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Vierunddreißigstes Kapitel. Die Welt ruft.

Im Gefühle der Genesung und einer festen starken Liebe ging Reinhard durch das Dorf und über die Felder; alle Menschen sahen so heiter drein, denn sie schauten in sein neu belebtes Antlitz. Er mußte sich oft besinnen. daß er schon einmal ein Leben gehabt und daß er schon so alt sei; das Dasein schien erst jetzt zu beginnen.

Die Welt draußen aber hatte ihn nicht vergessen. Es kamen drei Briefe auf einmal, der eine war aus Rom, der andre trug ein gräfliches Siegel und der dritte das Siegel des Fürsten.

Reinhard öffnete den aus Rom zuerst. Angela schrieb: »Ich habe deine Adresse erfahren. Dein Freund, der Bildhauer, mit dem grausamen Namen Kneitler, hat mir's verraten. Willst du also in der That deinen teutonischen Wunsch ausführen und dich in den dunklen Wäldern deiner Heimat begraben?

Wenn du kannst, vergiß mich.

Der Papagei ruft jetzt eben deinen Namen. Wenn du von heute an in drei Wochen nicht hier bist, muß der Schwätzer sterben. Ich danke dir indes, daß du mir deine Bacchantin hinterlassen.«

Reinhard schaute eine Weile drein, als müßte er sich aus einen Traum besinnen, dann steckte er den Brief zu sich. Er öffnete den zweiten und las:

»Eine alte Freundin – wirklich alt und wirklich Freundin – ruft dem Jugendgenossen Willkomm in der Heimat zu. Finden Sie in dieser Photographie noch etwas von den alten Zügen? Das Herz läßt sich leider nicht photographieren, sonst würden Sie es sofort wiedererkennen.

Sie sind wieder im Vaterlande, ich weiß aber nicht, ob Sie eine alte, nein, ich sage eine junge innige Beziehung fort erhalten wollen. Ich möchte Ihre Einsamkeit nicht stören, nur wissen sollen Sie, daß Sie unvergessen sind von – darf ich mich noch so nennen? – Ihrer Freundin, verwitwete Ida von Felseneck.

(Briefschleppe): Die Baronesse Arven in Ihrer Nähe ist meine älteste Tochter.

Ich bringe in der Regel die Herbstmonate bei ihr und meinen Enkeln zu.«

Ohne weitere Zögerung öffnete Reinhard den dritten Brief, es war ein eigenhändiger vom Fürsten, der ihn einlud, nach der Residenz zu kommen und den Tag seiner Ankunft zu melden.

Die ersten beiden Briefe überging Reinhard mit Stillschweigen, vom dritten aber erzählte er Malva und fragte:

»Was meinst du? Ich kann ablehnen, ich bin frei. Oder soll ich doch hingehen?«

»Ich glaubt der Herr Reinhard fragt mich nicht nur, er will mich auch hören.«

»Gewiß.«

»Ich mein', da muß man hingehen; es ist eine große Ehre und es schickt sich auch.«

Malva hätte gern aller Welt gesagt, daß Reinhard zum Fürsten gerufen sei, aber sie mußte schweigen.

Der Baumwirt dagegen verkündete im ganzen Dorfe, daß sein Schwager, der Professor, eine Einladung vom Fürsten bekommen habe; er sprach das so gelassen und selbstbewußt aus, als wollte er sagen: das gehört sich für uns, und es ist nur schade, daß ich eine solche schmackhafte Nachricht nicht auf die Zeche setzen kann.


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