumuten könne, immer von Lorle als von einer noch Lebenden zu sprechen, und daß es überhaupt nicht wohlgethan sei, dem Alten den Todesfall zu verhehlen. Er erbot sich, dem Hohlmüller die Wahrheit zu sagen, aber Reinhard hielt ihn davon ab; er wollte nicht in das Verhalten von Schwager und Schwägerin eingreifen.

Der Sänger hatte allerlei Plane für sich und Reinhard, und dieser ließ ihn gern gewähren. Er verkündete nun, daß heute abend die Jagd auf der Dorfgemarkung versteigert werde; er wolle dieselbe gemeinsam mit Reinhard erstehen, denn er könne im Winter sich bisweilen frei machen und zur Jagd hierher kommen.

Reinhard willigte ein und er lächelte, als der Sänger hinzufügte, Reinhard könne es bei seinem Ansehen leicht bewirken, daß der Wiener Eilzug hier anhalte, statt im Nachbarorte, dadurch sei es Reinhard auch möglich, Oper und Schauspiel bequem zu besuchen. Reinhard freute sich an dem vielen guten Denken des Sängers für ihn; er sagte indes, daß er derartiges genug genossen, er habe nur ein einziges Verlangen und das sei vollkommene Ruhe und stilles Alleinsein.

Reinhard wollte so bald als irgend thunlich das Wirtshaus verlassen und sein eigenes Haus beziehen.

Neben dem peinlichen Gefühl, daß er gegen Schwager und Schwägerin seine Absicht verheimlichen mußte, störte ihn vor allem auch der blödsinnige Fabian.

Reinhard hatte wohl bemerkt, daß man den Armen oftmals eingeschlossen hielt, solang er da war; er bestand daher darauf, daß man ihm bis zur Unterbringung in einer Anstalt die volle Freiheit lasse. Er bezwang sich und näherte sich freundlich dem Blödsinnigen, dieser aber wich ihm scheu aus, verkroch sich vor ihm und starrte ihn aus einem Versteck grinsend und zähnefletschend an. Der Arme hatte offenbar eine Vorstellung davon, daß Reinhard an seiner Einsperrung schuld war. Wenn er den Namen Reinhard hörte, machte er Zeichen, als ob er mit beiden Händen einen großen Bart fasse; er wollte damit sagen, daß er wohl wisse, von wem die Rede sei.

»Ich werde bald in mein Haus ziehen,« sagte Reinhard eines Tages zu Malva.

»So? Ich hab' gemeint, wir ziehen erst miteinander ein.«

»Nein, du kommst zu mir.«

Malva antwortete nicht, sie sah nur wie verwirrt hin und her und seufzte tief auf. Reinhard bemerkte es nicht, denn er hielt in stillem Brüten die Hand fest auf die Augen und Malva nickte still vor sich hin, wie wenn sie sich sagen wollte: Vergiß das nie mehr, er ist Herr.

»Ich muß für mich sein,« fuhr Reinhard fort. »Im Wirtshaus betrachtet mich jeder so keck, als ob ich zu seiner Unterhaltung aufgestellt wäre, und manchem ist es unterhaltsam, mich anzureden, er denkt eben an sich und nicht an mich, ob ich auch mit ihm reden will.«

»Das ist recht,« entgegnete Malva, »das freut mich, daß der Herr Reinhard wieder stolz ist, wie sich's ihm gehört. Das ist das einzige, worüber ich mich mit der Frau Professorin gezankt habe; sie ist nicht genug stolz gewesen und nachher hat's ihr leid gethan, wenn die dummen Menschen das nicht verstanden und so zuthulich gewesen sind.«

Reinhard lächelte zufrieden. Malva machte freilich aus allem, was man sagt, ein andres, eben weil sie eine Natur für sich war, und Reinhard freute sich, daß er eine solche Natur jetzt richtig zu verstehen wüßte.

»Und daß ich's nicht vergesse,« sagte sie, »das ist grundgescheit. Der Herr Reinhard hat die Jagd gepachtet, jetzt ist der Waldhüter unser Untergebener, nicht wahr?«

»Ja freilich.«

»So gehört sich's. Der Herr Reinhard sollt' eigentlich König sein über alle.«

»Ich will nicht einmal über dich herrschen, du sollst mich nur herzlich lieben und Geduld mit mir haben.«

Malva wollte ihm die Hände küssen, er aber umhalste sie.


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