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Neunundzwanzigstes Kapitel.

»Hochgeehrter Herr Oberst und lieber Freund!

Mein jüngster Sohn Aloys wird zu Ihnen kommen und Ihnen alles von mir und den Meinigen berichten. Meine Schußwunde am Fuß ist wohl geheilt, aber unbehilflich bin und bleibe ich. Ich hätte gern noch einmal meine Heimat gesehen, aber ich habe mich doch auch vor den vielen Herzstößen fürchten müssen. Man ist eben älter und muß mit den Lebensjahren haushalten. So habe ich meinen Sohn geschickt, der vielleicht auch in der Heimat die rechte Frau bekommt. Und da möchte ich, daß Sie Vaterstelle übernehmen. Ich weiß, Sie prüfen alles, als wär's Ihr eigner Sohn. Er ist ein rechtschaffener Mensch und daß er auch nicht einfältig ist, werden Sie bald heraus haben. Er ist aber sehr scheu und gibt sich erst her, wenn man ihm viel gute Worte gegeben hat. Ich weiß, Sie thun das schon seinem Vater zulieb, der Ihnen im voraus dankt. Ich habe aber noch eine besondere Bitte. Ich habe einmal in meinem Heimatsdorf ein Mädchen gern gehabt, es hat aber einen anderen gern gehabt. Ich danke Gott von ganzer Seele dafür, denn ich habe meine Mechthilde bekommen. Sie kennen sie ja, und sie läßt Sie herzlich grüßen und auch Ihre Frau und den Wolfgang. Meine Frau hat mich ermahnt und ermuntert, daß ich Ihnen diesen Brief schreibe, und ich weiß, bei Ihnen ist alles in guter Hand. Also – es ist zum Lachen, daß ich nicht gern von meiner alten Liebe spreche. – Ein Großvater! Aber es ist auch nicht zum Lachen; nämlich ich habe meinem Sohn dadurch ein Schweres auferlegt. Es hat mir seit Wochen wie ein Stein auf dem Herz gelegen, und da hab' ich's meiner Frau berichtet; wie gesagt, mein Sohn will sehen, ob er eine Frau von daheim mitbringen kann. Er kann frei wählen, nur das hab' ich mir verbeten, daß er eine Tochter von Marannele und dem Jörgli heirate. Und jetzt sagt meine Frau – Sie wissen ja, wie hellauf sie ist – und jetzt sagt sie: ›Das ist grad' wie Adam und Eva im Paradies, just in den Apfel, der ihnen verboten ist, in den möchten sie beißen.‹

Ja, also ich bitte Sie darum, wenn mein Sohn doch vielleicht, wer kann das wissen? eine Tochter von dem Marannele und dem Jörgli gern bekommen hat, so soll er sich sein Herz nicht schwer machen. Er hat leider Gottes das wehleidige Herz von mir. Ich nehme mein Wort zurück und gebe meinen Segen dazu.«

»O lieber Gott! O guter Gott! O lieber guter Vater!« schrie Jung Aloys auf und mächtige Thränen rannen ihm über das Gesicht.

Aloys las die letzten Worte nochmals laut, dann las er still weiter, sich nur manchmal wieder die Augen und die Wangen abwischend.

Im Briefe aber hieß es:

»Lieber Herr Oberst und guter Freund! Wenn man solche Kriegszeiten mitgemacht hat, wie wir miteinander, da sollt' man's nicht denken, daß man noch so sein kann und wegen so Kleinem miteinander hadern. Ich schäme mich, Friedensrichter zu sein und zu heißen, und hab' noch heimliche Feindschaft in meiner Seele. Liebet eure Feinde! Das kann ich nicht halten, und ich hab' noch keinen Menschen gefunden, der es kann. Aber thuet wohl denen, die euch Böses gethan. Das ist recht, das kann man, und so eigentlich meine Feinde sind sie auch nicht und haben mir auch nichts Böses gethan. Und wenn das Marannele mitkommen will und der Jörgli auch, sie sollen nur kommen. Wir sind alle miteinander alt. Im Himmel droben kann man niemand mehr ausweichen und meiden, das wollen wir auf Erden auch so halten, die paar Jahre, die wir noch zu leben haben.«

Mit zitternden Händen gab Aloys den Brief wieder zurück, dann ging er, die Thränen hinabschluckend, ohne ein Wort hervorbringen zu können, hinaus in den Garten, dort saß er lange und die Hände faltend sah er zum Himmel hinauf und gelobte, es verdienen zu wollen, einen solchen Vater zu haben.

Am Abend bat er Ludwig Waldfried, ihn nach Nordstetten zu begleiten; der Gastfreund willigte ein.


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